Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung von Krankentransportleistungen zur ambulanten Behandlung. Abgrenzung zwischen einfacher Krankenfahrt und qualifiziertem Krankentransport. ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung. Kontrollpflichten der Krankentransportunternehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die ärztliche Verordnung eines (qualifizierten) Krankentransports nach § 60 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 5 ergibt sich nicht allein daraus, dass auf der vertragsärztlichen Verordnung das Feld für Krankentransportwagen angekreuzt ist.

2. Fehlt in der Verordnung die Angabe der Notwendigkeit einer fachlichen Betreuung des Versicherten während der Krankenbeförderung, kann sich diese im Einzelfall aus der ärztlichen Begründung des Beförderungsmittels ergeben.

3. Der Krankentransportunternehmer hat auf eine vollständig ausgefüllte Verordnung hinzuwirken. Bedarf es keiner Vorabgenehmigung, trägt der Unternehmer bei Zweifeln an der Verordnung der Krankentransportleistung das Vergütungsrisiko.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 88,84 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 28. April 2008 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 EUR zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Vergütung für einen Krankentransport.

Der Kläger ist ein nach dem Rettungsdienstgesetz Berlin konzessierter Unternehmer im Krankentransport mit Sitz in Berlin, die Beklagte eine Ortskrankenkasse.

Die Beteiligten haben in einer "Vereinbarung gemäß § 133 SGB V über Krankentransporte mit Krankentransportwagen" vom 13. März 2006 in § 3 Abs. 3 vereinbart:

"Ein gegenüber der Krankenkasse abzurechnende Auftrag darf vom Leistungserbringer nur angenommen werden, wenn eine ärztliche Verordnung der Leistung in der jeweiligen gültigen, zwischen Krankenkassen und Verordnern vereinbarten Form vorliegt. Der Leistungserbringer und seine Mitarbeiter haben bei der Annahme genehmigungsfreier Fahrten darauf hinzuwirken, dass ausschließlich Aufträge angenommen werden, wenn für den Versicherten entsprechend dem Krankentransport-Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V ein Transport nur mit einem Krankentransportwagen möglich und zwingend medizinisch notwendig ist."

Nach § 1 Abs. 3 der Tarifvereinbarung 002 "KTW Standard" vom 13. März 2006 wurde zwischen den Beteiligten vereinbart:

"Abweichend von § 3 Abs. 3 der Vereinbarung gemäß § 133 SGB V muss bei Fahrten deren Zielort in dem in Anlage 2 zu dieser Tarifvereinbarung definierten Fahrgebiet liegt, vor Durchführung der Leistung keine zusätzliche Genehmigung von der Krankenkasse beantragt werden." Anlage 2 zeigt das Stadtgebiet Berlin.

Für die Erbringung von einfachen Krankenfahrten besteht zwischen den Beteiligten keine vertragliche Vereinbarung.

Am 11. April 2007 verordnete der inzwischen verstorbene Arzt Dr. D… dem damals 72jährigen Versicherten B… eine Krankenbeförderung zur ambulanten Behandlung beim Vertragsarzt in Berlin. Hierzu füllte er die Verordnung einer Krankenbeförderung auf dem üblichen Formular aus. Dabei setzte er ein Kreuz im Feld "Krankentransportwagen" und im Feld "Tragestuhl". Angaben zur medizinisch-fachlichen Betreuung macht er nicht, notierte jedoch im Feld "Begründung des Beförderungsmittels": "E 14.70 Diab. Fußsyndrom bei PAVK Stad. IV mit Ulcera".

Die Verordnung übersandte der Kläger am 11. April 2007 um 9:42 Uhr der Beklagten und führte um 10:05 Uhr die Beförderung aus. Am 12. April 2007 stellt der Kläger der Beklagte für die Krankenbeförderung (Hin- und Rückfahrt) ein Entgelt von 88,84 EUR in Rechnung. Dieses setzt sich aus der - für Krankentransporte - vereinbarten Vergütung von 49,42 EUR je Fahrt abzüglich einer Zuzahlung des Versicherten vom 10,00 EUR zusammen. Die Höhe der Vergütung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die Beklagte verweigerte die Zahlung mit Schreiben vom 24. April 2007 mit der Begründung, dass kein (qualifizierter) Krankentransport verordnet war, sondern lediglich eine einfache Krankenfahrt mit Tragestuhl, so dass sie die abgerechnete Vergütung nicht schulde. Der Kläger beauftragte den Bevollmächtigten mit der Geltendmachung der Forderung. Hierzu fertige dieser am 16. Juli 2010 ein Anwaltsschreiben. Hierfür fielen Anwaltsgebühren von 46,41 EUR an. Hierauf antwortete die Beklagte nicht. Daraufhin erhob der Kläger am 31. Dezember 2010 Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Er ist der Ansicht, eine der Verordnung entsprechende Leistung erbracht und abgerechnet zu haben und verlangt die Vergütung und Ersatz der entstandenen Verzugsschäden. Mit der Eintragung eines Kreuzes im Feld “Krankentransport„ der Verordnung habe der Arzt unzweifelhaft einen qualifizierten Krankentransport verordnet.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 88,84 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 24. April 2008 zu...

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