Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine: Umsatzsteuer

Das BMF äußert sich in einem Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen und ändert den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE).

Die Finanzverwaltung hat nach knapp 2 Jahren jetzt erstmalig zu der Problematik der Gutscheine nach § 3 Abs. 13 ff. UStG Stellung genommen und dies in einen neuen, 14 Absätze umfassenden, Abschn. 3.17 UStAE aufgenommen. Im Wesentlichen folgen die Ausführungen der gesetzlichen Vorgabe und gliedern sich wie folgt:

  • Definition und Abgrenzung von Gutscheinen;
  • Einzweck-Gutscheine i. S. des § 3 Abs. 14 UStG;
  • Einzweck-Gutscheine in Vertriebsketten (Handeln im eigenen Namen  und im fremden Namen);
  • Bestimmung des Leistungsorts bei Einzweck-Gutscheinen;
  • Bemessungsgrundlage bei Einzweck-Gutscheinen;
  • Nichteinlösung von Einzweck-Gutscheinen bzw. Remonetarisierung;
  • Mehrzweck-Gutscheine i. S. des § 3 Abs. 15 UStG;
  • Mehrzweck-Gutscheine in Vertriebsketten (Handeln im fremden Namen und im eigenen Namen);
  • Bestimmung des Leistungsorts bei Mehrzweck-Gutscheinen;
  • Bemessungsgrundlage bei Mehrzweck-Gutscheinen;
  • Nichteinlösung von Mehrzweck-Gutscheinen  bzw. Remonetarisierung

Definition und Abgrenzung von Gutscheinen

Die Finanzverwaltung gibt im Wesentlichen die sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen wieder. Gutscheine müssen als Gegenleistung zur Einlösung bei Lieferungen oder sonstigen Leistungen eingesetzt werden können. Unbeachtlich ist, in welcher Form die Gutscheine vorliegen (auf Papier, als Plastikkarten oder in elektronischer Form). Ebenfalls unbeachtlich ist, ob der Gutschein ausreicht, um eine bestimmte Leistung in Anspruch nehmen zu können oder ob noch eine Zuzahlung erfolgen muss.

Wichtig: Keine Gutscheine i. S. der Regelung sind Gutscheine, die nur zu einem Preisnachlass oder einer Preiserstattung berechtigen – diese können unter weiteren Bedingungen zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führen (vgl. Abschn. 17.2 UStAE). Ebenso sind Gutscheine für Proben oder Warenmuster keine Gutscheine.

Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen o. ä. stellen keine Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 13 UStG dar. Zahlungsdienste (Kreditinstitute, Zahlungsabwickler etc.) stellen ebenfalls keine "Gutscheine" dar.

Wichtig: Zu unterscheiden ist auch die Guthabenkarte von einer Gutscheinkarte: Bei einer Guthabenkarte kann der ursprünglich gezahlte bzw. noch nicht verbrauchte Geldbetrag ohne weitere Voraussetzungen wieder zurückgetauscht werden; diese Guthabenkarte gilt ebenfalls nicht als Gutschein i. S. der Regelung.

Abschließend nimmt die Finanzverwaltung noch eine – sich nicht aus dem Gesetz ergebende – verbale Abgrenzung vor:

  • Übertragung eines Gutscheins: Als Übertragung eines Gutscheins gilt der Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern.
  • Ausgabe eines Gutscheins: Als Ausgabe eines Gutscheins gilt der Verkauf eines Gutscheins an einen Kunden.

Einzweck-Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 14 UStG

Über die sich aus dem Gesetz ergebenden Voraussetzungen für Einzweck-Gutscheine hinaus, stellt die Finanzverwaltung fest, dass für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben ist sowie die Leistung dahingehend zu konkretisieren ist, dass der steuerberechtigte Mitgliedstaat und der auf die Leistung entfallende Steuersatz und damit der zutreffende Steuerbetrag mit Sicherheit bestimmt werden können.

Wichtig: Soweit der Leistungsort vom Status des Leistungsempfängers abhängt, muss feststehen, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmen bezieht.

