Rz. 18

Mit Abs. 1 Satz 3 (bis zum 31.12.2022 Abs. 1 Satz 5) stellt der Gesetzgeber einen zeitlichen Bezug zwischen einer Pflichtverletzung nach § 31 und ihrer Rechtsfolge mit Leistungsminderung durch Minderung des Auszahlungsanspruches her. Nach Ablauf von 6 Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung darf das Jobcenter eine Minderung des Auszahlungsanspruches nach § 31a nicht mehr feststellen. Dabei handelt es sich um eine absolute zeitliche Grenze, die weder verlängert noch verkürzt werden kann (SG Hamburg, Beschluss v. 11.5.2012, S 3 AS 1269/12 ER). Die Regelung dient nach herrschender Auffassung insbesondere der Rechtsklarheit. Durch eine zügige Reaktion auf ein sozialwidriges Verhalten könnte besser verhaltenslenkend auf die Leistungsberechtigten eingewirkt werden. Maßgebender Ausgangspunkt ist der Zeitpunkt der Pflichtverletzung (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 4.3.2013, L 19 AS 1688/12 B). Auf die Gründe für ein Überschreiten der Frist kommt es nicht an. Abs. 1 Satz 3 gilt in gleicher Weise bei besonders schwierigen und zeitaufwendig festzustellenden Minderungssachverhalten, gleich, ob in Bezug auf die Pflichtverletzung oder das Vorliegen eines wichtigen Grundes wie auch bei Versäumnissen der Grundsicherungsstelle oder gar fehlender Mitwirkung bzw. längere Ortsabwesenheit oder in Bezug auf andere in der Sphäre des Leistungsberechtigten liegende Gründe. Selbst vorsätzliche Handlungen des Leistungsberechtigten, die darauf gerichtet sind, die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu verzögern, können eine Fristverlängerung nicht begründen. Die Frist erscheint für spezifische Fälle etwas kurz gegriffen, insbesondere, wenn mehrere erschwerende Umstände zusammenkommen. Hier wäre es auch vertretbar gewesen, die Frist in Anlehnung an diejenige für eine wiederholte Pflichtverletzung auf ein Jahr festzulegen. Zu einem Fristablauf kann es auch dadurch kommen, dass der Minderungsbescheid rechtswidrig ist, weil er mit einer Nebenbestimmung versehen wurde (vgl. dazu Bay. LSG, Urteil v. 26.2.2015, L 11 AS 612/13). Das kann etwa der Fall sein, wenn die Minderung der Leistung für den Fall angeordnet wird, dass ein Weiterbewilligungsantrag ab einem bestimmten Zeitraum gestellt wird, der für eine Weiterbewilligung von Bürgergeld erforderlich ist. Die Nebenbestimmung kann nicht isoliert aufgehoben werden, sie schlägt sich in der Rechtswidrigkeit des Minderungsbescheides insgesamt nieder. Die Feststellungsfrist wird eingehalten, wenn in einem ersten Bescheid die Leistungsminderung festgestellt wird und erst in einem weiteren, späteren Bescheid die genauen Daten zur Umsetzung der Leistungsminderung geregelt werden.

 

Rz. 19

Die Frage, ob ein Amtsverschulden des Jobcenters mit der Folge vorliegt, dass Rückgriffe in Bezug auf den eingetretenen Vermögensschaden wegen der entfallenen Möglichkeit, eine Minderung des Auszahlungsanspruches festzustellen, nicht mehr möglich sind, ist für die Entscheidung nach Abs. 1 Satz 3 unerheblich. Ebenso können organisatorische Gründe, die den Verfahrensablauf im Jobcenter beeinflussen, eine Fristverlängerung nicht begründen. Abs. 1 Satz 3 liegt allerdings eigentlich die Überlegung zugrunde, dass noch am ehesten eine zeitnahe Reaktion auf einen Pflichtverstoß Anlass zur Verhaltensänderung des Leistungsberechtigten gibt. Allerdings besteht das Risiko, dass bei drohendem Fristablauf die erforderliche Sachverhaltsaufklärung ggf. nicht mehr mit der notwendigen Sorgfalt und im erforderlichen Umfang zu Ende geführt wird.

 

Rz. 20

Die Frist nach Abs. 1 Satz 3 darf auch nicht verlängert werden, wenn der Leistungsberechtigte aus dem Leistungsbezug (vorübergehend) ausscheidet. Umgekehrt dürfen Jobcenter gerade nach dem Urteil des BVerfG v. 5.11.2019 nicht in Bezug auf die Bekanntgabe der Minderungsentscheidung disponieren, um der Begrenzung der Leistungsminderung zumindest ein Aufeinanderfolgen entgegenzusetzen.

 

Rz. 21

Die Frist von 6 Monaten beginnt an dem Tage, an dem die Pflichtverletzung nach § 31 begangen wird. Denn das Gesetz selbst sieht die Pflichtverletzung als Fristbeginn. Dafür spricht auch, dass bei klarem Sachverhalt die Minderung des Auszahlungsanspruches bereits an dem Tage der Pflichtverletzung festgestellt werden kann. Das gilt auch für Pflichtverletzungen nach § 32. Bei anderer Auslegung müsste ein an dem Tag der Pflichtverletzung festgestellter verminderter Auszahlungsanspruch als rechtswidrig eingestuft werden, weil die Feststellung sich außerhalb der Frist bewegte. Ein solches leistungsrechtliches Ergebnis wäre mit dem Sinn und Zweck der Regelung nicht vereinbar und sozialpolitisch auch nicht erwünscht.

 

Rz. 22

Die Frist beginnt eben auch dann an dem Tag der Pflichtverletzung, wenn eine solche erst später festgestellt werden kann oder diese dem Jobcenter erst später bekannt wird. Darin liegt gerade der Sinn des Abs. 1 Satz 3. Die Frist läuft kalendermäßig ab. Da sie 6 Monate beträgt, ist sie an dem Tag mit demselben Tagesdatum wie die Pflichtverletzung 6 Monate später abgelauf...

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