Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Pflegebedürftiger der Pflegegrade 2 bis 5

 

Orientierungssatz

1. Nach § 61 Abs 1 S 2 SGB 12 in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung konnten auch Kranke und behinderte Menschen, die nicht zumindest erheblich pflegebedürftig waren und dementsprechend nur einen unterhalb der Pflegestufe 1 liegenden Bedarf hatten, Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB 12 erhalten.

2. Nach den nunmehr einschlägigen §§ 61, 63 SGB 12 in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung haben nur Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 Anspruch auf Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege.

 

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose des schizophrenen Formenkreises. Zu keinem Zeitpunkt ist bei ihm eine Pflegebedürftigkeit im Umfang zumindest der Pflegestufe 1 ("erheblich pflegebedürftig") gem. §§ 14, 15 des Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung festgestellt worden. Er erhielt von der Antragsgegnerin seit 1997 Hilfe zur Pflege als Leistung der Sozialhilfe durch Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes (monatlich ca. 250 bis 300 EUR). Desweiteren erhält er Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach Einholung eines Pflegegutachtens des MDK Nordrhein vom 07.02.2017, in dem festgestellt wurde, dass beim Antragsteller kein Pflegegrad besteht, und Anhörung des Antragstellers hob die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 07.04.2017 ihren Bescheid vom 31.10.1997 bezüglich der Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes mit Wirkung ab 01.05.2017 auf und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Am 26.04.2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Am 05.05.2017 hat er gegen den Bescheid vom 07.04.2017 Widerspruch eingelegt. Er trägt vor, er sei nun, da nach 20 Jahren die Kosten für notwendige Leistungen zur Pflege vom Amt nicht mehr übernommen werden, ungleich schlechter gestellt als je zuvor. Er sei nach wie vor nicht in der Lage, für seine hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und seine Hygiene zu sorgen, und deshalb auf Sozialhilfeleistungen angewiesen.

II. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (des Widerspruchs vom 05.05.2017 gegen den Bescheid vom 07.04.2017) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Statthafter Rechtsbehelf ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme einer Leistungsbewilligung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, da es sich bei der Rücknahme der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII nicht um Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG handelt (Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11 Aufl. 2014, § 86a Rdnr. 16c m.w.N.). Die Antragsgegnerin hat jedoch im Bescheid vom 07.04.2017 die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsaktes angeordnet, wodurch nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die aufschiebende Wirkung des dagegen erhobenen Widerspruchs vom 05.05.2017 entfällt. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag hat Erfolg, wenn die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde in formeller Hinsicht fehlerhaft ist oder im Rahmen der materiellen Prüfung die Abwägung das Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin ist formell rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG der schriftlichen Begründung. Die schriftliche Begründung muss sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die die Behörde in ihre Entscheidung einbezogen hat. Sie muss außerdem erkennen lassen, warum in diesem konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Betroffenen überwiegt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.12.2008 - L 7 SO 62/08 B ER m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist die Begründung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.04.2017 nicht zu beanstanden, weil sie auf den Einzelfall bezogen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit verdeutlicht hat. Im Übrigen hält die vorgenommene Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit öffentlichen Interessen der gerichtlichen Überprüfung stand.

Prüfungsmaßstab für das Gericht ist bei der Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Erfolgsaussicht der Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid, dessen sofortige Vollziehung die Behörde angeordnet hat. Ist die...

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