Rz. 197

Der unter Rz. 72 ff. dargestellten Ermittlung der neuen Regelsätze bzw. Regelbedarfe ging folgende frühere Rechtsprechung voraus:

Nach der Rechtsprechung des BSG konnte nicht festgestellt werden, dass die Höhe der Regelleistung nach Abs. 2 höherrangigem Recht widersprach (BSG, Urteil v. 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, bestätigt durch Urteil v. 16.5.2007, B 11b AS 27/06 R, und v. 25.6.2008, B 11b AS 35/06 R). In diesem Sinne hatte auch der 7b-Senat des BSG entschieden (Urteil v. 29.3.2007, B 7b AS 4/06 R).

 

Rz. 198

Das Hessische LSG hatte hingegen das BVerfG auch wegen der damals sog. Regelleistung für Erwachsene angerufen. Bereits die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Sozialhilfe habe die Kontrolle für die Regelsatzfestlegung durch Rechtsverordnung auf die Prüfung beschränkt, ob die den Bedarf bestimmenden Faktoren auf ausreichenden Erfahrungswerten beruhten und ob die der Festsetzung zugrunde liegenden Wertungen vertretbar seien. Diese Prüfungsmaßstäbe zur Vereinbarkeit einer Rechtsverordnung mit dem ermächtigenden Gesetz könnten dem BSG zufolge denknotwendigerweise nicht gleichermaßen für die Überprüfung des § 20 Abs. 2 gelten; denn hierin habe der parlamentarische Gesetzgeber, der allein an das GG gebunden sei, die Höhe der Regelleistung unmittelbar bestimmt. Die Prüfung des Senats ergebe unter Berücksichtigung der im Gesetzgebungsverfahren und im Zusammenhang mit dem Erlass der RSV dokumentierten Erwägungen, dass der Bestimmung der Regelleistung ausreichende Erfahrungswerte zugrunde lägen und dass der dem Gesetzgeber zuzubilligende Einschätzungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten sei.

 

Rz. 199

Nach dieser Rechtsprechung des BSG ergab sich eine Unvertretbarkeit der Festsetzung der Leistungen für den Regelbedarf durch den Gesetzgeber nicht etwa aus mangelnder Transparenz oder Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen; denn angesichts der offenkundigen Schwierigkeiten, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein auch unter Einbeziehung eines soziokulturellen Existenzminimums sachgerecht zu bestimmen, konnten Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Angemessenheit und der Gewichtung einzelner Größen keine entscheidende Rolle spielen. Bei der Vertretbarkeitsprüfung war dem BSG zufolge auch zu bedenken, dass die seinerzeitige Situation durch die Zunahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und durch Einkommenseinbußen in breiten Bevölkerungskreisen geprägt war, weshalb dem Gesichtspunkt des Lohnabstandsgebots maßgebliche Bedeutung zukommen musste. Diesem Gebot entsprach es, dass in der Konsequenz der Festlegung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 der Hilfeempfänger weniger konsumieren konnte als die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der EVS ohne Einbeziehung der Hilfeempfänger. Vor allem aber war danach im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beachten, dass der Gesetzgeber den Hilfebedürftigen nicht nur die Regelleistung, sondern in nicht unwesentlichem Umfang weitere Leistungen zur Verfügung stellte. Dazu gehörte auch die Möglichkeit, nach Maßgabe des Urteils v. 7.11.2006 (B 7b AS 14/06 R) in Ausnahmefällen Leistungen nach dem SGB XII beanspruchen zu können. Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte konnte der Senat eine Unvertretbarkeit der Höhe der Regelleistung nicht erkennen.

 

Rz. 200

Nicht aufgrund eines Eckwertes für die Regelleistung nach dem SGB XII (den Regelbedarf nach dem SGB II), aber aufgrund des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a. F. hatte das BSG (zu den seinerzeitigen Beträgen für die Regelleistung) mit Vorlagebeschlüssen v. 27.1.2009 dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Höhe des Bürgergeldes nach dem SGB II für Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres verfassungsgemäß war. Dabei stützte sich das BSG darauf, dass für diese Altersgruppe ohne Definition und Ermittlung des notwendigen Bedarfs die Eckregelleistung um 40 % gesenkt wurde, anders als in der Sozialhilfe keine abweichenden Bedarfe geltend gemacht werden können und das Bürgergeld für alle Kinder bis 13 Jahren gleich hoch ist (Art. 3 Abs. 1 GG; BSG, Vorlagebeschlüsse v. 27.1.2009, B 14/11b AS 9/07 R). Eine Verfassungsbeschwerde gegen die damals sog. Regelleistung war zuvor als unzulässig verworfen worden (BVerfG, Beschluss v. 7.11.2007, 1 BvR 1840/07). Allerdings hatte das BVerfG die Beschwerde lediglich nicht zur Entscheidung angenommen, weil nicht substantiiert dargelegt wurde, dass die staatlicherseits zur Verfügung gestellten Leistungen das Existenzminimum nicht decken.

 

Rz. 201

Die Unvereinbarkeit der Ermittlung der damaligen Regelleistung mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 1 GG bei Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ergab sich aus folgenden Überlegungen des BVerfG: Der Gesetzgeber hatte das Ziel, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, mit der Regelleistung zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes, dem Grunde nach zutreffend definiert. Die physische Seite des Existenzminimums war zu garantieren, hinzu kam die soziale...

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