Miet- und Leasingverträge als Lieferung oder sonstige Leistung

Wird ein Miet- oder Leasingvertrag über einen Gegenstand abgeschlossen, stellt sich die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt.

Bisher war national bei Leasingverträgen davon ausgegangen worden, dass regelmäßig auf ertragsteuerrechtliche Abgrenzungen abgestellt wird – insbesondere auf die Frage, wem ein Wirtschaftsgut ertragsteuerrechtlich zuzuordnen ist. Nach einem Urteil des EuGH vom Oktober 2017 war diese ertragsteuerrechtliche Anknüpfung so nicht mehr haltbar. Die Finanzverwaltung ändert daher die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen im UStAE.

Die rechtliche Problematik

Leasing- oder auch bestimmte Mietverträge können je nach ihrer Ausgestaltung als Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht über einen Gegenstand) oder als sonstige Leistung (Nutzungsüberlassung über einen Gegenstand) angesehen werden. Ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt, hat entscheidenden Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung – vom Ort der Leistung über die Frage der Steuerpflicht bis hin zum Zeitpunkt und der Höhe der Steuerentstehung. Soweit sich der Sachverhalt nur im Inland abspielt, ist die Unterscheidung relevant für die Frage, wann bei dem leistenden Unternehmer in welcher Höhe eine Umsatzsteuer entsteht und für den (vorsteuerabzugsberechtigten) Leistungsempfänger, wann die Leistung ausgeführt ist und damit ein Vorsteuerabzugsanspruch vorliegt.

Bisherige Sicht der Finanzverwaltung

Bisher war die Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass eine Lieferung des Gegenstands vorliegt, wenn der Leasingnehmer wie ein Eigentümer über den Gegenstand verfügen konnte (Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE in der bis zum 17.03.2020 geltenden Fassung). Davon wurde in aller Regel ausgegangen, wenn der Leasing-Gegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasingn-Nehmer zuzurechnen war. War ein Mietvertrag über einen Gegenstand abgeschlossen worden, wurde von einer Lieferung ausgegangen, wenn das zivilrechtliche Eigentum spätestens bei Zahlung der letzten Rate auf den „Mieter“ überging. War der zivilrechtliche Übergang von weiteren Bedingungen – z. B. einer Optionserklärung – abhängig, war eine Lieferung erst dann anzunehmen, wenn diese ausgeübt wurde (Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE in der bis zum 17.03.2020 geltenden Fassung).

Neue EuGH-Entscheidung

Unionsrechtlich ist in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL geregelt, dass bei einem Mietvertrag, der die Klausel enthält, dass das Eigentum unter normalen Umständen spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird, eine Lieferung (= Verschaffung der Verfügungsmacht) vorliegt.

Der EuGH hatte schon in einer Entscheidung im Oktober 2017 diese Regelung auch für einen Mietvertrag mit Kaufoption angewendet, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt (Ende der Vertragslaufzeit) als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint (EuGH Urteil vom 04.10.2017 - C-164/16, Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd).

Nach der EuGH-Entscheidung war absehbar, dass an der nationalen Anknüpfung an die ertragsteuerrechtliche Unterscheidung nicht mehr festgehalten werden konnte.

Die Anweisung des BMF

Das neue BMF-Schreiben ändert Abschn. 3.5 Abs. 5-7 UStAE. 

Die Finanzverwaltung ändert mit ihrem Schreiben die bisherige Verwaltungsauffassung und passt insbesondere Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE an die Rechtsprechung des EuGH an.

Damit bei einem Leasingvertrag oder einem auf Übertragung des Eigentums gerichteten Mietvertrag  von einer Lieferung ausgegangen werden kann, müssen kumulativ 2 Voraussetzungen vorliegen:

  1. Der Vertrag muss ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an dem Gegenstand des Miet- oder Leasingvertrags vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten und
  2. aus den Vertragsbedingungen muss deutlich hervorgehen, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen und die Voraussetzungen aus objektiver Sicht zu beurteilen.

Wichtig: Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass eine Klausel zum Eigentumsübergang auch dann vorliegt, wenn in dem Vertrag lediglich eine Kaufoption für den Gegenstand enthalten ist.

Zur Prüfung, ob auch die zweite Bedingung erfüllt ist, übernimmt die Finanzverwaltung die Formulierungen aus dem EuGH-Urteil. Auch bei einer im Vertrag enthaltenen unverbindlichen Kaufoption soll die Bedingung erfüllt sein, wenn angesichts der finanziellen Vertragsbedingungen die Optionsausübung am Vertragsende in Wirklichkeit als einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint. Dabei darf der Vertrag dem Leasingnehmer keine echte wirtschaftliche Alternative bieten, dass er zum Optionszeitpunkt, je nach Interessenlage den Gegenstand erwerben, zurückgeben oder weiter mieten kann.

Die Finanzverwaltung nimmt weiterhin zu der EU-grenzüberschreitenden Überlassung von Leasing-Gegenständen (Cross-Border-Leasing) Stellung. Kommt es aufgrund der von einem anderen Mitgliedstaat vorgenommenen Zuordnung zu anderen Ergebnissen, als sich dies nach der nationalen Rechtsauffassung ergibt, ist wie folgt zu verfahren:

  • Erfolgt die Zuordnung bei dem im Inland ansässigen Vertragspartner, ist dieser Zuordnung zur Vermeidung von endgültigen Steuerausfällen zu folgen;
  • erfolgt die Zuordnung bei dem im anderen Mitgliedstaat ansässigen Vertragspartner, kann dieser Zuordnung gefolgt werden, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die Überlassung in dem anderen Mitgliedstaat der Besteuerung unterlegen hat.

Konsequenzen für die Praxis

Die Finanzverwaltung setzt jetzt die Rechtsprechung des EuGH zur Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung bei Leasing- und Mietverträgen um. Bei inländischen Sachverhalten ist insbesondere zu beachten, dass bei Annahme einer Lieferung die Umsatzsteuer – soweit die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten vorliegt – sofort bei Ausführung der Leistung entsteht, während bei Annahme einer sonstigen Leistung die Umsatzsteuer erst mit den Teilleistungen bzw. der Zahlung entsteht.

Wichtig: Durch die Neuregelung kann es zu Unterschieden in der ertragsteuer- und umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung kommen. Es kann ertragsteuerrechtlich weiterhin der Gegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen sein, während umsatzsteuerrechtlich aber aufgrund einer fehlenden Kaufoption eine sonstige Leistung anzunehmen ist. Die Finanzverwaltung ist leider nicht auf diese – sich auch bilanziell auswirkenden – Fragen eingegangen.

Zu beachten ist darüber hinaus, dass der Abrechnung in diesen Fällen eine besondere Bedeutung zukommt. Selbst wenn nach ertragsteuerrechtlichen Kriterien das Wirtschaftsgut beim Leasingnehmer zu bilanzieren ist, aber – z. B. wegen einer fehlenden Kaufoption – umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung anzunehmen ist, muss die Rechnung entsprechend der umsatzsteuerrechtlichen Sichtweise ausgestellt werden, um Probleme beim Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zu verhindern.

Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn – sowohl für den leistenden Unternehmer als auch für den Leistungsempfänger für den Vorsteuerabzug – für alle vor dem 18.03.2020 abgeschlossenen Leasing- oder Mietverträge noch die bisherige Rechtsauffassung angewendet wird.

BMF, Schreiben v. 18.3.2020, III C 2 - S 7100/19/10008 :003, veröffentlicht am 23.3.2020

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Miete, Leasing