Weiterhin fordert die Finanzverwaltung – auch nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableitbar -, dass für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins der Leistungsgegenstand zumindest in Hinblick auf die Gattung angegeben sein muss. Unter Gattung ist die Gesamtheit von Arten von Waren oder sonstigen Leistungen zu verstehen, die in ihren wesentlichen Eigenschaften derart übereinstimmen, dass hieraus der zutreffende Steuersatz eindeutig bestimmbar ist.

Wichtig: Der Gutschein "soll" vom Aussteller sichtbar als Einzweck-Gutschein gekennzeichnet sein. Auf diese vom leistenden Unternehmer vorzunehmende rechtliche Einordnung sollen alle nachfolgenden Unternehmer in einer Leistungskette vertrauen können, soweit sie nicht Kenntnis davon haben müssen, dass es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt. Diese Anforderung der Finanzverwaltung erscheint weder durch die Gesetzeslage gedeckt zu sein, noch lässt sich aus dem Schreiben erkennen, welche Rechtsfolgen sich ergeben würden, wenn diese Kennzeichnung nicht erfolgt.

Es kann sich auch dann um einen Einzweck-Gutschein handeln, wenn der Gutschein zum Bezug mehrerer, genau bezeichneter Einzelleistungen berechtigt. In diesen Fällen ist der Gesamtbetrag im jeweiligen Verhältnis der Einzelleistungen aufzuteilen.

Bei einem Einzweck-Gutschein entsteht die Umsatzsteuer bei Besteuerung nach vereinbarten Entgelten im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins, bei Übertragung an einen anderen Unternehmer im Übertragungszeitpunkt. Die Einlösung des Gutscheins führt zu keinen umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen. Bei einer Zuzahlung ist der Differenzbetrag der Besteuerung zu unterwerfen.

Praxis-Tipp: Die Zuzahlung unterliegt jeweils dem Steuersatz, der im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins für die erbrachte Leistung anzuwenden ist. Auf den Steuersatz, der bei der damaligen Ausgabe des Gutscheins galt, kommt es nicht an. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der temporären Steuersatzabsenkung von Bedeutung.

Einzweck-Gutscheine in Vertriebsketten (Handeln im eigenen Namen und im fremden Namen)

Bei der Ausgabe von Einzweck-Gutscheinen in Leistungsketten muss unterschieden werden, ob der Gutschein in eigenem Namen oder in fremdem Namen ausgegeben wird.

Wichtig: Stellt ein leistender Unternehmer einen Einzweck-Gutschein aus und überträgt ihn auf einen anderen Unternehmer, der ihn im eigenen Namen an den Kunden ausgibt, gilt auch der ausgebende Unternehmer als Leistender der auf dem Gutschein bezeichneten Leistung. Gibt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im fremden Namen aus, wird er nicht Teil der Leistungskette.

Werden Gutscheine von einem leistenden Unternehmer auf einen anderen Unternehmer übertragen, der die Gutscheine an Kunden im eigenen Namen ausgibt, hat jeder Unternehmer entsprechend dem von ihm erzielten Kaufpreis im Zeitpunkt der jeweiligen Übertragung/Ausgabe des Gutscheins die Steuer anzumelden und abzuführen.

Wird eine in einem Einzweck-Gutschein versprochene Leistung nicht von dem Aussteller des Gutscheins selbst, sondern von einem anderen Unternehmer erbracht, wird der spätere Leistungserbringer so behandelt, als habe er die in dem Gutschein genannte Leistung an den Gutscheinaussteller erbracht. Maßgeblicher Zeitpunkt der Leistungsfiktion und damit der Besteuerung beider Leistungen ist der Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins an den Kunden.

Wichtig: Der Gutscheinaussteller muss dem leistenden Unternehmer zur fristgerechten Besteuerung mitteilen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Einzweck-Gutscheine an Kunden ausgegeben wurden.

