Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenversicherung: Gewährung von Insolvenzgeld. Insolvenzgeldgewährung bei Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse und von Beginn an bestehender Zahlungsunfähigkeit. Ausschluss des Insolvenzgeldanspruchs bei Betriebsübergang auf einen Dritten. Insolvenzgeldanspruch bei Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts in Bezug auf die Arbeitsleistung durch einen Arbeitnehmer

 

Orientierungssatz

1. Wurde ein Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt, kommt es bei der Entscheidung über die Gewährung von Insolvenzgeld für die Arbeitnehmer nicht darauf an, ob bereits bei der Aufnahme des Betriebs des Unternehmens eine Zahlungsunfähigkeit bestand (Anschluss LSG Stuttgart, Urteil vom 20.10.2017, Az. L 8 AL 1845/16).

2. Ein Insolvenzgeldanspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Dritter in die Zahlungspflichten des insolventen Arbeitgebers - etwa im Rahmen eines Betriebsübergangs - eintritt, da der Arbeitnehmer sich zur Realisierung seines Arbeitsentgeltanspruches ausschließlich an seinen Arbeitgeber halten muss und im Hinblick auf Insolvenzgeld nicht auf die Zahlungsbereitschaft Dritter verwiesen werden kann.

3. Hat ein Arbeitnehmer aufgrund eines Lohnrückstandes des Arbeitgebers in zulässiger Weise ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend gemacht, steht dies einem Anspruch auf Insolvenzgeld nicht entgegen.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 24.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2015 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 12.12.2014 bis 06.01.2015 Insolvenzgeld in Höhe von 368,57 € zu gewähren.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auch für die Zeit vom 12.12.2014 bis 06.01.2015 Anspruch auf Insolvenzgeld hat.

Die am ... 1987 geborene Klägerin ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte und war seit dem 20.08.2014 bei der ... Verwaltungs GmbH (...) sozialversicherungspflichtig beschäftigt (vergl. Arbeitsvertrag vom 19.08.2014, Bl. 67ff der Verwaltungsakte). Zuvor war sie bereits für unterschiedliche Arbeitgeber tätigt, zuletzt für eine Anwaltskanzlei in Rastatt.

Auf Antrag der AOK vom 30.10.2014 ordnete das Amtsgericht Baden-Baden durch Beschluss vom 13.11.2014 (Az. 11 IN 384/14, Falz 2/Bl. 1 der Verwaltungsakte) zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiliger Veränderung gemäß §§ 21, 22 InsO die vorläufige Insolvenzverwaltung der ... an und bestimmte Rechtsanwalt ... zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 26.11.2014 beantragte auch die ... selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschlüssen vom 13.07.2015 wies das Amtsgericht die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab.

Nachdem die Klägerin am 17.11.2014 die letzte Gehaltszahlung (zweiter Abschlag für den Monat Oktober 2014) erhalten hatte, ließ sie sich durch einen Rechtsanwalt über ihre arbeitsrechtlichen Möglichkeiten beraten. Auf dessen Rat hin setzte sie der ... am 08.12.2014 eine Nachfrist zur Begleichung des rückständigen Lohns bis zum 12.12.2014 und kündigte für den Fall der Nichtbegleichung an, ihre Arbeitskraft zurückzubehalten. Ab dem 13.12.2014 (Samstag) hielt sie fortan ihre Arbeitskraft zurück.

Gleichzeitig beantragte sie am 15.12.2014 bei der Beklagten Insolvenzgeld und gab an, für November 2014 und (die erste Hälfte des Monats) Dezember 2015 den vereinbarten Lohn von 1.600,00 € Brutto und 1.140,41 € netto im Monat nicht erhalten zu haben.

Zusätzlich meldete sich die Klägerin am 15.12.2014 persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches die Beklagte mit Bescheid vom 16.03.2015 (B. 140ff der Gerichtsakte) in Höhe von kalendertäglich 25,43 € für der Zeit vom 15.12.2014 bis 06.01.2015 (insgesamt 584,89 €) bewilligte.

Mit Schreiben vom 22.12.2014 (Falz 3/Bl. 10 f. der Verwaltungsakte) kündigte H. F. als Geschäftsführer mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters Rechtsanwalt ... das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.01.2015, stellte sie mit sofortiger Wirkung unwiderruflich frei und teilte mit, dass für den Zeitraum der Freistellung keine Lohnzahlungen mehr erfolgen würden.

Zum 07.01.2015 kündigte die Klägerin das mit der ... bestehende Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund und nahm ab dem 07.01.2017 eine Tätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte bei ihrem nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten auf.

Die Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis von einer vermeintlichen Fortführung des Betriebes bzw. einer Übernahme der Arbeitsverhältnisse durch die ... GmbH (...).

Auf Anfrage der Beklagten teilte der vorläufige Insolvenzverwalter diesbezüglich mit (Falz 2/Bl. 52 der Verwaltungsakte), der Geschäftsbetrieb der ... sei zum 11.1.2.2014 vollständig eingestellt worden und nahm insoweit auf die Massenentlassungsanzeige (Falz 2/Bl. 33 der Verwaltungsakte) Bezug. Von einem Übergang der Arbeitsverhältnisse auf eine andere Fi...

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