Hartz IV für russische Spätaussiedler

Das Jobcenter darf Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") nicht allein wegen der Verletzung der Mitwirkungspflichten versagen. Das gilt auch, wenn sich die Antragsteller weigern, einen Rentenantrag in Russland zu stellen.

Das hat das Sozialgericht Dresden (SG Dresden) mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 25.3.2014 (S 40 AS 1666/14 ER) entschieden. Die 62 und 63 Jahre alten verheirateten Antragsteller kamen 1997 als Spätaussiedler nach Deutschland und sind arbeitslos. Sie besitzen sowohl die deutsche als auch die russische Staatsbürgerschaft. Das Jobcenter Sächsische Schweiz - Osterzgebirge forderte die Antragsteller auf, einen Antrag auf Gewährung einer russischen Rente zu stellen.

Fehlender Rentenantrag schließt Hartz IV aus

Der Aufforderung des Jobcenters kam der Ehemann nicht nach, da die Beantragung der Rente in Russland sehr kompliziert und kostenaufwändig sei. Die Antragsteller hätten im Übrigen die Entlassung aus der russischen Staatsbürgerschaft beantragt. Daraufhin bewilligte das Jobcenter nur die Kosten der Unterkunft und versagte die Gewährung der Regelleistung. Der Ehemann hätte seine vorrangigen Rentenansprüche in Russland nicht beantragt und sei damit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Hiergegen wandten sich die Antragsteller vor dem SG Dresden im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Hartz IV-Leistung trotz fehlender Mitwirkung

Das Gericht hat dem Antrag der Antragsteller stattgegeben und das Jobcenter zur monatlichen Zahlung von weiteren 700 EUR verpflichtet. Zwar müssen Hilfesuchende alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen, also z. B. auch eine Rente beantragen. Kommen sie dem nicht nach, kann sich das Jobcenter allenfalls der vom Gesetz vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten bedienen. Es hätte entweder die Rente in Russland selbst beantragen oder Sanktionsmöglichkeiten und Erstattungsansprüche prüfen können.

Hartz IV Versagen rechtswidrig

Rechtswidrig war es jedoch, die Leistungen ohne weitere Prüfung zu versagen und damit den Antragstellern die Existenzsicherung vorzuenthalten. Die 40. Kammer des Sozialgerichts monierte außerdem, dass auch die Ehefrau von der Versagung betroffen war, obwohl sie sämtliche Mitwirkungspflichten erfüllt hatte.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht in Chemnitz erhoben werden.

Jobcenter dürfen Hartz IV-Empfänger auch nicht verpflichten, eine vorzeitige Rente zu beantragen (s. News v. 26.3.2014).

SG Dresden
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