0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) ist die Vorschrift mit Wirkung zum 1.4.2011 durch Neufassung des Zweiten Abschnittes des Dritten Kapitels neu in das SGB II eingefügt worden. Dabei ist die ursprüngliche Vorschrift des § 31 über Sanktionen in die §§ 31, 31a, 31b und 32 aufgegliedert worden.

Mit Urteil v. 5.11.2019 hat das BVerfG bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung durch den Gesetzgeber Maßgaben verkündet, unter denen §§ 31a Abs. 1 Satz 1 bis 3, 31b Abs. 1 Satz 3 in den Fällen des § 31 Abs. 1 weiterhin angewendet werden dürfen. Diesen Maßgaben kommt mit Wirkung zum 5.11.2019 Gesetzeskraft zu (Urteil v. 5.11.2019, 1 BvR 7/16, BGBl. I S. 2046).

Durch das Elfte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch v. 19.6.2022 (BGBl. I S. 921) gilt in der Zeit v. 1.7.2022 bis 1.7.2023 ein Sanktionsmoratorium. Während dieser Zeit sind § 31a nicht und § 32 nur ein geschränkt anzuwenden (vgl. § 84).

Durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) v. 16.12.2022 (BGBl. I S. 2328) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.7.2023 neu gefasst.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die §§ 31 bis 32 regeln die Konsequenzen bei sozialwidrigem Verhalten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und anderen Personen, die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft leben. § 31a konkretisiert den Nachranggrundsatz des § 2 und knüpft dazu an Verletzungen der auf Integration in den Arbeitsmarkt bzw. in Erwerbstätigkeit zielenden Obliegenheiten und weiteren Pflichtverletzungen aus § 31 an. Die Regelungen sind weniger scharf als die vollständige Versagung/Entziehung von Leistungen bei Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten nach den §§ 60 ff. SGB I (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 19.1.2011, L5 AS 452/10 B ER). Dabei ist allerdings zu bedenken, dass bei nachgeholter Mitwirkung die Leistung auch für die Vergangenheit vollständig nachgezahlt werden kann (vgl. § 67 SGB I), auch wenn eine solche Entscheidung als Ermessensentscheidung durch das Jobcenter getroffen wird. Das SGB II regelt Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums für Arbeitsuchende und weitere Personen in der Bedarfsgemeinschaft. Nach dem Sozialstaatsgebot und unter Beachtung der Grundrechte der Menschen kann diese Grundsicherung eingeschränkt, aber nicht vollständig gestrichen werden. Andererseits ist der Staat nicht verpflichtet, das sozio-kulturelle Existenzminimum voraussetzungslos ohne jede Mitwirkungsforderung zur Verfügung zu stellen. In welchem Umfang Einschränkungen möglich sind, kann daher im Zweifel nur durch das BVerfG entschieden werden (vgl. dazu das Urteil v. 5.11.2019, 1 BvL 7/16, Kurzdarstellung vgl. Rz. 30d ff.). Nach Auffassung der Bundesregierung waren aus dem Urteil des BVerfG v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09 u. a.) für Leistungsminderungen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende keine Konsequenzen zu ziehen (vgl. BT-Drs. 17/6833). Aus dem die Leistungsminderung feststellenden Bescheid müssen die leistungsmindernde Regelung und der betroffene Zeitraum für den Adressaten unzweideutig erkennbar sein (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11.4.2013, L 20 AS 578/13 B ER). Schon aus dem Verfügungssatz müsse sich unzweifelhaft ergeben, was und von wem die Behörde etwas wolle. Das Leistungsminderungsrecht muss im Ergebnis den für die Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Grundsatz des Förderns und Forderns spiegeln, der auch im Rahmen der Einführung des Bürgergeldes beibehalten worden ist, wenngleich für den Eingliederungsprozess und die Leistungsgewährung neue Maßstäbe gesetzt wurden. Hierbei kommt es auch unter politischen Gesichtspunkten darauf an, ob mit erhöhtem Druck durch Leistungsminderungen auf die Erwerbstätigenbereitschaft der Leistungsberechtigten eingewirkt werden soll oder dieses Recht eher auf das Fördern abgestellt wird. Die Wissenschaft kann eventuell tendenzielle Wirkungen der Leistungsminderungen auf die Arbeitsbereitschaft betroffener Leistungsberechtigter belegen, eine flächendeckende systematische Wirkung lässt sich kaum belegen. Ebenfalls kann nicht eindeutig bewiesen werden, dass Leistungsminderungen gar in Bezug auf die Erwerbstätigkeitsbereitschaft schaden, tendenziell lässt sich dies auch nicht bei jugendlichen Leistungsberechtigten beobachten, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung festgestellt hat. Fest steht allerdings auch, dass bei jugendlichen Leistungsberechtigten nur von einer verringerten Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden kann. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass den Jobcentern ein Instrumentarium an die Hand gegeben werden muss, das sie bei ihrer Eingliederungsarbeit insbesondere auch in den Fällen unterstützen kann, in denen keine oder nur eine geringe Mitwirkungsbereitschaft beim erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vorhanden ist. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, das Instrumentarium der Leistungsmind...

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