Beim Handeln in fremdem Namen gilt die Ausgabe des Gutscheins an den Kunden als Leistung desjenigen, in dessen Namen der Unternehmer handelt. Der ausgebende Unternehmer muss dem leistenden Unternehmer mitteilen, zu welchem Zeitpunkt Einzweck-Gutscheine an Kunden ausgegeben wurden, da der leistende Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die Leistung im Rahmen der Leistungsfiktion zu versteuern hat. Der Unternehmer, der den Gutschein ausgibt, erbringt eine Vermittlungsleistung.

Beispiel: Portalbetreiber P veräußert im Namen und für Rechnung des Modehändlers M aus München Gutscheine. Im November 2020 veräußert P 50 Gutscheine für jeweils 100 EUR. Vereinbarungsgemäß leitet P die Einnahmen unter Abzug seiner Vermittlungsprovision von 30 % an M weiter.

M hat im November 2020 eine Bemessungsgrundlage von (5.000 EUR abzgl. 16 % USt =) 4.310,34 EUR und eine Umsatzsteuer (16 %) von 689,66 EUR. P, der vereinbarungsgemäß 1.500 EUR als Vermittlungsprovision einbehält, hat ebenfalls im November 2020 eine Bemessungsgrundlage von (1.500 EUR abzgl. 16 % USt =) 1.293,10 EUR und eine Umsatzsteuer (16 %) von 206,90 EUR. Soweit P dem M eine ordnungsgemäße Rechnung über die Vermittlungsleistung erstellt, kann M die Vorsteuer von 206,90 EUR abziehen.

Bestimmung des Leistungsorts bei Einzweck-Gutscheinen

Die Bestimmung des Leistungsorts bei Einzweck-Gutscheinen erfolgt nach den allgemeinen Regelungen. Abhängig von der Leistung, die sich aus dem Gutschein ergibt, gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung Folgendes:

Lieferung: Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass es sich aufgrund der Leistungsfiktion zwingend um eine ruhende Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 7 UStG handeln muss. Dies wird dann aber nicht weiter ausgeführt, sodass wohl davon auszugehen ist, dass die Leistung dann dort als ausgeführt gilt, wo sich der Gegenstand bei Ausführung der Leistung befinden soll; auf den Ort der Übertragung des Gutscheins als solchem kann es systematisch nicht ankommen. Da von einer ruhenden Lieferung ausgegangen wird, kann sich auch keine Steuerbefreiung als Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung  ergeben.

Hinweis: Im Zusammenhang mit Ausfuhren oder innergemeinschaftlichen Warenbewegungen schließt die starre Festlegung auf § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG – wie die Finanzverwaltung zutreffend feststellt – eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a oder Buchst. b UStG zwingend aus. Im Ergebnis kann dies eine Doppelbesteuerung nach sich ziehen, da der Gegenstand bei einem Transport ins Drittlandsgebiet dort trotzdem zu einer Einfuhr führen würde bzw. bei Transport in einen anderen Mitgliedstaat dort – unter den weiteren Bedingungen – einen innergemeinschaftlichen Erwerb auslösen würde.

Sonstige Leistung: Auch bei sonstigen Leistungen richtet sich der Ort nach den allgemeinen Grundsätzen. Dies bedeutet nach Auffassung der Finanzverwaltung, dass bei sonstigen Leistungen, deren Ortsbestimmung vom Status des Empfängers abhängt, bei Ausgabe oder erstmaliger Übertragung feststehen muss, ob der Empfänger der sonstigen Leistung ein Unternehmer ist und diese für sein Unternehmen bezieht.

Hinweis: Anhand dieser Regelungen wird deutlich, dass der eigentliche Vereinfachungseffekt, der mit diesen Regelungen einhergehen sollte, geradezu ad absurdum geführt wird (bzw. kaum sicher von Einzweck-Gutscheinen ausgegangen werden kann), da eine sichere Feststellung über den Leistungsempfänger und dessen Status bei Ausgabe/Übertragung eines Gutscheins kaum erfolgen kann.

Bemessungsgrundlage bei Einzweck-Gutscheinen

Die Bemessungsgrundlage eines Einzweck-Gutscheins bestimmt sich nach den allgemeinen Regelungen des § 10 UStG und ist – auch bei Vertriebsketten – jeweils das vereinbarte Entgelt.

