Rz. 83

In Fällen des Abs. 1 Satz 2 oder 3, in denen die Leistungsminderung für länger als einen Monat festgestellt wurde, sind die Minderungen nach Abs. 1 Satz 2 und 3 aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Die Vorschrift ist auch in Fällen des Abs. 7 anzuwenden.

Leistungsminderungen sind nach der Gesetzesbegründung nur zumutbar, wenn sie an die Eigenverantwortung der Betroffenen anknüpfen. Deshalb muss es den Betroffenen tatsächlich möglich sein, die Minderung existenzsichernder Leistungen durch eigenes Verhalten abzuwenden oder die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung auch nach einer Minderung wieder zu erhalten. Eine Leistungsminderung ist daher in der Gesamtbetrachtung nur zumutbar, wenn sie grundsätzlich nicht eintritt bzw. dann endet, wenn die Mitwirkung erfolgt oder die zukünftige Bereitschaft erklärt wird. Die Erklärung muss dabei ernsthaft, nachhaltig und insgesamt glaubhaft sein. Es bedarf jeweils einer prognostischen Einschätzung, ob die Erklärung den Rückschluss erlaubt, dass der Leistungsberechtigte in Zukunft seinen Pflichten nachkommen wird. Hierbei sind die Umstände im Einzelfall zu würdigen. Die Minderung ist dann gemäß § 31b Abs. 2 Satz 2 aufzuheben (vgl. BT-Drs. 20/3873).

Voraussetzung für eine Verkürzung der Leistungsminderung ist jedoch, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte die von ihm verlangte Mitwirkungspflicht tatsächlich noch erfüllt oder sich (ersatzweise) nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten zukünftig nachzukommen. Er darf seinen Rechtsstandpunkt beibehalten, wenn die Pflichtverletzung selbst noch umstritten ist. Das Jobcenter darf auch nicht verlangen, dass der Leistungsberechtigte einen beabsichtigten Widerspruch nicht einlegt oder einen solchen zurücknimmt. Das Jobcenter muss in einem solchen Fall nachträglicher Mitwirkung oder gültiger Bereiterklärung die Leistungsminderung zwingend beenden, dem Jobcenter steht hierüber kein Ermessen zu. Hierfür sind auch Gleichbehandlungsgesichtspunkte ausschlaggebend, es soll nicht zu Entscheidungsdifferenzen der Jobcenter in der Verwaltungspraxis kommen. Ob eine Leistung früher oder später wieder vollständig gezahlt wird, hängt vom Einzelfall und insbesondere auch davon ab, wann der Leistungsberechtigte eine ggf. notwendige Bereitschaftserklärung für die Zukunft abgibt. Die Begrenzung der Leistungsminderung ist frühestens ab dem Tag möglich, an dem die Erklärung, den Pflichten nachzukommen, abgegeben wurde. Die Aufhebung der Leistungsminderung richtet sich nach § 31b Abs. 2 Satz 2.

 

Rz. 84

Eine positive Entscheidung nach Abs. 1 Satz 6 ist nach dem Wortlaut des Gesetzes faktisch nur einmal möglich. Es kommt aber auf den jeweiligen Einzelfall an. Käme der Leistungsberechtigte nach einer Entscheidung nach Abs. 1 Satz 3 aufgrund nachträglicher Bereiterklärung erneut seinen Pflichten nicht nach, sodass aufgrund einer erneuten Pflichtverletzung das Bürgergeld zu mindern wäre, ergäbe sich für die dann notwendige weitere Entscheidung nach Abs. 1 Satz 6 die Situation, dass die frühere begünstigende Entscheidung sich als falsch erwiesen hat, sie nicht hätte getroffen werden dürfen, weil die Erklärung des Leistungsberechtigten nicht glaubhaft war. Das Jobcenter kann sie allerdings nicht korrigieren. Aufgrund einer erneuten Erklärung ist auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nur in besonders begründeten Einzelfällen vorstellbar, dass eine Aufhebung der Leistungsminderung wegen einer erneuten Erklärung des Leistungsberechtigten gerechtfertigt wäre. Auf tätige Reue kommt es dafür nicht unbedingt an. Dem müssten unterschiedliche Gesichtspunkte von erheblicher Relevanz zugrunde liegen. Hierbei ist der vom BVerfG gesetzte Maßstab zu Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit hilfreich. Es liegt letztlich bei der mit der Leistungsminderung belegten Person, Umstände vorzutragen, die seine Erklärung über die zukünftige Mitwirkungsbereitschaft erneut glaubhaft machen. Gleichwohl ist auch hierbei die individuelle Einsichtsfähigkeit und deren Entwicklung zu berücksichtigen. Eine solche weitere Entscheidung ist aber zwingend ohne einen Antrag hierauf zu treffen und die Entscheidungsgründe sind aktenkundig zu machen und dem Betroffenen mitzuteilen. Dabei ist die Ernstlichkeit der Erklärung, die sich schon aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt, besonders zu würdigen. Zudem kann die bisherige minderungsbezogene Entwicklung des Leistungsfalles in die Betrachtung einbezogen werden. Eine mehrfache Bereiterklärung, zukünftig den Pflichten nachzukommen, kommt insbesondere in Betracht, wenn die Pflichtverletzungen unterschiedliche Sachverhalte betreffen (z. B. Maßnahmeverweigerung, später dann mangelhafte Eigenbemühungen).

 

Rz. 85

Für die zu treffende Entscheidung sind daher 2 Bereiche zu prüfen. Zunächst geht es um die Tatsache, dass der Leistungsberechtigte nachträglich erklärt, seinen Pflichte...

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