Tauschähnliche Umsätze bei der Abfallentsorgung

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 20.9.2012 zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen bei tauschähnlichen Umsätzen in der Abfallwirtschaft Stellung genommen. Das Schreiben ersetzt den bisherigen Erlass vom 1.12.2008.

Bei der Abfallentsorgung kann es zu einem tauschähnlichen Umsatz kommen, wenn der Entsorgungsunternehmer werthaltigen Abfall zu entsorgen hat. Die Finanzverwaltung hatte schon mit Schreiben vom 1.12.2008 zu den Rechtsfolgen bei tauschähnlichen Umsätzen in der Abfallwirtschaft Stellung genommen. Dieses BMF-Schreiben hatte aber diverse Fragen aufgeworfen und zu Verunsicherung in der Abfallwirtschaft geführt. Insbesondere ergab sich aus der Altfassung des BMF-Schreibens, dass auch die regelmäßige Entleerung von Abfalltonnen zu einem tauschähnlichen Umsatz führen konnte, wenn die Tonnen werthaltigen Abfall enthielten (z. B. bei der regelmäßigen Entleerung von Altpapiertonnen).

Die Finanzverwaltung hat jetzt das Schreiben aus dem Dezember 2008 vollständig überarbeitet. Dabei wurden insbesondere die Voraussetzungen präzisiert, in welchen Fällen von einer Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung ausgegangen werden muss. Darüber hinaus wurden die Bagatellgrenzen nach oben angepasst und die Ausnahmeregelungen ergänzt.

Fällt bei einem Unternehmer Abfall an, muss er diesen nach dem Krw-/AbfG (Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen; i. d. F. v. 24.2.2012, BGBl 2012 I S. 212) ordnungsgemäß entsorgen oder verwerten lassen. Ggf. bestehen nach anderen spezialgesetzlichen Vorschriften weitere Verpflichtungen, für eine ordnungsgemäße Entsorgung Sorge zu tragen. Im Regelfall wird der Unternehmer die fachgerechte Entsorgung nicht selber ausführen, sondern sich eines darauf spezialisierten Unternehmers bedienen.

Hinweis: Als Abfall gelten nach § 3 Abs. 1 Krw-/AbfG alle beweglichen Sachen, deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

Grundsätzlich ist die Entsorgung von Abfall durch einen Unternehmer eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, wenn der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zuzumessen ist. Dabei kann sich die Leistung im Rahmen eines Umsatzes oder im Rahmen von zwei Umsätzen (tauschähnlicher Umsatz) vollziehen. Letzteres ist dann gegeben, wenn der Abfall werthaltig ist und dies auch den Leistungsaustausch beeinflusst hat.

Praxis-Tipp: In der überarbeiteten Fassung des BMF-Schreibens hat die Finanzverwaltung den Hinweis aufgegeben, dass insbesondere dann der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wenn über die Entsorgung ein Entsorgungsnachweis ausgestellt wird. Der Ausstellung eines Entsorgungsnachweises kommt somit keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu.

In der überarbeiteten Fassung des BMF-Schreibens vom 20.9.2012 geht die Verwaltung erstmals ausführlich darauf ein, wann der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Danach muss eine Vereinbarung über die Aufarbeitung oder Entsorgung der Abfälle getroffen worden sein – die Verpflichtung zur Einhaltung abfallrechtlicher Normen oder die Ausstellung eines Entsorgungsnachweises sind alleine nicht ausreichend. Insbesondere gilt:

  • Von einer bloßen Abfalllieferung an den Entsorger ist auszugehen, wenn der Entsorger dem Abfallerzeuger eine Vergütung für den Abfallstoff zahlt ohne dass der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
  • Haben die Abfallstoffe einen positiven Marktwert und werden sie unmittelbar im Produktionsprozess z. B. als Roh- oder Brennstoff eingesetzt, steht nicht die Entsorgungsleistung im Vordergrund, selbst wenn die Eigenschaft als Abfallstoff noch nicht verloren wurde.
    Praxis-Tipp: Dies gilt nach dem BMF-Schreiben insbesondere für sortiertes und gepresstes Papier, sortierte Kunststoffe oder sortenrein erfasste oder behandelte Altöle. Dies gilt auch für sortenrein gesammelte Produktionsabfälle.
  • Beim Handel mit den vorgenannten Stoffen liegt ebenfalls keine Entsorgungsleistung vor, unabhängig davon, ob die Gegenstände einer Behandlung (z. B. Zerkleinern) unterzogen worden sind.

Kommt der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu, muss sich die Lieferung des Altstoffs auch auf die Barvergütung für die Abfallentsorgung ausgewirkt haben. Die Finanzverwaltung geht aus Vereinfachungsgründen nur von dieser gegenseitigen Beeinflussung aus, wenn

  • die Beteiligten ausdrücklich entsprechende Vereinbarungen treffen, die einen Wert für die übernommenen Altstoffe aufnehmen oder
  • die wechselseitige Beeinflussung der beiden Leistungen offensichtlich ist.

Wichtig: Während die Verwaltung in ihrem Schreiben vom 1.12.2008 an dieser Stelle noch eine beispielhafte Aufzählung solcher offensichtlichen wechselseitigen Beeinflussungen vorgab, ist dies in der überarbeiteten Fassung vom 20.9.2012 eine abschließende Aufzählung.