Beispiel (gem. Abschn. 3.17 Abs. 6 Bsp. 2 UStAE): Unternehmer B überträgt einen Gutschein über 100 EUR, der zum Einkauf von Büchern bei ihm berechtigt, im November 2020 für 80 EUR an Unternehmer Z. Z gibt den Gutschein im Dezember 2020 an einen Kunden K für 90 EUR aus. Im Januar 2021 löst K den Gutschein beim Kauf von Büchern bei B ein.

B erhält im November 2020 beim Verkauf des Einzweck-Gutscheins 80 EUR, sodass sich bei ihm eine Bemessungsgrundlage von (80 EUR abzgl. 5 % USt =) 76,19 EUR und eine Umsatzsteuer von (5 %) 3,81 EUR ergibt. Z erhält im Dezember 2020 90 EUR, sodass sich bei ihm eine Bemessungsgrundlage von (90 EUR abzgl. 5 % USt =) 85,71 EUR und eine Umsatzsteuer von (5 %) 4,29 EUR ergibt. Die Einlösung des Gutscheins im Januar 2021 führt zu keinen umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen.

Eine unentgeltliche Abgabe eines Gutscheins führt – unter den allgemeinen Bedingungen des § 3 Abs. 1b bzw. § 3 Abs. 9a UStG – zu einem steuerbaren Umsatz. Bemessungsgrundlage ist in diesem Fall nach § 10 Abs. 4 Satz 1 UStG der im Zeitpunkt der Übertragung bzw. Ausgabe maßgebende Einkaufspreis, subsidiär der Selbstkostenpreis.

Nichteinlösung bzw. Remonetarisierung von Einzweck-Gutscheinen

Die Nichteinlösung eines Einzweck-Gutscheins kann keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen haben, da die Leistung schon zum Zeitpunkt der Übertragung bzw. Ausgabe fiktiv als erbracht galt.

Wichtig: Soweit ein Vermittler in die Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins eingebunden ist und die von ihm vereinnahmten Beträge erst bei Inanspruchnahme der Leistung an den leistenden Unternehmer ausgezahlt werden, erhöht sich nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Nichteinlösung des Gutscheins die Bemessungsgrundlage für den Vermittler entsprechend um die nicht ausgezahlten Beträge.

Wird ein Einzweck-Gutschein zurückgegeben und erhält der Kunde den Gutscheinwert zurückerstattet, wird der ursprüngliche Umsatz rückgängig gemacht (Remonetarisierung; § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG). Die Rückgängigmachung wird in dem Zeitraum erfasst, in dem die Rückzahlung erfolgt.

Mehrzweck-Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 15 UStG

Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben definiert die Finanzverwaltung den Mehrzweck-Gutschein für die Fälle, in denen Ort und/oder Steuerbetrag (insbesondere bei Inanspruchnahme von Leistungen, die dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können) bei Ausgabe des Gutscheins nicht endgültig feststehen. Umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen ergeben sich in diesem Fall nicht (Umtausch von Geld in eine andere Form eines Zahlungsmittels).

Wie auch bei den Einzweck-Gutscheinen "soll" der Mehrzweck-Gutschein vom Aussteller sichtbar als solcher gekennzeichnet werden. Auch hier sollen alle nachfolgenden Unternehmer in einer Leistungskette auf diese Einordnung vertrauen können, soweit sie nicht Kenntnis davon haben müssen, dass es sich nicht um einen Mehrzweck-Gutschein handelt.

Erst bei Einlösung des Mehrzweck-Gutscheins kommt es zu einer umsatzsteuerrechtlichen Konsequenz in Abhängigkeit von der für den Gutschein in Anspruch genommenen Leistung.

Mehrzweck-Gutscheine in Vertriebsketten (Handeln im fremden Namen und im eigenen Namen)

Da die Übertragung und Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins noch keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne darstellt, erbringt lediglich ein eingeschalteter Unternehmer, der im fremden Namen für fremde Rechnung handelt, eine Vermittlungsleistung.

