Rz. 90

Abs. 6 sieht die Berücksichtigung von Bedarfen zur Teilnahme an einer in schulischer Verantwortung angebotenen oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbarten gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung von Schülern bzw. einer in Verantwortung der Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege angebotenen gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung für Vorschulkinder in Einrichtungen nach § 22 SGB VIII vor. Für die Leistung ist nicht allein die warme Mahlzeit erheblich, sondern auch die sozialintegrative Funktion der gemeinschaftlichen Einnahme der Mahlzeit. Zu den Kindertageseinrichtungen vgl. auch die Komm. zu Abs. 2 Nr. 1. Ein Vorrang der Jugendhilfe besteht nicht, nachdem § 10 SGB VIII entsprechend geändert wurde. In der Zeit vom 1.3.2020 bis zur Aufhebung der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wegen der dynamischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 5 Abs. 1 Satz 2 durch den Deutschen Bundestag war Abs. 6 nach Maßgabe des § 68 Satz 1 anzuwenden. Dieser Zeitraum durfte längstens bis zum 31.12.2021 verlängert werden. Für weitere Zeiträume darüber hinaus bedürfte es eines neuen Gesetzgebungsverfahrens, z. B. mit Änderung des § 68. Es blieb abzuwarten, wie die Bundesregierung der 20. Legislaturperiode mit diesem Privileg umgehen würde. Durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes u. a. v. 22.11.2021 (BGBl. I S. 4906) ist der ergangene Beschluss des Deutschen Bundestages nicht verlängert worden. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite endete damit mit Ablauf des 25.11.2021, so auch die mögliche Anwendung des § 68 Satz 1.

 

Rz. 91

Die Mittagsverpflegung für Vorschulkinder und Schüler ist im Grundsatz bereits in der Regelleistung enthalten. Tatsächlich waren und sind für den Erwerb der Mahlzeit jedoch höhere Aufwendungen notwendig. Das Gesetz richtet den Bedarf jedoch seit dem 1.8.2019 daher in Umsetzung des Koalitionsvertrages für die 19. Legislaturperiode nicht mehr auf die Mehraufwendungen, sondern die gesamten Aufwendungen aus. Damit soll ein Ausgleich geschaffen werden, der dafür Sorge trägt, dass angesichts von Kostenneutralität alle berechtigten Kinder und Schüler in den Genuss der warmen Mahlzeit kommen. § 5a Nr. 3 Bürgergeld-V i. V. m. § 9 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz u. a., der bis zum 31.7.2019 einen Eigenanteil von 1,00 EUR für jede Mittagsverpflegung vorgesehen hat, der vom Kind zu tragen war, wurde mit Wirkung zum 1.8.2019 aufgehoben. Ohne Bestehen eines tatsächlichen Bedarfs an Bildungs- und Teilhabeleistungen ist jedenfalls eine Bedarfserhöhung bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen (SG Karlsruhe, Urteil v. 6.2.2014, S 13 AS 235/13). Dem Gesetz kann demnach eine automatische Berücksichtigung der bestimmten Bedarfe nicht entnommen werden. Die Leistung gilt jedoch seit dem 1.8.2019 mit dem Hauptantrag auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II gleichfalls als beantragt. Die Bundesregierung hatte es lange Zeit abgelehnt, auf den Eigenanteil bei der Mittagsverpflegung zu verzichten (vgl. BT-Drs. 17/11789). Er entspreche dem schon im Regelbedarf berücksichtigtem Bedarf an häuslichem Mittagessen. Ein Verzicht würde zu einer systematisch unzulässigen Doppelförderung führen. Für die 19. Legislaturperiode war in der Bundesregierung durch Koalitionsvertrag verabredet, den Eigenanteil (ersatzlos) zu streichen.

 

Rz. 92

Ein nicht unerhebliches Risiko und Motivation für die Rechtsänderung bestand und besteht darin, dass auch bei Berücksichtigung eines Bedarfs für die Mehraufwendungen der Mittagsverpflegung die Eltern oder der relevante Elternteil dem Kind den Eigenanteil letztlich nicht zur Verfügung stellen und das Kind aus diesem Grund gleichwohl nicht an der Mittagsverpflegung teilnimmt bzw. teilnehmen kann. Es wird sich noch erweisen müssen, ob die eröffneten Erbringungswege in § 29 Wirkung zeigen. Die Leistung kann auch als Geldleistung erbracht werden.

 

Rz. 93

Ausgangspunkt der Regelung des Abs. 6 ist die Annahme, dass das Vorschulkind bzw. der Schüler tatsächlich an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnimmt, weil ansonsten das Ziel der Vorschrift nicht erreicht werden könnte. Die Leistungen werden als Sach- und Dienstleistungen erbracht, eine Auszahlung an die Eltern ist im Gesetz nicht vorgesehen (SG Kassel, Urteil v. 28.8.2013, S 6 AS 309/12). Die Kosten einer selbst organisierten Mittagsverpflegung von Schülern können auch nicht übernommen werden, wenn diesen Handlungen religiöse oder gesundheitliche Gründe zugrunde liegen (Bay. LSG, Urteil v. 21.1.2013, L 7 BK 8/12). Allerdings erweist das praktische Verfahren der Leistungserbringung, dass es darauf im Ergebnis nicht ankommt und vom Jobcenter bzw. der beauftragten Kommune auch nicht nachgehalten werden kann. Insoweit stellen sich auch Probleme ein, wenn aufladbare Chips benutzt werden. Ggf. muss der Leistungsberechtigte die zweckentsprechende Verwendung versichern. Im Einzelfall, aber nicht systematisch, kann im Falle...

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