Rz. 37a

Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bezieht sich auf die Fälle mit verkürzter Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 2 auf 6 Monate. Auch für diese Anwartschaftszeiten gilt grundsätzlich ein Bemessungsrahmen von einem Jahr (Abs. 1). Allein die verkürzte Anwartschaftszeit stellt keinen Grund dafür dar, den Bemessungsrahmen zu verändern, weil auch die verkürzte Anwartschaftszeit durch Versicherungspflichtzeiten innerhalb der regulären Rahmenfrist nach § 143 – im Regelfall 2 Jahre – begründet worden ist.

 

Rz. 37b

Anwartschaftszeiten nach § 142 Abs. 2 weisen jedoch einige Besonderheiten auf. Zunächst liegt es in der Natur der Sache, dass bei einer Anwartschaftszeit von 6 Monaten, die gegenüber der Regelanwartschaftszeit von 12 Monaten mit Hälfte der Versicherungspflichtzeiten erworben werden kann, im Bemessungsrahmen schon erheblich weniger Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt liegen können. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass Anwartschaftszeiten nach § 142 Abs. 2 maßgeblich, in der Regel jedenfalls überwiegend aus bis zu 6 Wochen befristeten Beschäftigungsverhältnissen gebildet worden sind. Bei einer Vielzahl kurzer Beschäftigungsverhältnisse steigt das Risiko, dass im Bemessungsrahmen enthaltene Entgeltabrechnungszeiträume nicht in den Bemessungszeitraum eingehen können, weil sie beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis noch nicht abgerechnet worden sind (vgl. Rz. 10). Es ist regelmäßig zu erwarten, dass bei einer Anwartschaftszeit von 6 Monaten keine genügende Anzahl von Entgeltabrechnungszeiträumen zur Verfügung steht, die in den Bemessungszeitraum eingehen dürfen und zusammen mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten. Eine Erweiterung des Bemessungsrahmens würde dadurch zum Regelfall.

 

Rz. 37c

Diese Überlegungen reichen bereits dafür aus, den Bemessungszeitraum so auszugestalten, dass im Regelfall aus der erworbenen Anwartschaftszeit heraus auch die Bemessung vorgenommen werden kann. Der Gesetzgeber hat angenommen, dass dies der Fall ist, wenn 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum vorliegen. Ob dies zutrifft, kann Gegenstand der Evaluation des § 142 Abs. 2 durch die Wirkungsforschung des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sein (vgl. Gesetzesbegründung zum früheren § 123 Abs. 2 [seit 1.4.2012 § 142 Abs. 2], BT-Drs. 16/13424, dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages wird jährlich berichtet). Die Verlängerung der Regelung bis zum 31.7.2021 und die politische Absicht, die Bezugsbedingungen für das Alg bei dem betroffenen Personenkreis weiter zu verbessern, lassen erwarten, dass § 142 Abs. 2 letztlich doch ausgeweitet werden wird.

 

Rz. 37d

Durch die Ausgestaltung des Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 wird jedoch darüber hinaus eine häufige Verfälschung des Bemessungsergebnisses vermieden, die dazu führen müsste, § 142 Abs. 2 insgesamt in Frage zu stellen, weil nicht nur ein vereinfachter Zugang zum Alg für einen begrenzten Personenkreis ermöglicht würde, sondern auch das Risiko eines gegenüber den übrigen Arbeitnehmern, die die Regelanwartschaftszeit zu erfüllen haben, höheren Alg besteht, dass gerade von diesen und ihren Arbeitgebern finanziert werden muss. § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 fordert nämlich zusätzlich, dass der begünstigte Arbeitnehmer im letzten Jahr vor seiner Beschäftigungslosigkeit kein überdurchschnittliches Arbeitsentgelt erzielt haben darf. Bei einer Erweiterung des Bemessungsrahmens auf 2 Jahre könnten aber – bei Erfüllung des § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 – Entgeltabrechnungszeiträume mit besonders hohen Verdiensten, die von der Jahresfrist des § 142 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 nicht erfasst werden, nunmehr in den Bemessungszeitraum eingehen. Dies wird durch Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 auf Ausnahmefälle beschränkt. Da ein solch unverhältnismäßig hohes Arbeitsentgelt nicht gewiss ist, können die Ausnahmefälle von der Versichertengemeinschaft hingenommen werden, weil dieses Risiko auch bei der Erweiterung des Bemessungsrahmens nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 besteht. Im Übrigen wird durch Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 erreicht, dass fiktive Bemessungen weitgehend vermieden werden können, weil diese nach Annahme des Gesetzgebers wegen verschiedener Schwierigkeiten bei der Zuordnung zu Qualifikationsgruppen Probleme in der Praxis der Agenturen für Arbeit bedeutet. Eine Verlängerung des Bemessungsrahmens auf 2 Jahre sollte im Übrigen aber dazu führen, dass eine Bemessung des Alg vorgenommen werden kann, weil ansonsten die verkürzte Anwartschaftszeit nur ausnahmsweise erfüllt sein kann (offene Entgeltabrechnungen). Im Ergebnis wird es häufig zu einer Verlängerung des Bemessungszeitraumes nicht kommen, weil schon die Anwartschaftszeit nach Abs. 2 nicht erfüllt worden ist.

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