Bestimmung des Leistungsorts bei Mehrzweck-Gutscheinen

Eine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne wird erst bei Einlösung eines Mehrzweck-Gutscheins ausgeführt. In diesem Zeitpunkt bestimmt sich dann auch der Ort der Leistung nach den allgemeinen Regelungen.

Wichtig: In diesen Fällen kann es sich unter den weiteren Voraussetzungen auch um eine steuerfreie Ausfuhrlieferung oder eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handeln.

Soweit ein Unternehmer als Vermittler in die Übertragung oder Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins eingeschaltet ist, erbringt er eine Vermittlungsleistung, deren Ort sich nach § 3a Abs. 2 UStG dort bestimmt, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen bzw. Betriebsstätte unterhält.

Bemessungsgrundlage bei Mehrzweck-Gutscheinen

Umfassend nimmt die Finanzverwaltung zur Frage der Bemessungsgrundlage bei Mehrzweck-Gutscheinen Stellung. Dabei konzentriert sich die Finanzverwaltung auf die Veräußerung von Gutscheinen in Leistungsketten bzw. die unentgeltliche Ausgabe von Mehrzweck-Gutscheinen.

Wird ein Mehrzweck-Gutschein, der über Vertriebsketten übertragen wurde, vom Gutscheininhaber eingelöst und liegen beim leistenden Unternehmer im Zeitpunkt der Einlösung keine Angaben über die Höhe der vom Kunden an den letzten Unternehmer in der Vertriebskette gezahlten Gegenleistung vor, bemisst sich das Entgelt nach § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG (= Gutscheinwert).

Wichtig: Hat der leistende Unternehmer dem Vermittler einen Höchstverkaufswert für den Mehrzweck-Gutschein vorgegeben und liegt ihm im Zeitpunkt der Einlösung keine Angabe über die Höhe der vom Kunden an den letzten Unternehmer in der Vertriebskette gezahlten Gegenleistung vor, gilt für den leistenden Unternehmer der maximale Verkaufspreis als Ausgangsbasis für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage.

Beispiel (gem. Abschn. 3.17 Abs. 12 Bsp. 2 UStAE): Unternehmer V erwirbt von Unternehmer B einen Gutschein über 100 EUR, der zum Einkauf von Büchern und Geschenkartikeln bei B berechtigt, im August 2020 für 60 EUR. V soll den Gutschein für höchstens 80 EUR an einen Kunden veräußern. Im September 2020 veräußert V den Gutschein für 75 EUR an Kunden K. Im November 2020 löst K den Gutschein bei B für regelbesteuerte Waren im Wert von 100 EUR ein.

Im Moment der Einlösung (November 2020) des Gutscheins führt B an K eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung aus. Wenn B nicht den Verkaufspreis des V an K kennt, ergibt sich für ihn eine Bemessungsgrundlage ausgehend von dem Höchstverkaufspreis; die Bemessungsgrundlage beträgt damit (80 EUR abzgl. 16 % USt =) 68,97 EUR, die Umsatzsteuer (16 %) 11,03 EUR. V führt einen steuerbaren und steuerpflichtigen Vermittlungsumsatz aus. Seine Bemessungsgrundlage bestimmt sich ausgehend von der Differenz zwischen Verkaufspreis (75 EUR) und Kaufpreis (60 EUR) mit (15 EUR abzgl. 16 % USt =) 12,93 EUR. Die Umsatzsteuer (16 %) beträgt damit im Zeitraum des Verkaufs des Gutscheins (September 2020) 2,07 EUR.

Bei einer unentgeltlichen Übertragung oder Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins soll im Zeitpunkt der tatsächlichen Erbringung der Leistung unter den weiteren Voraussetzungen von einer unentgeltlichen Wertabgabe auszugehen sein. Die Bemessungsgrundlage soll sich in diesem Fall nach § 10 Abs. 4 Satz 1 UStG bestimmen.

