Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Den Beginn des Zinslaufs regelt § 235 Abs. 2 AO. Grundsätzlich beginnt der Zinslauf mit dem Eintritt der Steuerverkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, d. h. grundsätzlich mit dem Wirksamwerden (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO) der wegen der Hinterziehung zu niedrigen Steuerfestsetzung bzw. überhöhten Festsetzung einer Steuervergütung oder des die Entstehung eines zu hohen Erstattungsanspruchs bewirkenden Tatbestands i. S. des § 37 Abs. 2 AO. Bei sonstigen als Hinterziehung zu wertenden Handlungen, die zu Steuervorteilen geführt haben, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Begünstigte den Steuervorteil wirksam erlangt hat, z. B. in dem sich eine ihm gewährte Stundung im Wege der Verschiebung der Fälligkeit oder ein ihm gewährter Billigkeitserlass durch Erlöschen des Anspruchs ausgewirkt hat. Da die Festsetzung der Hinterziehungszinsen einen gewissen Ausgleich für die durch die Hinterziehung erlangten Zinsvorteile bilden soll, wird § 235 Abs. 2 Satz 1 AO zu Recht durch den Zusatz ergänzt, dass der Zinslauf dann erst später beginnt, wenn die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. Damit wird z. B. berücksichtigt, dass bei vielen Steuern die Fälligkeit aufgrund ausdrücklicher Bestimmung im Einzelsteuergesetz erst einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids eintritt (s. z. B. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Bei Steuern mit einem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt, wie z. B. der Lohnsteueranmeldung, Umsatzsteuervoranmeldung, Vorauszahlungen, tritt die Verkürzung im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit ein und zwar auch dann, wenn keine Steueranmeldung abgegeben wurde. Zur Fälligkeit s. im Übrigen § 220 AO und die dortigen Erläuterungen.

Im Fall der Nichtabgabe der Steuererklärung beginnt der Zinslauf bei Erlass eines Schätzungsbescheides mit dessen Wirksamwerden bzw. mit der Fälligkeit der festgesetzten Steuer. Unterbleibt eine Steuerfestsetzung, so ist die Steuer ab dem Zeitpunkt verkürzt, in dem die Veranlagungsarbeiten für das betreffende Kalenderjahr im Wesentlichen abgeschlossen waren (s. AEAO zu § 235 AO, Nr. 4.1.3).

Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es – anders als bei anderen Veranlagungssteuern – kein kontinuierliches abschnittsbezogenes Veranlagungsverfahren, sodass kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann. Deshalb ist für den Beginn des Zinslaufs darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt die Veranlagung dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige frühestens bekanntgegeben worden wäre. Dabei soll auf die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des FA abgestellt werden, sodass sich je nach Zuständigkeit unterschiedliche Zeitpunkte des Beginns des Zinslaufs ergeben können (FG Münster v. 24.11.2016, 3 K 1627/15 Erb, EFG 2017, 628, Rev. II R 7/17).

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