OECD-Musterabkommen Automatischer Informationsaustausch

Artikel 26 des OECD-Musterabkommens sieht vor, dass die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zum Austausch von Informationen verpflichtet sind, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Verwaltung oder Anwendung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, voraussichtlich erheblich sind.

Zuständige Behörde ist im Falle der Bundesrepublik Deutschland das Bundesministerium für Finanzen (BMF), das diese Aufgabe auf das Bundeszentralamt für Steuern delegiert hat. Die Formulierung "voraussichtlich erheblich" stellt gleichzeitig klar, dass Artikel 26 keine rechtliche Basis ist für sogenannte “fishing expeditions" oder "Anfragen ins Blaue hinein". Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit sogenannter Gruppenanfragen wesentlich. Deren Zulässigkeit erfordert u.a., dass der um Auskunft ersuchende Staat eine detaillierte Beschreibung der Gruppe vorlegt.

Die Zulässigkeit einer Anfrage ist mit dem Erfordernis verbunden, dass der ersuchende Vertragsstaat sich die erbetene Information nicht durch eigene Erhebungen in seinem Hoheitsgebiet beschaffen kann. Der um die Information ersuchte Staat kann die Information auch erteilen, wenn er durch das Abkommen nicht dazu verpflichtet ist. Allerdings hat er auch in diesem Zusammenhang sein jeweiliges nationales Recht zu beachten. Artikel 26 Absatz 1 verpflichtet die zuständigen Behörden der Vertragsparteien auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit; nicht damit gemeint ist eine Leistung "Zug um Zug". Vielmehr muss die Erteilung einer Auskunft bei vergleichbaren Sachverhalten grundsätzlich in beiden Vertragsstaaten möglich sein.

Der Informationsaustausch gemäß Artikel 26 des OECD-Musterabkommens ist nicht begrenzt auf Informationen bezogen auf den Steuerpflichtigen. Der Begriff Informationen im Sinne von Artikel 26 ist vielmehr weit gefasst. Dementsprechend kann es sich hierbei sowohl um rechtliche Verhältnisse als auch um wirtschaftlich relevante Kriterien oder z. B. neuere Instrumente im Bereich der Risikoanalyse handeln.

Artikel 26 enthält keine Vorgabe über die konkrete Form, in der die Informationen ausgetauscht werden sollen. Dementsprechend ist auch der automatische Informationsaustausch möglich. Zwischenzeitlich wurde auf OECD-Ebene ein umfangreicher Rahmen für die Durchführung des automatischen Informationsaustausches geschaffen. Hierzu gehörten ursprünglich Vorgaben für Formblätter. Inzwischen existieren zahlreiche EDV-technische Vorgaben, die den elektronischen Datenaustausch ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist der von vielen Staaten erteilten Identifikationsnummer (z.B. Steuernummer) eine besondere Rolle beizumessen; da deren konsequente Verwendung eine zügige Zuordnung erteilter automatischer Informationen im Einzelfall ermöglicht.

Die ursprüngliche Begrenzung des Artikels 26 auf den Austausch von Informationen, die für die Anwendung des Abkommens selbst erforderlich waren (kleine Auskunftsklausel), wurde ersetzt durch einen umfassenden Ansatz, der alle steuerlich relevanten Fakten zur Durchführung des jeweiligen nationalen Steuerrechts erfasst.

Artikel 26 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens bestimmt, dass alle Informationen, die ein Vertragsstaat nach Artikel 26 Absatz 1 erhalten hat, ebenso geheim zu halten sind wie die aufgrund des innerstaatlichen Rechts dieses Staates beschafften Informationen. Ferner dürfen diese nur den Personen oder Behörden (einschließlich der Gerichte und Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung oder Erhebung, der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der in Absatz 1 genannten Steuern oder mit der Aufsicht über diese Personen oder Behörden befasst sind. Diese Personen dürfen die Informationen nur für diese Zwecke verwenden. Sie dürfen die Informationen in einem öffentlichen Gerichtsverfahren oder in einer Gerichtsentscheidung offen legen. Artikel 26 Absatz 2 liefert damit die Grundlage für eine eigenständige völkerrechtliche Vorschrift zur Geheimhaltung und zum Schutz der erteilten Informationen. Die Regelung grenzt die Verwendung der erhaltenen Informationen ein. So dürfen diese nur den vorgenannten Personen zugänglich gemacht werden. Zusätzlich dürfen sie nur für die oben genannten Zwecke verwendet werden. Eine vertragliche Verpflichtung zur Erteilung von Informationen an den anfragenden Staat besteht nicht, wenn die Übermittlung der Informationen gegen den ordre public des die Informationen übermittelnden Staates verstoßen würde.

