Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift stellt nicht auf das wirkliche Innehaben einer derartigen Verfügungsberechtigung ab, sondern darauf, ob jemand als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namenauftritt. Der erste Satzteil der Vorschrift lässt die Annahme zu, sie beträfe auch solche als Verfügungsberechtigte auftretende Personen, die in Wirklichkeit nicht verfügungsberechtigt sind, sei es, dass sie die Verfügungsberechtigung vortäuschen oder irrtümlich annehmen. Die Einschränkung im zweiten Satzteil, dass der als Verfügungsberechtigter Auftretende die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nur hat, "soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann", widerspricht dieser Annahme jedoch. Im Ergebnis werden daher nur solchen Personen die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (s. § 34 Abs. 1 AO) auferlegt, die aufgrund rechtlich bestehender Verfügungsmacht als Verfügungsberechtigte auftreten (BFH v. 16.03.1995, VII R 38/94, BStBl II 1995, 859; BFH v. 27.05.2009, VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 zum schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im eigenen Namen tritt als Verfügungsberechtigter auf, wer ein originäres Verfügungsrecht zu haben angibt, ohne Rücksicht darauf, ob dies zutrifft oder nicht (BFH v. 24.04.1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im fremden Namen tritt als Verfügungsberechtigter auf, wer sich nach außen hin als Inhaber eines abgeleiteten Verfügungsrechts geriert. Es ist nicht erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte als solcher gegenüber der Finanzbehörde aufgetreten ist (BFH v. 29.10.1985, VII R 186/82, BFH/NV 1986, 192). Es genügt das Auftreten gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit (BFH v. 24.04.1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76).

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Als Verfügungsberechtigte kommen beispielsweise Prokuristen in Betracht (s. § 49 HGB), wenn sie als solche auftreten (BFH v. 29.10.1985, BFH/NV 1986, 192; BFH v. 23.04.2007, VII B 92/06, BStBl II 2009, 622), allerdings nur innerhalb des ihnen zugewiesenen Geschäftsbereichs, soweit sie dessen Rahmen nicht überschreiten (BFH v. 19.07.1984, V R 70/79, BStBl II 1985, 147). In Betracht kommen auch Treuhänder und zur Verwertung des Sicherungsgutes berechtigte Sicherungsnehmer zumindest dann, wenn ihnen Befugnisse zustehen, die über die schlichte Möglichkeit, aus der Sache oder dem Recht Befriedigung zu erlangen, hinausgehen. Dafür reicht es aber nicht aus, dass sich z. B. eine Bank zur Sicherung ihrer Kredite hat Forderungen abtreten lassen und dass sie tatsächlich in der Lage ist, auf die Geschäftsführung des Kreditnehmers Einfluss zu nehmen, wenn sie im Außenverhältnis nicht wirksam für ihn handeln kann (BFH v. 16.03.1995, VII R 38/94, BStBl II 1995, 859; denkbar ist in einem solchen Fall allerdings eine Haftung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO). Ein Sachwalter kann nach Maßgabe des § 275 InsO die Eigenschaft eines Verfügungsberechtigten haben. Ein Treuhänder ist in der Phase der Restschuldbefreiung nach § 292 InsO insoweit Verfügungsberechtigter, als er vereinnahmte Beträge für Zahlungen an Insolvenzgläubiger einzusetzen hat.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ist der Geschäftsführer einer Organmuttergesellschaft nach der Geschäftsverteilung der Unternehmensgruppe faktischer Geschäftsführer anderer Gesellschaften im Konzernverbund und übt er diese Befugnis tatsächlich aus, so ist er Verfügungsberechtigter i. S. der Vorschrift (BFH v. 21.02.1989, VII R 165/85, BStBl II 1989, 491). Verfügungsberechtigter ist auch der beherrschende Gesellschafter, wenn er der wirkliche Oberleiter des Unternehmens ist (BFH v. 16.01.1989, I R 7/77, BStBl II 1989, 526), bzw. der Alleingesellschafter einer GmbH nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers (BFH v. 27.11.1990, VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Verfügungsberechtigter ist im Übrigen auch jeder faktische Geschäftsführer z. B. einer GmbH, der sich aus welchen Gründen auch immer eines Strohmannes bedient, der formal wirksam als Geschäftsführer i. S. des § 34 Abs. 1 AO bestellt ist (BFH v. 11.03.2004, VII R 52/02, BStBl II 2004, 579; BFH v. 05.08.2010, V R 13/09, BFH/NV 2011, 81: Umsatzsteuerkarussell). Die faktische Geschäftsführung ist auch bei einem Einzelunternehmen möglich, wenn eine andere Person anstelle des Inhabers handelt (BFH v. 11.12.2007, VII B 172/07, BFH/NV 2008, 748; BGH v. 09.04.2013, 1 StR 586712, NJW 2013, 2449).

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