Rz. 9

Die Vertreterversammlung ist nach Abs. 1 das Selbstverwaltungsorgan einer KV/KZV bzw. der KBV/KZBV und hat Rechtsetzungsbefugnis (Satzung und sonstiges autonomes Recht). Ihr wird damit eine starke Rechtsstellung ganz im Sinn einer gelebten Selbstverwaltung zugewiesen. Während Satzungen unter dem Genehmigungsvorbehalt des § 81 Abs. 1 Satz 2 stehen, bedarf das sonstige autonome Recht keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (Richter, in: BeckOK SozR, SGB V, § 79 Rz. 3). Beispiele sind: der Honorarverteilungsmaßstab oder die Notfall- und Bereitschaftsdienstordnung (zur Rechtswegfrage bei der Finanzierung des ärztlichen Notdienstes vgl. BVerwG, Beschluss v. 6.7.2022, 3 B 31/21). Es wird zwischen dem Recht im formellen Sinn und dem sonstigen autonomen Recht unterschieden (vgl. Rademacker, in: BeckOGK, SGB V, § 79 Rz. 7). Satzungsrecht im materiellen Sinn sind Beschlüsse der Vertreterversammlung, die verbindlich gegenüber allen Ärzten sind. Nicht dazu zählen interne Dienstanweisungen oder Einzelfallentscheidungen (vgl. Hamdorf, in Hauck/Noftz, SGB V, § 79 Rz. 22). Mit der Formulierung "Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan" bezieht sich der Wortteil "Selbstverwaltung" ausschließlich auf die Vertreterversammlung, während daneben als weiteres Organ der hauptamtliche Vorstand besteht, der aber kein Selbstverwaltungsorgan ist. Während bis zum 10.5.2019 die ehrenamtliche Tätigkeit der Vertreterversammlung durch entsprechende Satzungsregelungen bei allen kassen(zahn)ärztlichen Körperschaften auf Landes- und Bundesebene praktiziert worden war, ist durch den Verweis in Abs. 1 Satz 2 auf die entsprechende Geltung des § 40 SGB IV gesetzlich klargestellt, dass die Mitglieder der Vertreterversammlungen der KV/KZV und der KBV/KZBV ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben. § 40 Abs. 1 SGB IV gibt vor, dass die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben. Da in der rechtlichen Rangfolge das Gesetz über jeder Satzungsregelung steht, sind die auf die ehrenamtliche Tätigkeit der Vertreterversammlung bezogenen Satzungsbestimmungen mit Wirkung zum 11.5.2019 entbehrlich geworden bzw. haben nur noch deklaratorische Bedeutung.

 

Rz. 10

Das Selbstverwaltungsprinzip bedeutet, dass die Vertreterversammlung im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe im weitesten Sinne die Organisation der Vereinigung als Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst bestimmt. Inhalt und Umfang des Selbstverwaltungsprinzips werden durch das Ausmaß der gesetzlich bestimmten Einflussmaßnahme durch Aufsichts- und Mitwirkungsrecht des Staates vorgegeben. Während die Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan das Organisationsprinzip bestimmt, verwaltet der Vorstand nach Abs. 5 die Körperschaft und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Organen ist z. B. auch, dass die Mitglieder des Selbstverwaltungsorgans Vertreterversammlung ehrenamtlich tätig sind, während die hauptamtlichen Vorstandsmitglieder in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zur Körperschaft stehen, dessen Inhalt im Einzelnen durch Dienstverträge geregelt ist.

 

Rz. 11

Die ehrenamtlichen Mitglieder der Vertreterversammlung einer kassen(zahn)ärztlichen Körperschaft erhalten für ihre Tätigkeit eine Entschädigung nach Maßgabe der Entschädigungsordnung, die Bestandteil der Satzung der jeweiligen Körperschaft ist.

 

Rz. 12

Die Vertreterversammlung ist z. B. nach der Satzung der KV Nordrhein das Selbstverwaltungsorgan und repräsentiert die Gesamtheit aller Mitglieder der KV Nordrhein. Die Repräsentanz der Gesamtheit der Mitglieder schließt z. B. aus, dass die Rechtsstellung der Vertreterversammlung z. B. durch eine Mitgliederversammlung der KV-Mitglieder ersetzt werden kann. Der KV gehören die zugelassenen Ärzte gemäß § 77 Abs. 3 durch Zwangsmitgliedschaft an.

 

Rz. 13

Die Kompetenz der Vertreterversammlung ergibt sich aus dem abschließenden Aufgabenkatalog des Abs. 3. Die Vertreterversammlung hat nicht die Kompetenz-Kompetenz (vgl. dazu auch Kremer/Wittmann, Vertragsärztliches Zulassungsverfahren, Rz. 12). Sie kann also ihr Aufgabenfeld nicht zulasten des Vorstandes erweitern, und umgekehrt kann die Vertreterversammlung nicht in originäre Kompetenzen wie die gerichtliche Außenvertretung eingreifen (BSG Urteil v. 30.10.2013, B 6 KA 48/12 R).

Die Vertreterversammlung einer KV/KZV wird von den ärztlichen/psychotherapeutischen Mitgliedern der KV bzw. den zahnärztlichen Mitgliedern der KZV gewählt und ersetzt damit als beschließendes Organ der Selbstverwaltung eine Mitgliederversammlung. Zwar könnte (theoretisch) eine Satzung daneben eine Mitgliederversammlung vorsehen, doch käme ihr keine maßgebende (beschließende) Funktion zu. Angesichts der Größe der Mitgliederzahlen einer KV oder KZV wären ständige oder jährliche Mitgliederversammlungen einer KV/KZV ohnehin nicht geeignet, deren Funktion und gesetzliche Aufgabenstellung im System der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung sicherzustellen. Die maßgebliche Wil...

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