0 Rechtsentwicklung

 

0 1

Die Vorschrift ist mit Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I. S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2018 in das SGB IX eingefügt worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Gesetzgeberisches Ziel der Einfügung des neuen Leistungstatbestandes war es, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeizuführen. Die in der Vorschriften genannten Assistenzleistungen dienen der selbstbestimmten Alltagsbewältigung und Tagesstrukturierung. Ausreichend ist dabei grundsätzlich, dass diese Ziele längerfristig erreicht werden können (BR-Drs. 428/16 S. 262). Assistenzleistungen können auch im Rahmen des Persönlichen Budgets erbracht werden.

 

Rz. 3

In der Gesetzesbegründung zu § 78 ist ausdrücklich ausgeführt, dass mit dem neuen § 78 keine neuen Leistungen verbunden sind. Die entsprechenden Leistungen wurden bis zum 31.12.2017 über andere Leistungstatbestände, wie insbesondere dem bisherigen § 55 Abs. 2 Nr. 6 (Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) oder§ 55 Abs. 2 Nr. 7 (Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen oder kulturellen Leben) erbracht.

2 Rechtspraxis

2.1 Umfang der Assistenzleistungen (Abs. 1)

 

Rz. 4

Nach Abs. 1 Satz 1 werden Leistungen für Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstruktur erbracht. Der Begriff "Assistenz" bringt in Abgrenzung zu förderzentrierten Ansätzen der Betreuung ein verändertes Verständnis von professioneller Hilfe zum Ausdruck. Die Leistungsberechtigten sollen dabei unterstützt werden, ihren Alltag selbstbestimmt zu gestalten. Assistenzleistungen kommen für alle Leistungsberechtigten in Betracht und zwar unabhängig von der Art ihrer Behinderung. Leistungsberechtigte sind Menschen mit Behinderung i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1. Dies sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigung haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können. Menschen, die von Behinderung bedroht sind, unterliegen nicht der Vorschrift.

 

Rz. 5

In Satz 2 sind die Assistenzleistungen beschrieben. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeine Erledigung des Alltags wie der Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltungen einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistung.

 

Rz. 6

Schließlich umfassen die Assistenzleistungen nach Satz 3 auch die Verständigung mit der Umwelt in dem in Satz 2 genannten Bereich.

2.2 Entscheidung und Erbringung der konkreten Assistenzleistung (Abs. 2)

 

Rz. 7

Die Leistungsberechtigten entscheiden auf der Grundlage des Teilhabeplans nach § 19 über die konkrete Gestaltung der Leistungen hinsichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruchnahme, Abs. 2 Satz 1. Der Leistungsberechtigte hat also das Recht, die Personen, die die Asssistenzleistungen erbringen, selbst auszuwählen (Personalkompetenz). Er hat das Recht, selbst über Einsatzzeiten und die Struktur der Assistenz zu entscheiden (Organisationskompetenz). Dem Leistungsberechtigten steht zudem auch eine Anleitungskompetenz zu. D.h. er hat das Recht der Entscheidung über Form, Art, Ablauf und der Gestaltung der Leistungen sowie den Ort der Leistungserbringung. Die Wünsche der Leistungsberechtigten sind zu berücksichtigen, soweit sie angemessen sind (BR-Drs. 428/16 S. 262). In diesem Rahmen kann die leistungsberechtigte Person über den Leistungsanbieter sowie in Absprache mit ihm über die Person des Assistenten, über Art, Zeiten, Ort und Ablauf der Assistenzleistung entscheiden.

 

Rz. 8

Satz 2 trägt nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung, dass Assistenzleistungen eine große Spannbreite mit unterschiedlichen individuellen Zielsetzungen aufweisen können. Damit einhergehen auch Unterschiede in der konkreten Ausführung der Leistungen. Die Leistungen umfassen nach Satz 2 Nr. 1 die vollständige und teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie die Begleitung der Leistungsberechtigten. Nr. 1 ermöglicht es also, dass die Aufgabe bzw. Handlung als Assistenzleistung von einer Assistenzkraft vollständig oder nur teilweise übernommen wird.

 

Rz. 9

Nach Satz 2 Nr. 2 umfassen die Leistungen auch die Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung. Nr. 2 resultiert aus der Überlegung, die Selbstbestimmung und Selbständigkeit des Menschen mit Behinderung durch entsprechende Beratungsleistungen zu stärken. Assistenzleistung nach Nr. 2 können daher die Beratung und Anleitung zur Lebensgestaltung und Planung bei der Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen sein (BR-Drs. 428/16 S. 263). Die Anforderungen an die Assistenzkräfte sind im Leistungserbringungsrecht geregelt. Sie müssen u. a. über die Fähigkeit zur Kommunikation mit dem Leistungsberechtigten in einer für die Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Form...

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