Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Schuldenübernahme. Rechtfertigung des Erhalts der Wohnung. abstrakte Angemessenheit der Unterkunftskosten. drohende Wohnungslosigkeit

 

Orientierungssatz

1. Grundsätzlich wird für eine Übernahme der Schulden zu fordern sein, dass die laufenden Kosten für die Unterkunft abstrakt angemessen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 sind. Der mit der Übernahme der Schulden bezweckte langfristige Erhalt einer Wohnung erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was innerhalb des nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 in Bezug zu nehmenden Vergleichsraumes von dem Träger der Grundsicherung zu übernehmen ist (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R = BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 26).

2. Drohende Wohnungslosigkeit bedeutet den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten. Eine den Angemessenheitskriterien entsprechende Wohnung muss dabei konkret für den Hilfebedürftigen anmietbar sein. Ersatzwohnungen stehen beispielsweise dann zur Verfügung, wenn der Träger der Grundsicherung auf ein sog "geschütztes Marktsegment" zurückgreifen kann und dem Hilfebedürftigen eine Ersatzwohnung anbietet bzw vermittelt (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R aaO, RdNr 30).

 

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, sich gegenüber dem A., B.-str. 2, C-Stadt zur Befriedigung der Mietschulden des Antragstellers zu verpflichten, deren Begleichung das Amtsgericht Passau im Verfahren ... bei Weiterbestehen des Mietverhältnisses für das Unwirksamwerden der vom Vermieter am 06.11.2020 ausgesprochenen Kündigung für erforderlich ausspricht.

2. Im Falle eines vom Amtsgericht Passau festgestellten weiteren Bestehens des Mietverhältnisses durch Nachholung der ausstehenden Mietzahlungen wird der Antragsgegner vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller die vom Amtsgericht bezifferten Mietschulden darlehensweise zu gewähren.

3. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 3/4 zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Antragsverfahren die vorläufige Übernahme der Mietschulden beim A. zur Sicherung seines Wohnraumes.

Der Antragsteller steht seit 2016 im laufenden Leistungsbezug beim Antragsgegner. Er bewohnte seit dem Jahr 2014 bis zum Tod seiner Mutter am 16.06.2020 mit dieser gemeinsam eine 46 qm große 2-Zimmer-Wohnung in einer Seniorenwohnanlage in der F.-Straße in A-Stadt zu einer Kaltmiete in Höhe von 239,20 € zuzüglich 73,60 € Nebenkosten- und 73,60 € Heizkostenvorauszahlung. Ausweislich des Mietvertrages vom 08.10.2014 war die Mutter des Antragstellers Mieterin der Wohnung. Der Antragsteller lebte mietfrei im Haushalt seiner Mutter. Es handelt sich um preisgebundenen Wohnraum des sozialen Wohnungsbaus, für welchen ein gültiger Wohnberechtigungsschein erforderlich ist.

Nach dem Tod der Mutter des Antragstellers kündigte der Vermieter gegenüber dem Kläger das Mietverhältnis und drohte an, die Schlösser auszuwechseln. Mit Beschluss vom 29.06.2020 untersagte das Amtsgericht Passau dem C., den Besitz des Antragstellers an der Wohnung zu beeinträchtigen, insbesondere Schlösser auszutauschen oder ihn am Betreten der Wohnung zu behindern.

Am 29.06.2020 bat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Bezirksverband um Bestätigung, dass der Antragsteller gemäß § 563 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 4 Abs. 7 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in den Mietvertrag vom 08.10.2014 eingetreten sei. Anderenfalls würde der Bestand des Mietverhältnisses gerichtlich festgestellt werden müssen.

Mit Schriftsatz vom 03.07.2020 sprach der Bevollmächtigte des C. es gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die außerordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin aus. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses sei bereits nicht möglich, weil kein Wohnberechtigungsschein vorliege. Außerdem bestünde mit der Fortsetzung kein Einverständnis, nachdem bereits in der Vergangenheit Abmahnungen erfolgt seien, weil sich der Antragsteller ohne Erlaubnis in den Räumlichkeiten der Mutter aufgehalten habe. Einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses werde widersprochen.

Mit Schreiben vom 15.07.2020 erklärte der C., dass keine Zugehörigkeit des Antragstellers zum Haushalt seiner Mutter im Sinne des § 563 BGB vorgelegen habe, das bloße Zusammenleben keine gemeinsame Haushaltsführung impliziere. Wiederholt wurde die außerordentliche Kündigung ausgesprochen.

Am 14.07.2020 wurde dem Antragsteller ein Wohnberechtigungsschein ausgestellt und dem Vermieter in der Folge übermittelt.

Im Verfahren vor dem Amtsgericht Passau, Az:, auf Erteilung einer Mietbescheinigung, erklärte der C. als Beklagter und Widerkläger am 06.11.2020 die außerordentliche, sowie hilfsweise die ordentliche, Kündigung zum nächstmöglichen Termin. Der Antragsteller sei seiner Zahlungspflicht nicht...

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