Rz. 387

Abs. 8 sieht Möglichkeiten für die Erbringung von Leistungen zur Begleichung von Schulden vor. Es handelt sich um eine gemischte Soll- und Kann-Vorschrift, die der Grundsicherungsstelle eine Ermessensentscheidung erlaubt. Die notwendige Übernahme von Mietschulden folgt Sachverhalten, die nicht mit Zahlungen nach Abs. 7 gelöst werden konnten oder wenn es für die Anwendung dieser Vorschrift zu spät ist.

 

Rz. 387a

Der (zugelassene) kommunale Träger bzw. die gemeinsame Einrichtung hat initiativ zu prüfen, ob Leistungen nach Abs. 8 in Betracht kommen, wenn Anhaltspunkte für einen entsprechenden Sachverhalt bekannt werden. Es bedarf keines gesonderten Antrags des Leistungsberechtigten. Die Übernahme von Schulden für Personen, für die keine Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, ist nach Abs. 8 (wie auch nach dem Recht der Sozialhilfe) ausgeschlossen. Das gilt sowohl für Miet- als auch für Energie- oder sonstige Schulden. Personen, die nicht hilfebedürftig i. S. d. SGB II oder SGB XII sind, sollen nach dem sozialpolitischen Willen des Gesetzgebers keine Möglichkeit eröffnet werden, Miet- oder Energieschulden getilgt zu bekommen. Darin wird ein falscher Anreiz gesehen. Das schließt Fälle ein, in denen die schuldenbelastete Unterkunft nicht mehr bewohnt wird, weil die mit der Leistung bezweckte Sicherung der Unterkunft nicht mehr erreicht werden kann (Bay. LSG, Urteil v. 18.3.2013, L 7 AS 141/12).

Im Rahmen seiner begrenzten Beratungspflicht ist der Grundsicherungsträger zu einer zivilrechtlichen Beratung des Leistungsberechtigten zur Möglichkeit des Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid des Energielieferanten und zur Berechtigung der Forderung und Forderungsabtretung weder befugt noch verpflichtet (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 5.10.2020, L 7 AS 1329/20).

 

Rz. 387b

Das LSG Sachsen fordert, dass die laufenden Kosten der Unterkunft abstrakt angemessen sind, denn der mit der Übernahme der Schulden bezweckte langfristige Erhalt einer Wohnung erscheine nur dann gerechtfertigt, wenn die künftigen laufenden Kosten dementsprechend angemessen seien (LSG Sachsen, Beschluss v. 17.2.2016, L 4 AS 345/15 B ER; so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.3.2014, L 2 AS 276/14 B ER, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 17.6.2010, B 14 AS 58/09 R, und Beschluss v. 16.4.2019, L 2 AS 473/19 B ER, 474/19 B). Sind die für die zu sichernde Wohnung gezahlten Mietkosten unangemessen hoch und sei der Grundsicherungsträger auch nicht verpflichtet, über die von ihm geleisteten Zahlungen für Unterkunft und Heizung hinaus weitere Kosten zu übernehmen, werde der Leistungsberechtigte die Kosten auch weiterhin nicht (in vollem Umfang) zahlen können.

Grundsätzlich fordert auch das SG Landshut für eine Übernahme der Schulden, dass die laufenden Kosten für die Unterkunft abstrakt angemessen i. S. d. Abs. 1 sind. Der mit der Übernahme der Schulden bezweckte langfristige Erhalt einer Wohnung erscheint dem SG nur dann gerechtfertigt, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was innerhalb des in Bezug zu nehmenden Vergleichsraumes von dem Träger der Grundsicherung zu übernehmen ist (SG Landshut, Gerichtsbescheid v. 5.1.2021, S 5 AS 541/20 ER). Auch wenn die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch sind, kommt die Übernahme von Mietschulden als Darlehen dann in Betracht, wenn die Antragsteller die Differenz zwischen angemessener Miete und tatsächlicher Miete mit den Freibeträgen aus Erwerbstätigkeit decken können und eine Prognose ergibt, dass die Freibeträge in Zukunft auch tatsächlich zu diesem Zweck verwendet werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.8.2023, L 31 AS 627/23 B ER).

Allein der drohende Wohnungsverlust und aktuelle Schwierigkeiten, eine Ersatzwohnung zu finden, begründeten keine Pflicht des Grundsicherungsträgers zur Übernahme von Mietschulden. Das LSG Bayern fordert ebenfalls abstrakt angemessene laufende Unterkunftskosten, weil die mit der Übernahme von Mietschulden bezweckte langfristige Erhaltung der Wohnung nur gerechtfertigt erscheint, wenn die künftigen laufenden Kosten dem entsprechen, was vom Jobcenter auch zu übernehmen ist. Das ist bei einer tatsächlichen Miete von 494,00 EUR monatlich und einer Mietobergrenze von 429,00 EUR monatlich nach dem Tabellenwert des Wohngeldgesetzes zuzüglich Sicherheitszuschlag (und damit dem höchsten Angemessenheitswert) nicht der Fall (Bay. LSG, Beschluss v. 27.4.2018, L 11 AS 242/18 B ER). Allein ein durch den Umzug erforderlich werdender Schulwechsel der Kinder der Antragsteller vermag die Übernahme von Mietschulden ebenfalls nicht zu rechtfertigen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 23.8.2023, L 31 AS 627/23 B ER).

Drohende Wohnungslosigkeit bedeutet dem SG Landshut zufolge den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten. Eine den Angemessenheitskriterien entsprechende Wohnung muss dabei konkret für den Hilfebedürftigen anmiet...

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