Von einer solchen offensichtlichen Beeinflussung ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nur auszugehen, wenn

  • in den Entsorgungsverträgen Preisanpassungsklauseln in Abhängigkeit vom Marktwert der Altstoffe vereinbart werden; dabei kommen Preisanpassungsklauseln, die nur für zukünftige Umsätze Auswirkungen haben, keine Bedeutung zu,
  • die Art- und Güte des Abfalls zu Auf- oder Abschlägen führt,
  • Vereinbarungen über die Verteilung eines Erlöses oder eines Mehrerlöses getroffen werden.

Praxis-Tipp: Aufgegeben hat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass es ausreichend ist, wenn ein allgemein zugänglicher Marktpreis (z. B. EUWID, Börsenpreis) vorliegt und eine Entsorgungsleistung ausdrücklich vereinbart worden ist.

Allerdings liegen nicht in allen Fällen solche tauschähnlichen Umsätze vor. Die Finanzverwaltung hat die Ausnahmefälle deutlich erweitert und nimmt jetzt in folgenden Fällen keinen tauschähnlichen Umsatz an:

  • Die Barvergütung für die Entsorgungsleistung beträgt nicht mehr als 50 EUR und die entsorgte Menge Abfall übersteigt nicht ein Gewicht von 100 kg je Umsatz (Bagatellregelung).
  • (neu aufgenommen) Bei der Entsorgung von Altstoffen im Falle sog. Umleersammeltouren (z. B. Leerung von Altpapiertonnen oder Austausch von Altölsammelbehältern), bei denen die Menge und die Qualität des entsorgten Abfallstoffe im Einzelfall nicht feststellbar ist.
  • (neu aufgenommen) Wenn die Werthaltigkeit der überlassenen Abfälle erst später festgestellt werden kann, ohne dass sich hierdurch Auswirkungen auf die Höhe der schon getätigten Umsätze ergeben; Auswirkungen auf spätere Umsätze sind unschädlich.
  • Nebenerzeugnisse oder Abfälle werden im Rahmen einer Gehaltslieferung nach § 3 Abs. 5 UStG zurückgegeben.
  • Wenn das angekaufte Material ohne weitere Bearbeitung marktfähig ist (z. B. an einer Rohstoffbörse handelbar ist). In diesem Fall liegt kein „Abfall“, sondern ein lieferfähiger Rohstoff vor.
  • (neu aufgenommen) wenn die werthaltigen Bestandteile der Abfälle im Eigentum des Abfallerzeugers verbleiben und eine Barvergütung für die Entsorgungsleistung vereinbart worden ist.

Liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor, dann ergeben sich für die beteiligten Unternehmer die folgenden Rechtsfolgen:

  1. Der Entsorgungsunternehmer muss nicht nur die erhaltene Barvergütung der Besteuerung unterwerfen, er muss darüber hinaus auch den gemeinen Wert der erhaltenen Altstoffe als Gegenleistung für seine Entsorgungsleistung werterhöhend erfassen. Dabei ist auf den Wert der Abfallstoffe zum Zeitpunkt der Übergabe an den Entsorger abzustellen.
  2. Der Abfallerzeuger muss eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung der Besteuerung unterwerfen.

Wichtig: Es bestehen nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Bedenken, wenn der zwischen den Beteiligten vereinbarte Wert der überlassenen Abfälle auch für die umsatzsteuerrechtliche Berechnung zugrunde gelegt wird.

Die Finanzverwaltung hatte 2008 eine längere Übergangsvorschrift aufgenommen. Bei Verträgen, die vor dem 1.7.2009 abgeschlossen wurden, wurde es bis zum 31.12.2010 nicht beanstandet, wenn kein tauschähnlicher Umsatz angenommen wird. Die jetzt erfolgte Überarbeitung gilt für alle noch offenen Fälle, die damalige Übergangsregelung gilt aber weiterhin in den Altfällen.

Konsequenzen für die Praxis

Die Überarbeitung des BMF-Schreibens aus dem Dezember 2008 war überfällig und notwendig. Nach der Altfassung war insbesondere in den Fällen der Entsorgung von Abfallstoffen bei Umlaufsammeltouren nicht ausgeschlossen, dass es zu einem tauschähnlichen Umsatz kommen konnte. Dies hätte aber weder wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprochen, noch war es in der Praxis umsetzbar.

Zu begrüßen ist insbesondere, dass jetzt klargestellt ist, dass die Abfallentsorgung über häusliche Wertstofftonnen nicht zu einem tauschähnlichen Umsatz führen kann. Weiterhin ist deutlich gemacht worden, dass – und in welchen Fällen – der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

Soweit der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt und auch keine Ausnahme (z. B. Bagatellregelung) anzuwenden ist, ergeben sich zwei eigenständige Leistungen, die jeweils individuell nach umsatzsteuerrechtlichen Kriterien zu prüfen sind.

Wichtig: Insbesondere ist zu beachten, dass die Lieferung von Altstoffen unter den Bedingungen des § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (Reverse-Charge-Verfahren) führt.

Wenn der Entsorgungsunternehmer die Lieferung des Abfallerzeugers durch eine Gutschrift abrechnet, muss darauf geachtet werden, dass die Gutschrift alle notwendigen Rechnungsbestandteile enthält. Insbesondere muss der Entsorgungsunternehmer in seine Abrechnung – die dann auch zugleich die Gutschrift für die Lieferung des Altstoffes umfassen kann – unbedingt die Steuernummer oder USt-IdNr. des Abfallerzeugers mit aufnehmen.

BMF, Schreiben v. 20.9.2012, IV D 2 - S 7203/07/10002 :004

Schlagworte zum Thema:  Abfallmanagement, Umsatzsteuer