Rz. 19

Die psychosoziale Betreuung nach Nr. 3 umfasst persönliche Unterstützungsleistungen durch Beratung und Sozialarbeit und ggf. eine Weitervermittlung an Fachstellen, stets, soweit diese psychosoziale Betreuung für die Eingliederung in Arbeit erforderlich ist. Sie beinhaltet in der Praxis Begleitung als angebotene Unterstützung bei wenig verbindlichen Rahmenbedingungen meist über einen kurzen oder mittelfristigen Zeitraum oder mittel- bis langfristige Begleitbetreuung bzw. Betreuung. Daneben kann auch eine ein- oder mehrmalige Beratung der psychosozialen Betreuung zugeordnet werden. Psychosoziale Betreuung kann auch im Kontext des § 16 aus einer Vielzahl von Ursachen heraus erforderlich werden. Generell gilt, dass sich die Betroffenen in prekären Lebenssituationen befinden, in denen sie oft ergänzend zu medizinischen Maßnahmen begleitet werden müssen.

Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sind Beispiele für belastende Lebensumstände und Schwierigkeiten, die sich nachteilig auf die Beschäftigungsfähigkeit auswirken können, insbesondere eine belastende familiäre Situation, gewaltgeprägte Lebensumstände, unsichere Wohnverhältnisse, die Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung, das Fehlen von sozialen Beziehungen, der Verlust von Tages- und Zeitstrukturen, eine verminderte Selbstwirksamkeitserwartung, ein beeinträchtigtes Selbstwertgefühl, Schwierigkeiten bezüglich der Motivation oder der Belastbarkeit, mangelnde Konfliktfähigkeit, Probleme in der Interaktion mit der sozialen Umwelt.

Psychosoziale Betreuung zielt auf den Abbau von Problemlagen, die nicht auf einem Krankheitsbild beruhen. Deshalb ist sie vom sozialpsychiatrischen Dienst abzugrenzen. Zwingend ist psychosoziale Unterstützung nicht, sie setzt Freiwilligkeit voraus. Aufgrund dieser Umstände scheidet eine eigene Betreuung durch die Leistungsträger aus; auch die Mitwirkungspflichten sind außer Kraft. Die Grenzen der Betreuung zur Medizin, Psychiatrie und Sozialpädagogik sind fließend. Psychosoziale Betreuung i. S. v. Nr. 3 ist aber wohl nicht sozialpädagogische Begleitung, wie sie bereits nach dem Recht der Arbeitsförderung (und schon über § 16 Nr. 1) erbracht werden kann.

 

Rz. 20

Typischer Anwendungsfall der psychosozialen Betreuung ist die Begleitung einer Substitution eines Drogenabhängigen (mit Methadon). Über die Notwendigkeit psychosozialer Betreuung hat der behandelnde Arzt, nicht aber eine Stelle zur Drogenhilfe zu entscheiden. Psychosoziale Betreuung hat zum Ziel, dem Drogenabhängigen dabei zu helfen, in Beruf, Familie und Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Neben Wohnungssuche sowie der Lösung finanzieller und familiärer Probleme zielt die Betreuung auf den Aufbau einer sinnvollen Tagesstrukturierung, zu der sobald als möglich auch die Einmündung in Ausbildung oder Arbeit gehört. Nach Auffassung des SG Kassel unterfällt die begleitende psychosoziale Betreuung eines opiatabhängigen Beziehers von Bürgergeld während der Substitution mit Methadon der Leistungspflicht nach Nr. 3, wenn sie als Leistung der Teilhabe zum Leben in der Gesellschaft der Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit dient (SG Kassel, Beschluss v. 7.2.2012, S 12 SO 5/12 ER). Das Gericht setzt sich auch mit den möglichen Zuständigkeiten und Einrichtungen auseinander und führt die Folgen für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz aus.

 

Rz. 21

Psychosoziale Betreuung kann auch bei Helfern, Opfern von Straftaten oder im Zusammenhang mit Unglücksfällen erforderlich sein. Es geht stets um den professionellen pflegerischen Umgang mit psychischen und sozialen Bedürfnissen, die erkannt und wiederhergestellt werden sollen.

 

Rz. 22

In welchem Umfang, mit welchen Angeboten, mit welcher Qualifikation und zu welchen Kosten psychosoziale Betreuung durchgeführt wird, konnte die Bundesregierung aufgrund einer kleinen Anfrage u.a der Fraktion DIE LINKE nicht beantworten, weil die Bundesländer keine oder nur unzureichende Auskünfte gegeben haben (vgl. BT-Drs. 16/1376). Neben einer Einzelfallhilfe sind aber auch Gruppenmaßnahmen als niederschwelliges Angebot denkbar.

 

Rz. 22a

Wurden kommunale Leistungen der psychosozialen Betreuung in Ausübung von Ermessen rechtmäßig erbracht, so werden diese Leistungen auch von der Erstattungspflicht nach § 36a erfasst (BSG, Urteil v. 23.5.2012, B 14 AS 190/11 R). Die Erstattungspflicht erfasst alle rechtmäßig erbrachten Leistungen aufgrund der Zuständigkeitsnorm des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Leistungen nach § 16a, deren Kosten der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort der hilfebedürftigen Person aufgrund deren Aufenthalts in einem Frauenhaus zu erstatten hat, sind Kosten für tatsächlich erbrachte Betreuungsleistungen. Die in § 16a abschließend aufgezählten Leistungen sollen nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine ganzheitliche und umfassende Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit gewährleisten. De...

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