Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. gerichtliche Überprüfung. sofortige Vollziehung offensichtlich rechtmäßiges Auskunftsverlangen nach § 117 SGB 12 gegenüber dem Ehegatten des Unterhaltspflichtigen. Nachrang der Sozialhilfe. Vollzugsinteresse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Leistungsträger nach § 86a Abs 2 Nr 5 SGG bedarf grundsätzlich eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses, das nicht allein die Rechtmäßigkeit des Bescheides zu begründen vermag.

2. Bei einer gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG) darf hingegen verstärkt die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Bescheides bei der Abwägung von Vollziehungs- und Aussetzungsinteresse Berücksichtigung finden, weil sie eine richterliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage einbezieht. Dadurch verringern sich die Anforderungen an ein besonderes Vollziehungsinteresse, ohne es vollständig entbehrlich zu machen.

3. Bei einer Anordnung der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Auskunftsverlangens nach § 117 SGB 12, kann im Rahmen der gerichtlichen Prüfung bereits der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe (§ 2 SGB 12) ein ausreichendes Vollziehungsinteresse begründen.

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens des Sozialhilfeträgers nach § 117 SGB 12 gegenüber dem Ehegatten eines Unterhaltspflichtigen im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 94 SGB 12.

 

Normenkette

SGB XII §§ 2, 117; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 Nr. 2

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.

II. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind auch nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am 13. Mai 2008 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main (SG) vom 14. April 2008 mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2008 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2007 anzuordnen,

ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vor.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner ist formell rechtmäßig, insbesondere die Begründung genügt den besonderen Erfordernissen.

Gleichermaßen wie bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bedarf sie auch im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren einer besonderen Begründung. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG bestimmt ausdrücklich, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung ist Ausfluss der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Die Begründungspflicht gewährleistet nicht nur, dass die Behörde sich selbst kontrolliert und eine Übersicht über die Interessengegensätze gewinnt. Die Begründung schafft insbesondere auch Transparenz und Rechtsklarheit für den Betroffenen und eröffnet ihm die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten. An die Begründungspflicht nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG sind daher hohe Anforderungen zu stellen. Die schriftliche Begründung muss nicht nur sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die die Behörde in ihre Entscheidung einbezogen hat. Sie muss außerdem erkennen lassen, warum in diesem konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Betroffenen überwiegt (s. zu Vorstehendem auch Hessisches Landessozialgericht, 23.12.2005 - L 7 AL 228/05 ER - m.w.N.). Schließlich muss die Behörde darlegen, inwieweit die Anordnung der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht (LSG Niedersachsen-Bremen, 10.8.2006 - L 8 SO 69/06 ER; 30.9.2002 - L 4 KR 122/02 ER).

Nach diesem Maßstab ist die Begründung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. Juni 2007 nicht zu beanstanden, weil sie auf den Einzelfall bezogen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit verdeutlicht hat. Zwar lässt die Begründung keine gesonderte Prüfung erkennen, ob die Anordnung der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das ist im vorliegenden Fall aber noch gerade als unschädlich anzusehen, weil der Antragsgegner nicht mit einem milderen Mittel das Auskunftsziel erreichen kann.

Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.

Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Ist Gegenstand des Antrags eine behördliche, nicht gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung, ist gerichtlich allein zu klären, ob entgegen der gesetzlichen ...

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