Artikel 26 Absatz 3 des OECD-Musterabkommens bestimmt, dass die Absätze 1 und 2 nicht so auszulegen sind, als verpflichteten sie einen Vertragsstaat,

  1. Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, die von den Gesetzen und der Verwaltungspraxis dieses oder des anderen Vertragsstaates abweichen;
  2. Informationen zu erteilen, die nach den Gesetzen oder im üblichen Verwaltungsverfahren dieses oder des anderen Vertragsstaats nicht beschafft werden können;
  3. Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheiminis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würden oder deren Erteilung dem ordre public widerspräche.

Liegt eine der vorgenannten Voraussetzungen vor, so besteht keine Auskunftspflicht und in der Folge auch keine Ermittlungspflicht.

Artikel 26 Absatz 4 des OECD-Musterabkommens bestimmt, dass der um Informationen ersuchte Vertragsstaat zur Beschaffung der Informationen seine innerstaatlichen Ermittlungsbefugnisse anzuwenden hat. Dies gilt auch dann, wenn er die Informationen nicht für seine eigenen Steuerzwecke benötigt. Diese Verpflichtung unterliegt allerdings den Beschränkungen des oben erwähnten Absatzes 3. Im Übrigen kann der um die Erteilung der Informationen ersuchte Vertragsstaat die Erteilung nicht mit dem Argument ablehnen, er selbst habe kein eigenes Interesse an diesen Informationen. Die Vorschrift stellt klar, dass der ersuchte Vertragsstaat sich nicht auf die Übermittlung bereits bei ihm vorhandener Informationen beschränken kann. Mithin hat der um die Informationen ersuchende Staat einen Anspruch auf die Ermittlung der von ihm erfragten Daten.

Die Bundesrepublik Deutschland wendet unter Berücksichtigung der von ihr vereinbarten Auskunftsklauseln § 117 Absatz 4 der Abgabenordnung (AO) an. D. h. bei der Durchführung der Rechts- und Amtshilfe, zu denen der steuerliche Informationsaustausch gehört, richten sich die Befugnisse der Finanzbehörden sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten und anderer Personen nach den für Steuern im Sinne von § 1 Absatz 1 der AO geltenden Vorschriften. Der Finanzbehörde steht somit im Rahmen ihrer Ermittlung die Möglichkeit zu, Auskünfte nach § 93 der AO einzuholen oder z. B. Gegenstände und Vorgänge in Augenschein zu nehmen oder die Vorlage von Unterlagen einzufordern. Bei all diesen Schritten sind die verfahrensrechtlichen Vorschriften einschließlich der Rechte des Steuerpflichtigen zu beachten.

Artikel 26 Absatz 5 des OECD-Musterabkommens schränkt die Wirkung von Absatz 3 ein. Nach Absatz 3 Buchstabe b darf der um die Information ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn die erbetene Information nach seinen Gesetzen oder im üblichen Verwaltungsverfahren nicht beschafft werden kann. Derartige innerstaatliche Ermittlungsbeschränkungen könnten z. B. im Zusammenwirken mit einem absoluten Bankgeheimnis dazu führen, dass einzelne Informationen nicht erteilt werden können. Dies eröffnete bestimmten Steuerpflichtigen im Rahmen geschickter Gestaltung die Möglichkeit der Umgehung einer Einmalbesteuerung in ihrem Ansässigkeitsstaat. Sie tragen damit dazu bei, dass die Integrität des jeweiligen Steuerrechts Schaden nimmt. Absatz 5 regelt deshalb, dass eine Versagung der Informationserteilung mit Hinweis darauf, dass sich die erbetenen Informationen z. B. bei einer Bank befinden, nicht möglich ist.