BMF: Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren

Mit Urteil vom 28.7.2011 hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung u. a. entschieden, dass eine steuerbare Leistung auch bei der freihändigen Verwertung nach § 166 Abs. 1 InsO von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vorliegt.

Daneben enthalten die Urteilsgrundsätze auch generelle Ausführungen zu den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen bei der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren.

Kalte Zwangsvollstreckung und kalte Zwangsverwaltung bei der Verwertung von Grundstücken

Bei der sog. kalten Zwangsvollstreckung bzw. -verwaltung handelt es sich um nicht feststehende Rechtsbegriffe, die im Wesentlichen die verschiedenen Verwertungshandlungen eines Insolvenzverwalters bei der Verwertung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke im Insolvenzverfahren außerhalb einer Zwangsvollstreckung zum Inhalt haben. Ziel der jeweiligen Handlung ist die freihändige Veräußerung des Grundstückes bzw. der Mieteinzug zugunsten der Gläubiger durch den Insolvenzverwalter.

Da die Vorschriften über die freihändige Verwertung sicherungsübereigneter beweglicher Gegenstände (§§ 166 in Verbindung mit 170, 171 InsO) bei der Verwertung von unbeweglichem Vermögen grundsätzlich keine Anwendung finden und somit auch keine gesetzlichen Kostenregelungen greifen, erfolgt die freihändige Verwertung bzw. Verwaltung eines grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks auf Basis einer Vereinbarung, die regelmäßig auch eine Beteiligung der Masse am Erlös der Verwertung bzw. Verwaltung vorsieht.

Nach der Rechtsprechung des BFH liegt bei einer freihändigen Veräußerung eines grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung – neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber – eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen bestimmten Betrag für die Masse einbehalten darf (vgl. BFH, Urteile v. 18.8.2005, V R 31/04, BStBl 2007 II S. 183; v. 28.7.2011, V R 28/09, BStBl 2014 II). Der einbehaltene Betrag ist die Gegenleistung des Gläubigers für die Leistung der Masse.

Diese Beurteilung gilt entsprechend für die Verwaltung eines grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks unter Einbehaltung eines Kostenbetrags von den erzielten Kaltmieten.

Verwertung von sicherungsübereigneten beweglichen Gegenständen durch den Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter darf nach § 166 Abs. 1 InsO eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten. Hierzu ist er jedoch nicht verpflichtet. Demnach steht es dem Insolvenzverwalter grundsätzlich frei, dem Gläubiger die Verwertung nach § 170 Abs. 2 InsO zu überlassen oder die Verwertung freihändig unter Ausübung des Verwertungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO vorzunehmen.

Die unter Abschn. 1.2 UStAE dargestellten Grundsätze zum Doppel- bzw. Dreifachumsatz finden auch bei der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände im Insolvenzverfahren Anwendung.

1. Keine Ausübung des Verwertungsrechts

Macht der Insolvenzverwalter nicht von seinem Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch, sondern veräußert er stattdessen das Sicherungsgut im Namen des Sicherungsnehmers/Gläubigers, liegt ein Doppelumsatz vor. Im Rahmen dieses Doppelumsatzes liefert der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut als Vertreter der Masse im Zeitpunkt der Verwertung an den Sicherungsnehmer/Gläubiger, welcher seinerseits zeitgleich das Sicherungsgut an den Erwerber weiterliefert. Das Entgelt für die Lieferung der Masse an den Gläubiger entspricht dann dem Betrag in Höhe der Schuldbefreiung, die sich für die Masse aufgrund der Verwertung durch den Gläubiger ergibt. Die vorweg zu begleichenden Kosten der Feststellung nach § 170 Abs. 2 InsO (Feststellungskostenpauschale) gehören dabei nicht zum Entgelt (vgl. Rz. 28 des o. a. BFH, Urteils v. 28.7.2011, V R 28/09).

2. Ausübung des Verwertungsrechts

Verwertet hingegen der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache für die Masse selbst, ist zwar, ebenso wie zur Verwertung eines grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks dargestellt, von einer Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger auszugehen. Bei der Verwertung beweglicher Gegenstände findet jedoch ein Dreifachumsatz statt, in welchem die Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht.

Da der Insolvenzverwalter bei der eigentlichen Lieferung des Sicherungsgutes an den Erwerber im Namen der Masse auftritt, ist diese Lieferung der Masse zuzurechnen. Der Insolvenzverwalter erbringt diesen Umsatz jedoch wie ein Kommissionär für Rechnung des Sicherungsnehmers/Gläubigers, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwertungsreife eingetreten ist (BFH Urteil vom 23.07.2007 - V R 27/07, BStBl 2010 II S. 859). Der Lieferung an den Erwerber ist deshalb über § 3 Abs. 3 UStG eine fiktive Lieferung des Sicherungsnehmers/Gläubigers als Kommittent an die Masse vorgeschaltet, in welcher die an sich vorliegende Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht (vgl. Rz. 29 des o. a. BFH-Urteils v. 28.7.2011, V R 28/09). Im Rahmen dieses Kommissionsgeschäfts sind die Kosten der Feststellung und Verwertung nach § 170 Abs. 1 in Verbindung mit§ 171 InsO umsatzsteuerlich genauso zu behandeln wie die Provisionen des Kommissionärs bei einem üblichen Verkaufskommissionsgeschäft.

Der Sicherungsnehmer/Gläubiger kann das Sicherungsgut jedoch nur dann an die Masse liefern, wenn er selbst hieran Verfügungsmacht erhalten hat. Dies bedingt, dass die Sicherungsübereignung im Zeitpunkt der Verwertung zu einer Lieferung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger geführt hat. Das Entgelt für diese Lieferung besteht in dem Betrag, um den die Masse von ihren Schulden gegenüber dem Sicherungsnehmer/Gläubiger befreit wird.

Änderung des UStAE

Abschn. 1.2 UStAE wird wie folgt geändert:

  1. Die Absätze 1b und 3 werden gestrichen.
  2. Der bisherige Absatz 4 wird neuer Absatz 3.
  3. Nach Absatz 3 (neu) werden eine Zwischenüberschrift und ein neuer Absatz 4 eingefügt.

 Anwendungsregelung

 Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn für vor dem 1.7.2014 ausgeführte Umsätze die Beteiligten übereinstimmend

  • in den dargestellten Sachverhalten bei der Verwaltung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks (kalte Zwangsverwaltung) von einem nichtsteuerbaren Vorgang oder
  • in den dargestellten Sachverhalten unter Berufung auf die nunmehr überholten Regelungen des Abschn. 1.2 Abs. 1b UStAE a.F. nicht von einem Doppel- bzw. Dreifachumsatz bei der Verwertung eines sicherungsübereigneten Gegenstands

ausgegangen sind.

BMF, Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 - S 7100/07/10037

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Insolvenz