Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehraktige Berufsausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der im Anschluss an eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten erfolgte Besuch einer Fachschule für Wirtschaft neben einer Vollzeitbeschäftigung im Ausbildungsberuf ist nicht der zweite Teil einer mehraktigen Berufsausbildung.

 

Normenkette

EStG §§ 63, 32 Abs. 4, § 62

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.04.2018; Aktenzeichen III R 18/17)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für seine Tochter im Streitzeitraum (ab Juli 2013 bis September 2015) noch Kindergeld zusteht, obwohl die Tochter bereits eine Berufsausbildung zur Steuerfachangestellten absolviert hat (Vorliegen einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung oder einer „schädlichen” Zweitausbildung).

Der Kläger ist Vater der am 04.09.1990 geborenen Tochter A, für die er bis einschließlich Juni 2013 Kindergeld erhielt. A absolvierte nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, die sie mit dem Bestehen der mündlichen Prüfung am 21.06.2013 abschloss. Direkt im Anschluss daran wechselte sie in eine Vollzeitbeschäftigung in ihrem Ausbildungsbetrieb. Am 19.09.2013 meldete die Tochter sich bei den Kaufmännischen Schulen B für die dort angesiedelte Fachschule für Wirtschaft der Fachrichtung Betriebswirtschaft (Schwerpunkt Steuern) in Teilzeitform an. Sie bekam eine Zusage für das Schuljahr 2014/2015. Zum 01.04.2014 wechselte die Tochter in eine andere Steuerberatungskanzlei und arbeitete dort zunächst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, die ab September 2014 auf 36 Stunden reduziert wurde. Am 20.08.2014 nahm sie ihre Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft auf.

Mit Antrag vom 18.04.2016 beantragte der Kläger Kindergeld für seine Tochter A, weil diese sich weiterhin in ihrer Ausbildung zur Steuerfachwirtin befinde. Zur Begründung bezog er sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.04.2015 (V R 27/14, juris), in dem der BFH eine mehraktige Ausbildungsmaßnahme als Teil einer einheitlichen Erstausbildung eingestuft hatte.

Der Ausbildungsgang zum angestrebten Berufsziel „Steuerfachwirt/in” stellt sich wie folgt dar:

Nach einem 3 ½-jährigen Besuch der Fachschule für Wirtschaft – Rechnungswesen und Steuern kann der Abschluss „Staatl. Geprüfte/r Betriebswirt/in” erworben werden. Voraussetzung für die Teilnahme an der Abschlussprüfung sind die Fachoberschulreife, eine abgeschlossenen Berufsausbildung in einem einschlägigen Ausbildungsberuf einschließlich des Berufsschulabschlusses und eine praktische Berufstätigkeit im Ausbildungsberuf von mindestens einem Jahr. Dieses berufspraktische Jahr kann während der Fachschulausbildung abgeleistet werden. Nach Abschluss der Ausbildung zum/r „Staatl. Geprüfte/r Betriebswirt/in” ist die Teilnahme an externen Kammerprüfungen z.B. zum/r Bilanzbuchhalter/in oder zum/r Steuerfachwirt/in möglich.

Nach § 9 der Prüfungsordnung der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen zum/r Steuerfachwirt/in kann zur Prüfung zugelassen werden, wer mit Erfolg die Abschlussprüfung als „Steuerfachangestellter/Steuerfachangestellte” abgelegt hat und eine hauptberufliche praktische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens von mindestens drei Jahren bei einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Rechtsanwalt, einer Steuerberatungsgesellschaft, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Buchprüfungsgesellschaft oder Landwirtschaftlichen Buchstelle nachweisen kann.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.04.2016 die Kindergeldgewährung mit der Begründung ab, die Tochter habe ihre erste Berufsausbildung (Steuerfachangestellte) abgeschlossen und befinde sich aktuell in einer weiteren (zweiten) Berufsausbildung. Ihre daneben ausgeübte Berufstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden stehe einem Kindergeldanspruch gem. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG entgegen.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.07.2016 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat am 29.07.2016 die vorliegende Klage erhobenen.

Er beansprucht weiterhin Kindergeld für seine Tochter A für den Zeitraum von Juli 2013 bis September 2015. Er vertritt die Auffassung, bei der Ausbildung der Tochter zur Steuerfachangestellten und der Weiterbildung zur Steuerfachwirt/in handele es sich um eine einheitliche Ausbildung. Es läge eine sog. mehraktige Ausbildung im Sinne des BFH-Urteils vom 15.04.2015 (V R 27/14, juris) vor. Aus diesem Grund sei auch die von der Tochter mit über 20 Wochenstunden ausgeübte Erwerbstätigkeit für die Gewährung von Kindergeld im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) unschädlich. Die Tochter habe ihr angestrebtes Berufsziel, den Abschluss zur Steuerfachwirtin, noch nicht durch Ablegen der Prüfung zur Steuerfachangestellten erreicht. Die weiterführende Ausbildung zur „Staatlich geprüfte/n Betriebswirt/in” und „Steuerfachwirtin” stünde in einem engen sachlichen und ze...

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