Vergessene AfA in der ESt-Erklärung als offenbare Unrichtigkeit

Eine Berichtigung nach § 129 AO ist auch dann möglich, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt.

Die Unrichtigkeit muss sich dann ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben.

Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit

Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind berichtigen. Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist.

Das Tatbestandsmerkmal "ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" setzt voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen "mechanischen" Fehler handelt, der ebenso mechanisch also ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden kann.

Eine offenbare Unrichtigkeit kann zwar auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare, d.h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt. Ist jedoch die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Auch eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter - gegebenenfalls unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht - jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen.

BFH-Rechtsprechung zu übersehener Kontrollmitteilung

Jedoch hat der BFH entschieden, dass ein die Anwendung des § 129 AO ausschließender Fehler bei der Sachverhaltsaufklärung nicht vorliegt, wenn der Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen hat, die für die Veranlagung vorliegenden Unterlagen auszuwerten, indem er eine einschlägige ihm zugegangene Kontrollmitteilung übersieht (BFH Urteil vom 27.05.2009 - X R 47/08).

In diesem Fall hat die fehlende Nichtberücksichtigung von Aufwendungen ihren Grund in einer bloßen Unachtsamkeit des zuständigen Sachbearbeiters bei der Erstellung des Einkommensteuerbescheides und beruht nicht auf einer unzureichenden Sachaufklärung, so dass Anhaltspunkte für einen möglichen Rechtsirrtum seitens des Sachbearbeiters nicht erkennbar sind.

Früher: AfA-Tabellen bei aktengeführter Veranlagung

Daraus ergibt sich, dass früher, im Rahmen der aktengeführten Veranlagung, bei der die AfA-Tabellen den Akten vorgeheftet und somit bei jeder Neuveranlagung präsent waren, bei Nichtberücksichtigung der Abschreibung ein Versehen und kein Ermittlungsfehler vorlag, da die Unterlagen präsent waren, so dass in diesem Fall eine Berichtigung nach § 129 AO zulässig war.

Festsetzungsnahe Daten

Als für die Veranlagung eines Jahres vorliegende Unterlagen gelten auch die heute in der Regel vorhandenen festsetzungsnahen Daten, die vom Computer automatisch hinzugezogen werden. Wie die den Akten vorgehefteten AfA-Tabellen, werden die Abschreibungsdaten zu einem Grundstück zu der jeweiligen Steuernummer als festsetzungsnahe Daten gespeichert und können im Rahmen der Veranlagung hinzugezogen werden.

Sofern Abschreibungsinformationen als festsetzungsnahe Daten hinterlegt wurden, werden im Rahmen der Veranlagung bei der maschinellen Verarbeitung diese Daten mit den eingegebenen Veranlagungsdaten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung abgeglichen. Ist der Datenabgleich nicht plausibel, weil der geltend gemachte AfA-Betrag nicht mit dem AfA Betrag in den festsetzungsnahen Daten übereinstimmt, fertigt der Computer einen Prüfhinweis, der den Bearbeiter zur Überprüfung auffordert und ihm aufgibt, die festsetzungsnahen Daten ggf. zu aktualisieren.

Durch den automatischen maschinellen Abgleich sind die festsetzungsnahen Daten somit im Rahmen der Veranlagung präsent. Sie gelten als automatisch hinzugezogen, unabhängig davon, ob der jeweilige Bearbeiter dem Prüfhinweis Folge leistet oder insoweit seine Pflicht verletzt und eine Nachsicht in den festsetzungsnahen Daten unterlässt. Die festsetzungsnahen Daten erfüllen somit die Funktion einer bei der Veranlagung vorliegenden Kontrollmitteilung.

Zwei Entscheidungen des FG Hessen

Daher ist das Hessische FG aktuell zu dem Ergebnis gekommen, dass im Rahmen einer Zusammenveranlagung der Steuerbescheid nach § 129 AO geändert werden kann, wenn die Steuerpflichtigen es versehentlich vergessen haben, die AfA-Beträge auf der Anlage V anzugeben und das Finanzamt den Prüfhinweis aufgrund der Abweichung in den gespeicherten festsetzungsnahen Daten nicht ausgewertet hat  (Hessisches FG Urteil vom 10.09.2019 - 4 K 1318/18, rechtskräftig).

Eine Änderung sei dagegen nicht zulässig, wenn im Rahmen von durchgeführten Einzelveranlagungen der Eheleute, die jeweils unter neuen Steuernummern erfolgten, die festsetzungsnahen Daten zu dem Grundstück, die im Rahmen der gemeinsamen Steuernummer hinterlegt waren, maschinell nicht der Steuernummer des Betroffenen zugeordnet worden sind (Hessisches FG Urteil vom 10.09.2019 - 4 K 1018/19). Dies ergäbe sich aus dem Prüfhinweis, der zur vollständigen Prüfung der Angaben zu dem Grundstück und zum Anlegen der festsetzungsnahen Daten auffordert. Mangels vorhandener festsetzungsnaher Daten zu der Steuernummer konnte daher maschinell kein automatischer Datenabgleich mit den Abschreibungsdaten für das Grundstück bei Durchführung der Veranlagung erfolgen. 

Revisionsverfahren anhängig

Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt (Az beim BFH IX R 30/19).