Wichtig: Gibt ein Unternehmer, der nicht personenidentisch mit dem leistenden Unternehmer ist, einen Mehrzweck-Gutschein aus eigener Entscheidung für unternehmensfremde (private) Zwecke unentgeltlich aus, handelt es sich um eine Entnahme eines Zahlungsmittels, die nicht Gegenstand einer unentgeltlichen Wertabgabe ist. Die Bemessungsgrundlage des leistenden Unternehmers bestimmt sich dann abhängig davon, ob er von der unentgeltlichen Abgabe weiß oder nicht. Weiß er von der unentgeltlichen Abgabe durch den eingeschalteten Unternehmer, bestimmt sich seine Bemessungsgrundlage anhand dessen, was er von dem eingeschalteten Unternehmer erhalten hat; weiß er nichts von der unentgeltlichen Abgabe durch den eingeschalteten Unternehmer, bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG mit dem Gutscheinwert.

Nichteinlösung von Mehrzweck-Gutscheinen bzw. Remonetarisierung

Grundsätzlich ergeben sich bei Verfall oder Nichteinlösung eines Mehrzweck-Gutscheins keine umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen.

Wichtig: Die Nichteinlösung des Gutscheins kann allerdings Auswirkung auf die Bemessungsgrundlage einer Vermittlungsleistung haben, wenn der auf den leistenden Unternehmer entfallende Entgeltanteil bei Nichteinlösung beim Vermittler verbleibt (dies würde nur dann in Betracht kommen, wenn der Vermittler den, dem leistenden Unternehmer zustehenden, Entgeltsanteil erst bei Ausführung der tatsächliche Leistung ausbezahlen würde). In diesem Fall erhöht sich nach Auffassung der Finanzverwaltung das Entgelt für die Vermittlungsleistung, wenn wegen der Nichteinlösung ein höherer Betrag bei dem Vermittler verbleibt.

Wird ein Mehrzweck-Gutschein zurückgegeben und erhält der Kunde den Gutscheinwert zurückerstattet (Remonetarisierung), ergeben sich hieraus keine umsatzsteuerlichen Auswirkungen; es liegt lediglich ein Rücktausch von Zahlungsmitteln vor.

Weitere Feststellungen der Finanzverwaltung

Über die Neuregelungen zu den Gutscheinen in Abschn. 3.17 UStAE ergänzt die Finanzverwaltung noch weitere Abschnitte des UStAE:

  • Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für Einzweck- wie auch Mehrzweck-Gutscheine sind auch die Regelungen zur Mindestbemessungsgrundlage  anzuwenden.
  • In einer Rechnung über die Übertragung bzw. Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins sind die Bezeichnung der Gutscheinart (Einzweck-Gutschein) sowie eine kurze Beschreibung der Lieferung oder der sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, ausreichend.
  • Bei einem Mehrzweck-Gutschein unterliegt erst bei dessen Einlösung die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung der Umsatzsteuer; über diese Leistung ist dann nach den allgemeinen Regelungen in einer Rechnung abzurechnen.

Grundsätzlich sind die Regelungen auf alle Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine anzuwenden, die ab dem 1.1.2019 ausgegeben worden sind. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn für alle vor dem 2.2.2021 ausgestellten Gutscheine diese Regelungen noch nicht angewendet werden.

Konsequenzen für die Praxis

Die neuen Regelungen zu den Gutscheinen sollten der Vereinheitlichung in der EU dienen und insbesondere Wettbewerbsverzerrungen sowie Doppel- oder Nichtbesteuerungen vermeiden. Ob dies nach den Vorgaben des Unionsrechts gelungen war, konnte schon vor der Veröffentlichung der Anweisungen des BMF bezweifelt werden. Es hat dann knapp 2 Jahre gedauert, bis die Finanzverwaltung sich in der Lage sah, eine verbindliche Verwaltungsmeinung zu veröffentlichen. Dazu hatte es auch schon zweier Vorläufer bedurft, in denen die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung auch noch verändert hatte.

