Koalitionsvertrag 2021: Die Pläne im Sozialwesen

"Mehr Fortschritt wagen". So lautet der Titel des Koalitionsvertrages von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wir haben für Sie zusammengefasst, welche Inhalte sich die Parteien der Ampelkoalition bei den Themen Gesundheit und Soziales vorgenommen haben.

Grundsicherung

Die Begriffe Arbeitslosengeld II oder gar Hartz IV sollen als prägende Begriffe im Recht des SGB II abgeschafft werden. Als Nachfolger der beiden ist das neue „Bürgergeld“ angedacht. Nach den Plänen der Ampelkoalition soll es zukünftig digital und unkompliziert zugänglich sein.

Die Anrechnung von Vermögen soll in den ersten zwei Jahren des Leistungsbezugs ausbleiben. 

Gesetzliche Rahmenbedingungen sollen so verändert werden, dass “künftig eine Beratung auf Augenhöhe möglich ist und eine Vertrauensbeziehung entstehen kann.“ Sanktionen bei fehlender Mitwirkung von Leistungsbeziehenden wird es auch weiterhin geben. 

Hinzuverdienstmöglichkeiten sollen so verbessert werden, dass der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit erhöht wird.

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit soll zukünftig nur noch von der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt werden.

Grundsicherung für Kinder

Mit einem Neustart der Familienförderung sollen bisherige finanzielle Unterstützungen (Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie der Kinderzuschlag) in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung gebündelt werden. So soll diese Leistung ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen.

„Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag.“

Krankenversicherung

Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) soll regelhaft dynamisiert werden und so eine stabile und verlässliche Finanzierung der GKV sicherstellen. 

Krankenkassen sollen verstärkt die Möglichkeit erhalten, ihren Versicherten auch monetäre Boni für die Teilnahme an Präventionsprogrammen zu gewähren.

Zu Gunsten verstärkter Prävention und Gesundheitsförderung sollen die Möglichkeiten der Krankenkassen, Beitragsmittel für Werbemaßnahmen und Werbegeschenke zu verwenden, reduziert werden.

Zum Thema Kinderkrankengeld findet sich im Koalitionsvertrag diese Aussage: "Wir werden die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen." Aufgrund der Corona-Pandemie haben GKV-Versicherte aktuell einen erhöhten Anspruch auf Kinderkrankengeld.

Pflegeversicherung

Aktuell liegt der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung bei 3,05 Prozent. Hinzu kommt ein Zuschlag für kinderlose Versicherte in Höhe von 0,25 Prozent (ab 1.1.2022: 0,35 Prozent). Der Koalitionsvertrag sieht eine „moderate Erhöhung“ des Pflegebeitragssatzes vor. Genaue Zahlen sind noch nicht bekannt. 

Das Pflegegeld soll ab kommendem Jahr regelhaft dynamisiert werden.

Eigenanteile für stationäre Heimpflege sollen begrenzt werden. Außerdem will die Ampelkoalition prüfen, ob die Pflegeversicherung um eine „freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung“ ergänzt wird. Ziel ist es, damit die Übernahme der vollen Pflegekosten abzusichern. Experten sollen dazu bis 2023 konkrete Vorschläge vorlegen.

Die Steuerfreiheit für den Pflegebonus soll auf 3.000 Euro angehoben werden.

Rentenversicherung

Das Mindestrentenniveau soll dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll in der anstehenden Legislaturperiode nicht über 20 Prozent steigen. Aktuell liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent.

Mit einer teilweisen Kapitaldeckung der Rentenversicherung möchte die Koalition eine langfristige Stabilisierung von Rentenniveau und -beitragssatz sichern. In einem ersten Schritt soll die Deutsche Rentenversicherung dazu im Jahr 2022 einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro erhalten. Zukünftig soll die Deutsche Rentenversicherung die Möglichkeit erhalten, vorhandene Reserven am Kapitalmarkt anzulegen.

Eine Anhebung des Renteneintrittsalters sieht der Koalitionsvertrag nicht vor. Auch Rentenkürzungen sind kein Thema. 

Die Deutsche Rentenversicherung soll zukünftig dazu verpflichtet sein in der jährlichen Renteninformation auf das Rentensplitting hinzuweisen, welches dann auch unverheiratete Paare nutzen können.

Der Hinzuverdienst bei einem vorzeitigem Rentenbezug soll entfristet werden. Für die Jahre 2020 bis 2022 wurde die Hinzuverdienstgrenze bereits per Verordnung auf ein Vielfaches (46.060 Euro) erhöht. Gesetzlich festgeschrieben sind 6.300 Euro jährlich.

Bereits im letzten Koalitionsvertrag der GroKo war zu lesen, dass eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige eingeführt werden soll. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde bis Ende 2019 angekündigt, kam aber nicht zustande. Im aktuellen Koalitionsvertrag findet sich dieser Punkt wieder. So sollen Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein, sofern sie nicht im Rahmen eines Opt-Outs eine private Absicherung wählen.

Arbeits- und Ausbildungsförderung

Zukünftig soll geprüft werden, ob für Selbstständige ein erleichterter Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung ohne Vorversicherungszeit möglich sein wird. Geschäftsführende einer GmbH (etc.) sollen nach den Plänen der Ampelkoalition ebenfalls Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. 

Das BAföG soll reformiert werden und dabei elternunabhängiger gemacht werden. So soll der elternunabhängige Garantiebetrag im Rahmen der Kindergrundsicherung künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Die Freibeträge und Bedarfssätze sollen deutlich und regelmäßiger erhöht werden, die Altersgrenzen sollen stark angehoben werden. 

Mit einem an das Kurzarbeitergeld angelehntes Qualifizierungsgeld soll  die Bundesagentur für Arbeit die Möglichkeit haben Unternehmen im Strukturwandel so zu unterstützen, dass Beschäftigte durch Qualifizierung im Betrieb gehalten und Fachkräfte gesicherte werden können. 

Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB III sollen bei beruflicher Qualifizierung ein zusätzliches, monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro erhalten 

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Leistungen der Sozialversicherungsträger sollen umfassend digitalisiert werden. So sieht der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vor, dass Information, Beratung, Antragstellung sowie Kommunikation und Abfragen unter den zuständigen Stellen unter Wahrung des Datenschutzes digital und einfach möglich sein sollen. Digitale Verfahren sollen zudem die Qualität analoger Beratungen verbessern.

Telemedizinische Leistungen inklusive Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen sowie Videosprechstunden, Telekonsile, Telemonitoring und die telenotärztliche Versorgung sollen zukünftig regelhaft möglich sein. 

Auch die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept stehen auf der Agenda der neuen Koalitionsparteien.

Gesundheitsversorgung/Gesundheitsförderung

Der Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ soll in den kommenden Jahren weiter gestärkt werden. So sollen die Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichtet werden, mit dem Ziel, Rehabilitationen stärker am Arbeitsmarkt auszurichten. 

Ein „nationaler Präventionsplan sowie konkrete Maßnahmenpakete sollen geschaffen werden.“ Zu den Themen zählen beispielsweise die Alterszahngesundheit, Diabetes, Einsamkeit, Suizid, Wiederbelebung und die Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden.

Hybrid-DRG sollen eine sektorengleiche Vergütung ermöglichen und so die Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen fördern. 

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