Umsetzung des MwSt-Digitalpakets zum 1. Januar 2019

Zum 1.1.2019 wird in Deutschland der erste Teil des sog. Digitalpakets umgesetzt. Dazu gehört eine Bagatellregelung bei der Festlegung des Leistungsorts, eine Vereinfachung bei der Identifizierung des Leistungsempfängers sowie eine Neuregelung bei den Rechnungsausstellungspflichten. Das BMF hat jetzt den UStAE an die neuen Regelungen angepasst.

TRFE-Leistungen

Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen (sog. "TRFE-Leistungen"), sind seit dem 1.1.2015 immer dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmer, der die Leistung für Zwecke seines Unternehmens bezieht, ergibt sich dies (schon seit 2010) aus § 3a Abs. 2 UStG. Ist der Leistungsempfänger kein Unternehmer oder fällt aus anderen Gründen nicht unter die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG, bestimmt sich der Ort über die Sondervorschrift des § 3a Abs. 5 UStG ebenfalls nach der Ansässigkeit des Leistungsempfängers.

MOSS-Verfahren vermeidet mehrfache Registrierung

Wird die TRFE-Leistung an einen Nichtunternehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt, unterliegt die Leistung den Besteuerungsfolgen des jeweiligen Bestimmungsstaats. Grundsätzlich müsste sich der leistende Unternehmer dann in dem jeweiligen Bestimmungsstaat umsatzsteuerrechtlich erfassen lassen, um seinen Pflichten dort nachzukommen. Zum 1.1.2015 wurde aber für diese Leistungen die Möglichkeit eröffnet, die Leistungen über die nationale "Kleine Einzige Anlaufstelle" (KEA; auch Mini One Stop Shop Shop - MOSS genannt) – in Deutschland das Bundeszentralamt für Steuern – abzuwickeln. In diesem Fall muss sich der leistende Unternehmer nicht individuell in dem anderen Mitgliedstaat erfassen lassen.

Bislang keine Bagatellgrenze

Die Besteuerungsverpflichtung im Bestimmungsstaat ergab sich bisher für den leistenden Unternehmer ohne jede Bagatellgrenze. Dies führte in der Konsequenz dazu, dass der leistende Unternehmer bei diesen TRFE-Leistungen in jedem Fall die Herkunft des Leistungsempfängers identifizieren musste. Dies geschah regelmäßig durch 2 sich nicht widersprechende sog. Beweismittel (z. B. IBAN, IP-Adresse, Ländercode der SIM-Karte, Ort des Festnetzanschlusses, Rechnungsanschrift des Leistungsempfängers).

Änderungen durch das "JStG 2018"

Im Ergebnis führten diese Regelungen aber nach den Feststellungen der Kommission nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Deshalb wurden Veränderungen bei den unionsrechtlichen Vorschriften m. W. v. 1.1.2019 vorgenommen:

  • Für die Bestimmung des Orts der TRFE-Leistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten wurde eine einheitliche Bagatellgrenze i. H. v. 10.000 EUR aufgenommen. Der Unternehmer kann aber auf die Anwendung der Bagatellregelung verzichten.
  • Bis zu einem Umsatz von 100.000 EUR aus den TRFE-Leistungen an Nichtunternehmer kann die Herkunft des Leistungsempfängers anhand von einem Beweismittel vorgenommen werden. Dieses Beweismittel darf aber nicht – wie z. B. die Rechnungsanschrift des Leistungsempfängers – nur vom Leistungsempfänger stammen.
  • Für die Rechnungsausstellung wurde eine Neuregelung dergestalt geschaffen, dass bei Anwendung des MOSS-Verfahrens der leistende Unternehmer die Rechnung nach den Rechtsvorschriften des Staats auszustellen hat, in dem er diese besondere Besteuerungsform durchführt.
  • Nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer können das besondere Besteuerungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer in Anspruch nehmen, selbst wenn sie wegen gelegentlich in diesen Mitgliedstaaten ausgeführter Leistungen dort umsatzsteuerrechtlich registriert sind.

Die unionsrechtlichen Regelungen sind in Deutschland fristgerecht durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BGBl 2018 I S. 2338) umgesetzt worden.

BMF-Schreiben vom 14.12.2018

Die Finanzverwaltung übernimmt die unionsrechtlichen Vorgaben gemäß der Gesetzesänderung in den UStAE, ohne viele darüber hinausgehende Erläuterungen aufzunehmen.

Neue Bagatellgrenze

Im Mittelpunkt steht die neue Bagatellgrenze von 10.000 EUR (§ 3a Abs. 5 Satz 3 UStG) für die Bestimmung des Orts der TRFE-Leistungen. Werden diese Leistungen durch einen Unternehmer erbracht, der in nur einem Mitgliedstaat ansässig ist, bestimmt sich ab dem 1.1.2019 der Leistungsort insoweit nach § 3a Abs. 1 UStG (Sitz bzw. Betriebsstätte des leistenden Unternehmers), wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der TRFE-Leistungen an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Nichtunternehmer insgesamt 10.000 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet.

Grenze muss überwacht werden

Sobald der Gesamtbetrag der Entgelte (netto) an die nichtunternehmerischen Leistungsempfänger in anderen Mitgliedstaaten im laufenden Kalenderjahr über die Grenze von 10.000 EUR kommt, verlagert sich der Leistungsort in den Mitgliedstaat, in dem der Leistungsempfänger ansässig ist. Dies gilt bereits für den Umsatz, der zur Überschreitung des Gesamtbetrags führt. Der leistende Unternehmer muss deshalb die Umsätze separat erfassen und unterjährig zeitnah die Bagatellgrenze überwachen.