Die Ausführungen der Finanzverwaltung sind zwar ausführlich, lassen aber viele Fragen offen und gehen teilweise deutlich über die im Gesetz genannten Vorgaben hinaus. Insoweit mag es fraglich sein, wie lange diese Verwaltungsmeinung gültig bleiben wird. Insbesondere sind die folgenden Punkte zu nennen:

  • Als Voraussetzung für einen Einzweck-Gutschein gibt die Finanzverwaltung vor, dass die Identität des leistenden Unternehmers feststehen muss. Dies ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der MwStSystRL. Es muss – bei einem Einzweck-Gutschein – der Aussteller (= derjenige, der die Ausgabe des Gutscheins und deren Leistung zu versteuern hat) identifizierbar sein, der tatsächlich die Leistung erbringende Unternehmer muss zu dem Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins noch nicht feststehen (vgl. auch § 3 Abs. 14 Satz 4 UStG).
  • Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass sowohl der Einzweck-Gutschein als auch der Mehrzweck-Gutschein als solcher gekennzeichnet werden soll. Dies erscheint weder durch die Gesetzeslage gedeckt zu sein, noch lässt sich aus dem Schreiben erkennen, welche Rechtsfolgen sich ergeben würden, wenn diese Kennzeichnung nicht erfolgt.
  • Ebenfalls über den Wortlaut des Gesetzes hinaus wird für den Einzweck-Gutschein gefordert, dass auf diesem die "Gattung" angegeben sein muss. Diese Voraussetzung ist aus § 3 Abs. 14 UStG nicht ersichtlich und würde ein "Wahlrecht" für den Unternehmer bedeuten, jederzeit in der Lage zu sein, die Eigenschaft "Einzweck-Gutschein" dadurch zu verhindern, in dem keine "Gattung" oder erläuternde Einschränkung in dem Gutschein angegeben wird. Die Konsequenz wäre, dass der Kleidungsdiscounter, der "Einkaufsgutscheine" ausgibt, auf denen keine weitere Angabe zu "Kleidung" etc. enthalten ist, keinen Einzweck-Gutschein ausgeben würde, obwohl er nur dem Regelsteuersatz unterliegende Waren verkauft.
  • Fraglich kann auch die einseitige Festlegung der Finanzverwaltung sein, dass bei Einzweck-Gutscheinen sich der Ort einer Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG richtet und damit – folgerichtig – eine Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung nicht in Betracht kommen kann. Damit werden in diesen Fällen, in denen dann bei Einlösung des Gutscheins der Vorgang keiner (analogen) Anwendung einer Änderung der Bemessungsgrundlage zugängig sein soll, – soweit die weiteren Voraussetzungen vorliegen sollten – gerade die eigentlich zu vermeidenden Doppelbesteuerungen ausgelöst.

Keinen Hinweis enthält das BMF-Schreiben für die Fälle einer Sortimentserweiterung. Dabei geht es um die praxisrelevante Frage, welchen Einfluss eine nach der Ausgabe eines als "Einzweck-Gutschein" gekennzeichneten Gutscheins erfolgte Sortimentserweiterung oder auch z. B. eine gesetzliche Änderung (wie vor nicht allzu langer Zeit bei den E-Books) hat.

Praxis-Tipp: Insbesondere ist bei der demnächst (zum 1.1.2021) anstehenden Steuersatzanhebung zu beachten, dass in der Praxis Interesse bestehen wird, den noch abgesenkten Steuersatz durch Verkauf von Einzweck-Gutscheinen über den 31.12.2020 hinaus zu konservieren. Hier sollten auch die von der Finanzverwaltung mit dem ergänzenden Schreiben zur Steuersatzabsenkung und -anhebung  vorgenommenen Abgrenzungen zu Anzahlungen beachtet werden.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine offensichtlich auf Unionsebene nicht mit den Konsequenzen zu Ende gedachte Regelung auch nicht durch ein Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung zu einer gelungenen Vorschrift gemacht werden kann. Zumindest hat diese Regelung nicht zu einer Vereinfachung geführt. Positiv ist aber die komfortable Nichtbeanstandungsregelung für alle vor dem 2.2.2021 ausgegebenen Gutscheine hervorzuheben.

BMF, Schreiben v. 2.11.2020, III C 2 - S 7100/19/10001 :002