Rz. 1

Das Neunte Kapitel schafft in §§ 93 bis 108 für den Bereich der Pflegeversicherung spezielle datenschutzrechtliche Regelungen. Diese knüpfen an die Normen des § 35 SGB I sowie §§ 67ff. SGB X an und schaffen für die Pflegeversicherung bereichsspezifische Konkretisierungen. Daneben bilden sie die für die Erstellung einer Bundesstatistik bei ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen notwendige Rechtsgrundlage (§ 109). Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Neunten Kapitels werden ergänzt durch zahlreiche weitere bereichsspezifische Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes mit datenschutzrechtlichem Inhalt oder Berührungspunkten (vgl. z. B. § 7 Abs. 2 Satz 3, § 18 Abs. 4, § 50 Abs. 5, § 115 Abs. 1).

 

Rz. 2

Entsprechende Regelungen wurden nach der Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht notwendig. Das BVerfG hatte entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG die Befugnis des Einzelnen beinhaltet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen müssen dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Es müssen organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen werden, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken. Bei den verfassungsrechtlichen Anforderungen an derartige Einschränkungen ist zu unterscheiden zwischen personenbezogenen Daten, die in individualisierter, nicht anonymer Form erhoben und verarbeitet werden, und solchen, die für statistische Zwecke bestimmt sind (BVerfG, Urteil v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65 S. 1).

Das macht deutlich, dass eine Einschränkung dieses Grundrechts nur durch den Gesetzgeber unter Beachtung der oben genannten Bedingungen erfolgen kann. Gerade im Rahmen der Arbeit der Pflegekassen wird die Erhebung und Verarbeitung sowie die Übermittlung von Daten i. S. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erforderlich, so dass die Schaffung entsprechender gesetzlicher Regelung geboten und notwendig war. Die bereichsspezifische Ausgestaltung der in das Pflegeversicherungsgesetz übernommenen Datenschutzregelungen verschafft den für die Durchführung der Pflegeversicherung verantwortlichen Stellen, insbesondere den Pflegekassen, ihren Verbänden sowie dem Medizinischen Dienst die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Informationen durch präzise und damit verfassungsrechtlich gesicherte Rechtsgrundlagen; zum anderen dienen ihre Regelungstatbestände dem besonderen Schutz der Betroffenen, da in deren verfassungsrechtlich abgesichertes Recht auf informationelle Selbstbestimmung beim Umgang mit personenbezogenen Daten für Aufgaben der Pflegeversicherung nur in den Grenzen der gesetzlich fest umrissenen Verwendungszwecke eingegriffen werden darf.

Um die praktische Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorschriften des Rechts der Pflegeversicherung zu erleichtern und eine reibungslose Verwaltungspraxis zu gewährleisten, wurden die datenschutzrechtlichen Regelungsinhalte des Krankenversicherungsrechts (vgl. §§ 284ff. SGB V) soweit wie möglich übernommen.

 

Rz. 3

Zu den Regelungszielen des Neunten Kapitels gehören – vergleichbar der Zielsetzung der datenschutzrechtlichen Normen des Krankenversicherungsrechts (vgl. hierzu Peters, in: KassKomm., SGB V, § 284 Rz. 3) – neben der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Belange der Betroffenen beim Umgang mit Daten die Sicherung der Aufgabeneffizienz. Durch Schaffung der erforderlichen Informationsgrundlagen leistet der Gesetzgeber einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Transparenz des Leistungsgeschehens. Diese ermöglicht ihrerseits eine qualifiziertere Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung. Zudem werden die Pflegekassen hiermit in die Lage versetzt, etwaigen Missbräuchen im Bereich des Pflegeversicherungsgesetzes besser entgegenzuwirken.

 

Rz. 4

Das Neunte Kapitel gliedert sich in vier Abschnitte. Der Erste Abschnitt (§§ 93 bis 103) sichert den an dem Pflegegeschehen Beteiligten die zur jeweiligen Aufgabenerfüllung notwendigen Informationsgrundlagen und regelt insbesondere die Grundsätze der Datenverwendung bei den Pflegekassen, ihren Verbänden, beim Medizinischen Dienst sowie bei den mit der Qualitätssicherung befassten Prüfstellen. Der Zweite Abschnitt (§§ 104 bis 106a) regelt die Aufzeichnung und Übermittlung von Leistungsdaten der Versicherten durch die Leistungserbringer für die Erfüllung der Aufgaben der Pflegekassen und ihrer Verbände. Der Dritte Abschnitt (§§ 107, 108) sieht bereichsspezifische Regelungen zur Löschung von Daten und Erteilung von Auskünften an Versicherte vor. Der Vierte Abschnitt (§ 109) befasst sich mit der Erhebung statistischer Angaben für Zwecke der Pflegeversicherung.

 

Rz. 5

Die §§ 93ff. regeln ihrem G...

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