Rz. 73

Die kommunalen Träger sind an die Feststellungen der Agentur für Arbeit zur Leistungsberechtigung und zum Umfang der Hilfebedürftigkeit gebunden. Damit steht aufgrund der Feststellung der Agentur für Arbeit bereits fest, dass den leistungsberechtigten Personen grundsätzlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind. Die kommunalen Träger müssen daher die Möglichkeit haben, die Richtigkeit der Feststellung überprüfen zu können. Zudem ist sicherzustellen, dass den Leistungsberechtigten bis zum Abschluss der Überprüfung aufeinander abgestimmte Leistungen gewährt werden.

 

Rz. 73a

Wer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erhält und gleichzeitig einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II angehört, hat allein aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen keinen Anspruch auf (ergänzendes) Bürgergeld. Ein Leistungsanspruch nach den Grundsätzen der gemischten Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln. Dabei ist bei der Leistungshöhe zu beachten, dass die Mitgliedschaft in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft wegen der nicht aufeinander abgestimmten Vorschriften des SGB II und SGB XII den Betroffenen weder zum Nach- noch zum Vorteil gereichen darf. Nicht jeder Unterschied der beiden Leistungssysteme, der eine unterschiedliche Leistungshöhe bedingt, führt zu einem ergänzenden Anspruch auf Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2. Entscheidend ist, dass keine Lücke in der Bedarfsdeckung verbleibt. Nur wenn die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichen, kann dies einen ergänzenden Leistungsanspruch nach dem SGB II begründen. Ist hingegen der Bedarf i. S. d. SGB XII durch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Einkommen gedeckt, verbleibt kein weitergehender Anspruch nach dem SGB II. Unterschiede bei der Einkommensanrechnung zwischen dem SGB II einer- und dem SGB XII andererseits können eine Bedarfsunterdeckung nicht bewirken. Sie sind Ausdruck der Differenzierungen der jeweiligen Leistungssysteme aufgrund der mit ihnen verbundenen unterschiedlichen Zwecke bei einer Massenverwaltung (BSG, Urteil v. 11.11.2021, B 14 AS 89/20 R).

 

Rz. 74

Bezweifelt der kommunale Träger die Feststellungen der Agentur für Arbeit über die Leistungsberechtigung der im Haushalt lebenden Personen oder den Umfang der Hilfebedürftigkeit, kann er innerhalb eines Monats schriftlich widersprechen. Dies gilt nur, wenn seine abweichende Auffassung zu einer Verringerung der von ihm zu tragenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts führen würde. Es geht also nur um finanzielle Interessen des kommunalen Trägers, nicht um seine Rechtsauffassung schlechthin. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der kommunale Träger von der (verwaltungsinternen) Feststellung der Agentur für Arbeit oder dem Bewilligungsbescheid, der die maßgeblichen Festsetzungen trifft, Kenntnis erlangt.

 

Rz. 75

Die Agentur für Arbeit hat die abweichende Rechtsauffassung des kommunalen Trägers innerhalb von 2 Wochen zu überprüfen und ihm das Ergebnis mitzuteilen. Ändert sie die Feststellungen (z. B. auch entsprechend dem Widerspruch des kommunalen Trägers in der für den Leistungsberechtigten maßgeblichen Entscheidung), kann und muss der kommunale Träger ab diesem Zeitpunkt die von ihm zu gewährenden Leistungen entsprechend der dann maßgeblichen Feststellung der Agentur für Arbeit neu festsetzen. Andernfalls hat der kommunale Träger, der durch die Festsetzung der Agentur für Arbeit beschwert ist, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Die Bindung an die Feststellung der Agentur für Arbeit endet ebenfalls mit einer anderen Entscheidung der Agentur für Arbeit in einem Rechtsbehelfsverfahren oder einer gerichtlichen Entscheidung, die der Leistungsberechtigte selbst oder der kommunale Träger herbeiführt. Zur gerichtlichen Klärung kann der kommunale Träger entweder Feststellungsklage oder eine kombinierte Aufsichts- und Feststellungsklage erheben.

Besteht zwischen den Trägern der Grundsicherung Streit darüber, in welchem Umfang der einzelne Leistungsberechtigte hilfebedürftig ist, ist gegen die den kommunalen Träger bindende Feststellung der Agentur für Arbeit die Feststellungsklage statthaft (BSG, Urteil v. 26.11.2020, B 14 AS 47/18 R). Dabei ist einerseits die gesetzgeberische Grundentscheidung zu beachten, Meinungsstreitigkeiten zwischen den Grundsicherungsträgern im Rahmen des § 44a einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Dies wäre regelmäßig unmöglich, würde man nicht jedenfalls aus Gründen tatsächlicher Präjudizialität ein Feststellungsinteresse annehmen. Andererseits wird die Feststellungsklage, deren Klärung aus Gründen tatsächlicher Präjudizialität als berechtigt anzusehen ist, hierdurch nicht zu einem Feststellungsrechtsstreit über abstrakte Rechtsfragen. Feststellungsfähig ist nach wie vor nur das konkrete Rechtsverhältnis, auch wenn es in der Vergangenheit liegt. Nur der Sachverhaltsbezug erlaubt den ...

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