Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. Vorliegen eines schlüssigen Konzepts. Rückgriff auf qualifizierten Mietspiegel. Anmietbarkeit angemessener Unterkünfte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Schlüssigkeit des Konzepts über die Angemessenheit der Unterkunftskosten in der Stadt Dessau-Roßlau. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Richtlinie ist auf deren Schlüssigkeit und Plausibilität beschränkt.

2. Durch den Rückgriff auf die Daten aus dem konkreten Mietspiegel wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden (vgl BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 70).

3. Die Erweiterung des Datenbestandes auf Bestandsmieten, die über einen Vier-Jahres-Zeitraum hinausreichen, ist im Hinblick auf die Methodenfreiheit im Rahmen der Datenauswertung nur dann ohne Auswirkung, wenn ein angespannter Wohnungsmarkt verneint werden kann und im Wege einer Korrekturrechnung das (abstrakte) Vorhandensein ausreichend anmietbarer Wohnungen nachgewiesen wird.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) für den Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Unterkunftskosten.

Der 1955 geborene Kläger beizieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er lebt in einer 55,99 Quadratmeter großen Wohnung in Dessau-Roßlau ... Die monatlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung betragen insgesamt 386,95 Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Grundmiete in Höhe von 279,95 Euro - entsprechend der Mietbescheinigung vom 16. September 2011 und den Angaben auf dem Weiterbewilligungsantrag -, den Betriebskosten in Höhe von 63,00 Euro sowie den Heizkosten in Höhe von 44,00 Euro. Die Wohnung wird mit Erdgas beheizt.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2015 wies der Beklagte den Kläger erstmals auf die Unangemessenheit seiner Unterkunftskosten hin (sogenannte Kostensenkungsaufforderung). Darin heißt es unter anderem, dass die derzeitig gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 373,00 Euro befristet für den Zeitraum von sechs Monaten ab März bis August 2015 übernommen werden würden.

Am 30. Juli 2015 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag.

Mit Bescheid vom 5. August 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich insgesamt 726,50 Euro. Als Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigte der Beklagte die Aufwendungen des Klägers in Höhe von monatlich 327,50 Euro. Die monatliche Differenz zu den tatsächlichen Aufwendungen beträgt 59,45 Euro.

Gegen den Bescheid vom 5. August 2015 erhob der Kläger Widerspruch, ohne diesen zunächst weiter zu begründen. Die Begründung mit Schreiben vom 16. September 2015 ging am 22. September 2015 nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens ein. Darin trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass das Konzept zur Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht schlüssig sei. Zu den ermittelten Werten sei ausreichend Wohnraum nicht vorhanden.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2015 (W 1533/15) zurück.

Der Kläger hat gegen die Entscheidung des Beklagten am 24. September 2015 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben. Für die in der Richtlinie vorgegebenen Mietobergrenzen seien keine Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt der Stadt Dessau-Roßlau verfügbar. Die ausreichende Verfügbarkeit von Wohnungen könne dem qualifizierten Mietspiegel nicht entnommen werden. Die Unterkunftskosten seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Die Kürzung sei rechtswidrig. Im Übrigen führe eine Wirtschaftlichkeitsprüfung dazu, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen seien.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 5. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner Verwaltungsentscheidung und an der Richtlinie fest. Ferner seien neue rechtserhebliche Gesichtspunkte nicht vorgetragen worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf den Inhalt des beigefügten Vorgangs sowie den Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Änderungsbescheid vom 29. November 2015 hat der Beklagte die Leistungen an die zum 1. Janua...

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