Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanpruch für Kinder, die sich zum Zwecke des Schulbesuchs im Ausland aufhalten

 

Leitsatz (redaktionell)

Kinder eines in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen, die zum Zwecke des Schulbesuchs in die Türkei zurückkehren, dort im Haus der Großeltern leben und vor ihrer Rückkehr in die Türkei nur rund ein Jahr in Deutschland gelebt haben, haben auch dann keinen inländischen Wohnsitz, wenn sie die Ferien regelmäßig bei den Eltern in Deutschland verbringen. Ein Kindergeldanspruch nach dem EStG besteht für diese Kinder nicht.

 

Normenkette

AO § 8; EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für die Kinder des Klägers Z und L ab Oktober 2000 bzw. August 2001 ein Kindergeldanspruch nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) besteht.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in D. Die beiden Töchter Z, geboren am 19. März 1984, und L, geboren am 13. Oktober 1985, besuchten die Grund- und Hauptschule in der Türkei, wo sie im Haus ihrer Großeltern lebten. Nach Abschluss der Schule zogen sie nach Deutschland in die Wohnung des Klägers, Z am 19. September 1999, L am 17. Juni 2000. Ab September 2000 besuchte Z das Gymnasium in der Türkei. L besuchte ab September 2001 das Gymnasium in der Türkei und reiste zu diesem Zweck Ende Juli 2001 aus Deutschland aus. Die Schulzeit am Gymnasium dauert jeweils drei Jahre. Auf die Schulbescheinigungen vom 31. August 2000 und vom 13. Juni 2001 wird Bezug genommen. Die Kinder wohnen während des Schulbesuchs in der Türkei im Haus der Großeltern, die für die Mädchen kochen und sie mit Wäsche versorgen. Die Räume, in denen die Kinder wohnen, sind von denen der Großeltern getrennt und befinden sich in einer eigenen Wohnung des Klägers im selben Haus, in dem auch die Großeltern leben. Die Schulferien verbringen die Kinder beim Kläger in Deutschland, und zwar im Februar für die Dauer von zwei bis drei Wochen und im Sommer von Mitte Juni bis Mitte August. Sie leben bei ihrem Aufenthalt in Deutschland in ihren Kinderzimmern in der 88 qm großen Wohnung des Klägers. Z hat im Mai 2003 die Schulausbildung in der Türkei beendet und lebt nunmehr wieder dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland.

Mit Bescheid vom 2. August 2000 setzte das beklagte Arbeitsamt – Familienkasse – Kindergeld für Z und L fest. Die Kindergeldsätze nach § 66 EStG für in Deutschland lebende Kinder (§ 63 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG) kamen für Z ab September 1999 und für L ab Juni 2000 zur Anwendung. Mit Bescheid vom 26. März 2002 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für beide Kinder ab Oktober 2000 bzw. August 2001 nach § 70 Abs. 2 EStG auf. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass die Kinder ihren Wohnsitz seit Oktober 2000 bzw. August 2001 in der Türkei hätten. Kindergeld werde deshalb nur nach dem deutsch-türkischen Abkommen gezahlt und für Z ab Oktober 2000 auf 5,11 EUR, für L ab August 2001 auf 12,78 EUR festgesetzt. Das bei Zugrundelegung dieser Kindergeldsätze ab Oktober 2000 zuviel gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.905,36 EUR forderte der Beklagte nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurück.

Der dagegen eingelegte Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, die Kinder hätten während ihres Schulbesuchs in der Türkei ihren inländischen Wohnsitz nicht aufgegeben, blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 22. August 2002).

Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, seine Kinder hätten auch während ihres Schulbesuchs in der Türkei ihren Wohnsitz in Deutschland, weil der Schulbesuch von vornherein auf drei Jahre beschränkt sei und die Absicht bestehe, dass sich die Kinder nach Beendigung der Schule wieder dauerhaft in Deutschland aufhalten. Das Weiterbestehen des inländischen Wohnsitzes ergebe sich daraus, dass sich die Kinder während der Schulferien stets in Deutschland aufhielten und in der Wohnung des Klägers jeweils ein Zimmer für sie bereitgehalten werde, in dem sich die Ausstattung und die Bekleidung der Töchter befinde. Auch sei seitens des Landratsamtes D schriftlich bestätigt worden, dass die Aufenthaltserlaubnis in Deutschland für die Töchter durch den Schulbesuch in der Türkei nicht erlösche. Der Umstand, dass die Töchter im Haus der Großeltern lebten, sei für die Frage des inländischen Wohnsitzes unschädlich, da die Kinder mittlerweile 17 und 18 Jahre alt seien und nicht mehr der intensiven Betreuung durch Familienangehörige bedürften.

Der Kläger beantragt,

den Kindergeldbescheid vom 26. März 2002 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. August 2002 aufzuheben und Kindergeld nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes für Z ab Oktober 2000 und für L ab August 2001 weiter zu gewähren.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen. Gegen einen inländischen Wohnsitz während des Schulbesuchs in der Türkei spreche u.a., dass die Töchter jeweils nur ca. ein Jahr in Deutschland gelebt hätten und in der Türkei bei den Großeltern untergebracht seien. Bei dieser Fallkonstellation hätten die Ferienaufenthalte beim Kläger nur Be...

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