Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme. anthroposophisches Mistel-Präparat ≪hier Helixor A≫

 

Leitsatz (amtlich)

Der in Ziffer 16.5 der Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erhaltene Verweis auf die Ziffern 16.4.1 ff betrifft nur die dort aufgeführten schwerwiegenden Erkrankungen. Er schränkt die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung aber nicht hinsichtlich der in 16.4.1 aufgeführten Anwendungsformen ein.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 5.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2006 wird aufgehoben soweit er sich auf die Behandlung ab 24.5.2006 bezieht. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für das Arzneimittel Helixor in Höhe von 186,34 Euro zu erstatten.

2. Die Beklagte hat der Klägerin 50 % ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für das Arzneimittel Helixor.

Die am ... geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin erkrankte an einem bösartigen, prämenopausalen Mammakarzinom. Am 5.1.2006 und 16.1.2006 wurde der Tumor durch eine brusterhaltenden Operation entfernt. Im weiteren Verlauf wurde die Klägerin mittels Chemo- und Strahlentherapie behandelt. Begleitend zu diesen Therapieformen verschrieb der Frauenarzt Dr. S. der Klägerin zur Rezidivprophylaxe mittels Privatverordnung das Mistelpräparat Helixor A.

Helixor A ist ein wässriger Auszug der Tannenmistel. Es wird als Injektionslösung in der anthroposophischen Therapierichtung verwendet. Es ist apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig.

Am 24.3.2006 beantragte die Klägerin unter Beifügung eines Attests des Arztes Dr. S. die Übernahme der Kosten für die Behandlung mit Helixor bei der Beklagten.

Am 5.4.2006, 22.4.2006, 4.5.2006, 24.5.2006, 6.6.2006, 30.6.2006 und 20.7.2006 erwarb die Klägerin je acht Ampullen Helixor A zum Preis von 48,49 Euro (viermal) bzw. 44,68 Euro (viermal).

Mit Bescheid vom 5.5.2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel dürften nur im Ausnahmefall von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden. Der behandelnde Arzt der Klägerin habe hier aber durch die Verwendung eines Privatrezepts zu erkennen gegeben, dass ein solcher Ausnahmefall hier nicht vorliege. Er habe dies auch mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abgeklärt.

Hiergegen legte die Klägerin am 31.5.2006 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10.7.2006 zurückgewiesen wurde. Darin führte die Beklagte ergänzend zu den Gründen des Ausgangsbescheids aus, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich nicht zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig seien. Insbesondere ergebe sich aus den Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (AMR) keine ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit für Helixor. Die AMR würden eine Verordnungsfähigkeit nur für die Anwendung von Mistelpräparaten in der palliativen Therapie vorsehen. Im Fall der Klägerin sei Helixor aber in der adjuvanten Therapie eingesetzt worden.

Dagegen richtet sich die am 28.7.2006 vor dem Sozialgericht Speyer erhobene Klage der Klägerin.

Die Klägerin meint, die AMR würden in Ziffer 16.5 eine Ausnahme für die Erstattungsfähigkeit anthroposophischer Arzneimittel bei bestimmten schwerwiegenden Erkrankungen vorsehen. Hierzu gehören insbesondere die in Ziffer 16.4.27 der AMR genannten malignen Tumore. Eine Beschränkung auf die palliative Therapie ergebe sich aus den AMR nicht, so dass die Verordnungsfähigkeit zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung auch in der adjuvanten Therapie gegeben sei. Dass der behandelnde Arzt systemwidrig ein Privatrezept verwendet habe und keine vertragsärztliche Verordnung, könne nicht zulasten der Klägerin gehen.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 5.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für das Arzneimittel Helixor A in Höhe von 328,00 Euro zu erstatten. Mit Schriftsatz vom 31.5.2007 hat sie die Klage betreffend die Rezepte vom 5.4.2006, 22.4.2006 und 4.5.2006 teilweise zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 5.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für das Arzneimittel Helixor A in Höhe von 186,34 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheids.

Das Gericht hat einen Befundbericht beim Arzt Dr. S. eingeholt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der m...

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