Rz. 3

Die Vorschrift ist Anspruchsgrundlage für das Bürgergeld sowie die Leistungen für Bildung und Teilhabe. Das Bürgergeld nach Abs. 1 Satz 1 ist die Kernleistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Es entspricht im Wesentlichen der Sozialhilfe nach dem SGB XII. Dies hat sozialpolitische wie verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen. Ein verfassungsrechtlicher Aspekt betraf im Kern die Arbeitslosenversicherung. Dabei handelt es sich um eine Pflichtversicherung, von der sich der versicherungspflichtige Personenkreis nicht befreien lassen kann. Hinter der Versicherungsleistung Alg stand früher die zeitlich unbefristete Arbeitslosenhilfe, die in demselben Gesetzbuch wie das Alg, nämlich dem SGB III über Arbeitsförderung, geregelt war. Lediglich die Kostenträgerschaft war (zuletzt) beim Bund angesiedelt. Bei der Arbeitslosenhilfe handelte es sich auch um eine bedürftigkeitsabhängige Leistung, die aber nach den Bemessungsregeln am letzten Arbeitsentgelt und nicht von vornherein am Existenzminimum orientiert war.

 

Rz. 4

Im Kern war die Arbeitslosenhilfe damit eine dem Alg angegliederte, dieses verlängernde Leistung nach dem SGB III. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob das Lebensstandardprinzip des Alg, das der Höhe nach ohnehin an das verfassungsrechtlich gerade noch haltbare Maß grenzt, hinsichtlich seiner Dauer und seines Überganges auf das Bürgergeld noch gewahrt ist. Diese Frage ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zum 1.1.2011 durch die Neubemessung und Neufestsetzung der Regelbedarfe für erwerbsfähige und nicht erwerbsfähige Erwachsene und Kinder abschließend beantwortet. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG besteht an der Zulässigkeit des Systems der Grundsicherung für Arbeitsuchende kein vernünftiger Zweifel mehr, auch wenn in den politischen Lagern die Kritik daran nicht verstummen will. Nach Auffassung des SG Berlin sind die nach Abs. 1 Satz 1 und 3 i. V. m. § 20 Abs. 1, 4 und 5 sowie § 20 Abs. 1 und 2 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 5 sowie weiteren in Bezug genommenen Vorschriften festgelegten Regelbedarfe in verfassungswidriger Weise festgelegt worden (SG Berlin, Vorlagebeschluss v. 25.4.2012, S 55 AS 9238/12, NDV-RD 2012 S. 56). Demgegenüber hat das BSG entschieden, dass die Regelbedarfe für Alleinstehende nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden sind (BSG, Urteil v. 12.7.2012, B 14 AS 153/11 R, NZS 2013 S. 108). Der Gesetzgeber habe seinen Auftrag, das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, erfüllt. Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung ist eine zurückhaltende materielle Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelungen. Das folgt aus dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Zu prüfen ist, ob die Leistungen evident unzureichend festgelegt worden sind. Die Methode "Statistikmodell mit begründeter Herausnahme einzelner Positionen" ist sachgerecht und vertretbar. Das BVerfG hat entschieden, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II jedenfalls seinerzeit noch verfassungsgemäß waren (BVerfG, Beschluss v. 23.7.2014, 1 BvL 10/12, 12/12, 1 BvR 1691/13).

 

Rz. 5

Bürgergeld nach Abs. 1 Satz 1 erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Erwerbsfähigkeit richtet sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 8. Zum Bürgergeld gehören als Leistungen zum Lebensunterhalt der Regelbedarf (§ 20), Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 sowie zusätzlich Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22). Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattungen für Bekleidung – auch bei Schwangerschaft und Geburt – sowie Leistungen für die Anschaffung und Reparatur von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten (§ 24 Abs. 3) gehören formal ebenfalls zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, aber nicht zu den Leistungen, die zusammen das Bürgergeld bilden. Dasselbe trifft auf die weiteren Leistungen nach den §§ 26ff. zu. Der Zuschuss zu Beiträgen bei Befreiung von der Versicherungspflicht ist der Sozialversicherung der Leistungsempfänger zuzurechnen und gehört deshalb jedenfalls nicht zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im engeren Sinne. Dabei darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass die Sicherung des Krankenversicherungsschutzes existenzsichernde Bedeutung haben kann. Sonderleistungen an Auszubildende gehörten auch in Vergangenheit nicht zum Bürgergeld. Sie sind nunmehr in § 27 zusammengefasst. Die neuen Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 sind durch Abs. 2 schon vom Bürgergeld nach Abs. 1 abgegrenzt.

 

Rz. 6

Nicht erwerbsfähige Personen erhalten nachrangig Bürgergeld nach Abs. 1 Satz 2. Vorrangig ist eine Leistungsberechtigung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu beachten. Dieses beinhaltet die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Grundsicherung im Alter ist keine wirkliche Konkurrenzleistung, sie setzt ein Lebensalter voraus, in dem g...

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