Verzicht auf Bagatellregelung

Der leistende Unternehmer kann auf die Anwendung der Bagatellregelung verzichten; er besteuert dann seine TRFE-Leistungen – unabhängig von der Höhe der Umsätze – in dem jeweiligen Mitgliedstaat (im Regelfall über die MOSS-Regelung). Der Verzicht kann bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung  bzw. solange ein Vorbehalt der Nachprüfung  erklärt werden. Die Erklärung gilt vom Beginn des Kalenderjahres an, für das der Unternehmer sie abgegeben hat. Die Erklärung ist an keine besondere Form gebunden.

Konkludenter Verzicht möglich

Der Verzicht auf die Anwendung der Bagatellregelung bindet den Unternehmer für mindestens 2 Kalenderjahre. Besonders zu beachten ist, dass nach der Finanzverwaltung der Verzicht auch dadurch erklärt werden kann, dass die Umsätze – trotz Nicht-Überschreitens der Bagatellgrenze – weiterhin in den anderen Mitgliedstaaten (unabhängig davon, ob durch direkte Veranlagung oder im MOSS-Verfahren) besteuert werden.

Nach Ablauf der 2-Jahres-Frist kann der Unternehmer die Erklärung mit Wirkung zu einem von ihm festgelegten Zeitpunkt widerrufen. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, bzw. solange ein Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO besteht, zu erklären.

Erleichterte Nachweispflichten

Die neue Vereinfachungsregelung zur Identifizierung des Leistungsempfängers ist nicht gesetzlich geregelt, da es sich um eine Ergänzung des Art. 24b MwStSystRL-DVO handelt – die Änderung wird von der Finanzverwaltung in Abschn. 3a.9a Abs. 5 UStAE umgesetzt. Bis zu einem Umsatz (netto, an alle Nichtunternehmer) von 100.000 EUR kann die Herkunft des Leistungsempfängers nur anhand eines Beweismittels nach Abschn. 3a.9a Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 - 5 UStAE nachgewiesen werden. Es muss sich dabei aber um ein Beweismittel handeln, das von einer an der Erbringung der sonstigen Leistungen beteiligten Person erbracht wurde, bei der es sich weder um den leistenden Unternehmer noch um den Leistungsempfänger handelt – insbesondere darf es sich dabei nicht um die Rechnungsanschrift des Leistungsempfängers handeln.

Bei Überschreiten der 100.000 EUR-Grenze wieder 2 Nachweise

Sobald die Bagatellgrenze in einem Kalenderjahr überschritten wird, muss der Nachweis wieder durch mindestens 2 sich nicht widersprechende Beweismittel geführt werden, bis die Bedingungen wieder erfüllt sind.

Rechnungstellung nach deutschem Recht

In Abschn. 14.1 Abs. 6 Satz 5 - 6 UStAE werden die neuen Vorschriften zur Rechnungserteilung (§ 14 Abs. 7 Satz 3 UStG) in diesen Fällen umgesetzt. Für deutsche Unternehmer, die sich für die Besteuerung der TRFE-Leistungen für die MOSS-Regelung beim BZSt registriert haben, gelten ab dem 1.1.2019 die Rechnungsausstellungspflichten nach den deutschen Regelungen gem. § 14 Abs. 1 - 6 UStG.

Konsequenzen für die Praxis

Nachdem die unionsrechtlichen Regelungen auch national verabschiedet sind, hat die Finanzverwaltung zeitnah diese Vorgaben umgesetzt. Wesentliche neue Erkenntnisse, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, ergeben sich dabei nicht. Interessant und von den Unternehmern insbesondere für das erste Quartal 2019 zu beachten ist, dass der Verzicht auf die neue Bagatellregelung dadurch erklärt wird, dass die Besteuerung auch bei Unterschreiten der Bagatellgrenze von 10.000 EUR weiterhin nach den Regelungen des Bestimmungsstaats durchgeführt wird.

Achtung: Unterschiede bei Ermittlung der Umsatzgrenzen!

Zu beachten ist auch die unterschiedliche Ermittlung der beiden neuen Umsatzgrenzen: Bei der Bagatellregelung von 10.000 EUR zur Bestimmung des Orts der TRFE-Leistung werden alle Umsätze an Nichtunternehmer in den anderen Mitgliedstaaten einbezogen. Bei der neuen Umsatzgrenze zum Nachweis der Herkunft des Leistungsempfängers i. H. v. 100.000 EUR müssen alle Umsätze an Nichtunternehmer (andere Mitgliedstaaten und Drittlandsgebiet) erfasst werden.

Auswirkungen auf Drittlandsgeschäfte: Doppelbesteuerung droht!

Hat der Unternehmer mit seinen Leistungen gegenüber Nichtunternehmern in anderen Mitgliedstaaten die Bagatellgrenze von 10.000 EUR nicht überschritten und besteuert er die TRFE-Leistungen damit nach § 3a Abs. 1 UStG an seinem Unternehmenssitz, gilt diese Rechtsfolge nach Auffassung der Finanzverwaltung wohl auch für die Leistungen gegenüber Nichtunternehmern im Drittlandsgebiet (vgl. Abschn. 3a.10 Abs. 7 Beispiel UStAE). Ob dies dem Regelungszweck der unionsrechtlichen Änderung entspricht, kann bezweifelt werden, da hier Fälle der Doppelbesteuerung ausgelöst werden können.

Anwendungsregelung

Die neuen Grundsätze sind für alle Umsätze nach dem 31.12.2018 anzuwenden.

BMF, Schreiben v. 14.12.2018, III C 3 - S 7117-j/18/10002

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, E-Commerce, Leistungsort