Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung. Leistungserbringung durch Sach- oder Dienstleistungen. grds kein Anspruch auf Geldleistungen. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Leistungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung werden als Sach- und Dienstleistungen erbracht.

2. Eine Auszahlung der für diese Bedarfe vorgesehenen Leistungen an die Eltern der Berechtigten ist vom Gesetz nicht vorgesehen.

 

Orientierungssatz

Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit des § 29 SGB 2 liegen nicht vor.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Klage begehrt der Kläger die Auszahlung der Leistungen für die Mittagsverpflegung nach dem SGB II als Geldleistung an seine Eltern als gesetzliche Vertreter.

Streitgegenständlich ist vorliegend der Zeitraum vom 08.08.2011 bis 31.01.2012.

Der am 16.07.1995 geborene Kläger war im Streitzeitraum Schüler und besuchte die Gesamtschule vgl. Schulbescheinigung Bl. 1910 Verwaltungsakte).

Aus der Verwaltungsakte des Magistrats der Stadt A-Stadt im Parallelverfahren S 6 AS 473/12 kann entnommen werden, wie die Modalitäten der Essensausgabe zum Mittagessen in der Gesamtschule ablaufen. Dort wird das Mittagessen zu einem Preis von 2,80 € pro Mahlzeit angeboten. Eine Voranmeldung ist nicht nötig. Der Schüler kauft sich vielmehr in der ersten Pause in der Cafeteria der Schule eine Essensmarke, wenn er an dem Tag essen möchte. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, beim Schulkiosk belegte Snacks u.a. in Form von belegten Brötchen zu kaufen.

Am 01.08.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Mittagsverpflegung in der Schule.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 08.08.2011 bis 31.01.2012 Leistungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Höhe von 183,60 €. In dem Bescheid heißt es sodann (Bl. 19 Gerichtsakte):

“Die Abrechnung der Leistungen erfolgt direkt zwischen dem Leistungsanbieter und dem Jobcenter Stadt A-Stadt.„

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 04.01.2012 Widerspruch ein. Er wende sich gegen die Zahlung der Leistungen an die Schule. Eine solche Zahlung verstoße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften bzw. sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Seine Eltern seien verantwortungsbewusste Personen, die sich gegen den Vorwurf der Zweckentfremdung der Gelder wehrten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gem. § 29 Abs. 1 SGB II würden Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Abs. 2, 5-7 SGB II durch Sachleistungen, insbesondere in Form personalisierter Gutscheine oder Direktzahlungen an Anbieter, zur Deckung dieser Bedarfe erbracht. Es sei der Wille der Bundesregierung, wie der Bundestagsdrucksache 17/4304 entnommen werden könne, dass durch unmittelbare Leistungsformen die Leistungen bei den Kindern und Jugendlichen auch tatsächlich ankommen würden. Auch die Leistungsabwicklung durch Direktzahlung sei eine Form der Sachleistung. Diese Zahlungsweise sei weitgehend stigmatisierungsfrei, da sich die leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen nicht als Leistungsempfänger zu erkennen geben müssten. Deshalb müsse es bei der Direktzahlung an die Schule bleiben (Bl. 20 f. Gerichtsakte).

Am 10.04.2012 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 19.12.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2012 Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Er begehre die Auszahlung der Leistungen für die Mittagsverpflegung an der Schule zu den Händen seiner Erziehungsberechtigten (Bl. 1 Gerichtsakte).

Mit Schriftsatz vom 19.04.2012 hat der Vater des Klägers verfassungsrechtliche Einwände gegen das “Bildungspaket„ geäußert. Dieses verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Bl. 8 f. Gerichtsakte).

Mit Schriftsatz vom 11.06.2012 hat der Vater des Klägers mitgeteilt, dass es für ihn und den Kläger im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinnehmbar wäre, wenn das Geld aus dem Bildungspaket an die Schule überwiesen werde, da dann die Gefahr bestünde, sich als Hartz IV-Empfänger “outen„ zu müssen. Insoweit sehe man die gesetzlichen Vorgaben des § 29 SGB II zur Ausgestaltung des Leistungsverfahrens als unvereinbar mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung an. Man berufe sich auch auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.01.2012 (B 14 AS 65/11 R). Da die Eltern des Klägers für seine Mittagsverpflegung in Vorleistung getreten seien, beantrage man vom Beklagten die Erstattung der vorgelegten Aufwendungen für die Mittagsverpflegung (Bl. 40 Gerichtsakte).

Mit Schriftsatz ebenfalls vom 11.06.2012 hat der Kläger bestätigt, dass er von seinen Eltern jeden Tag einen Betrag von 3,00 € erhalten habe, um sich in der Schule hiervon Essen zu kaufen. Auch er wolle nicht, dass die Leistungen direkt an die Schule überwie...

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