Rz. 399

Die Fachgerichte müssen nach der Rechtsprechung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz gewähren, wenn Antragstellern sonst eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung ihrer Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je schwerer die Belastungen wiegen, die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergeben, und mit Abnahme der Wahrscheinlichkeit, dass sie im Falle des Erfolgs in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf ein Fachgericht das Interesse an einer vorläufigen Entscheidung zurückstellen. Die Fachgerichte dürfen den Anspruch auf Durchsetzung des materiellen Rechts nicht dadurch unzumutbar verkürzen, dass sie Verfahrensrecht übermäßig streng handhaben. Diese Anforderungen gelten auch im sozialrechtlichen Eilrechtsschutz. Das gilt z. B. für den Fall, in dem ein Fachgericht eine drohende Wohnungs- oder Obdachlosigkeit zeitlich erst dann annimmt, wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt und eine Räumungsklage erhoben worden ist. Es kann nicht pauschal angenommen werden, dass zu diesem Zeitpunkt der Verlust der Wohnung noch verhindert werden kann (BVerfG, Beschluss v. 1.8.2017, 1 BvR 1910/12).

 

Rz. 399a

Unabhängig von einer Schuldenübernahme besteht ein Anordnungsgrund für die Gewährung von Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung erst dann, wenn Wohnungs- oder Obdachlosigkeit gegenwärtig droht. Selbst eine Räumungsklage nach aufgelaufenen Mietschulden sollte vor der Rechtsprechung des BVerfG dafür nicht ausreichend gewesen sein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 17.2.2015, L 12 AS 47/15 B ER).

 

Rz. 399b

Auch in Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz wird das Jobcenter nur zur Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung verurteilt, wenn Obdachlosigkeit droht bzw. eine Räumungsklage anhängig ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10.9.2014, L 7 AS 1385/14 B ER; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 5.10.2016, L 3 AS 3210/16 ER, jeweils vor der Rechtsprechung des BVerfG v. 1.8.2017). Insoweit bedarf es eines substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages. Ist bei bestehenden Mietrückständen Räumungsklage noch nicht erhoben, sah das LSG besondere Eilbedürftigkeit nicht als gegeben an.

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