Rz. 31

Einkommensvermutung nach § 9 Abs. 5 SGB II (§ 1 Abs. 2 Bürgergeld-V)

§ 1 Abs. 2 Bürgergeld-V konkretisiert die Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte in demselben Haushalt Hilfebedürftigen Leistungen zukommen lassen hinsichtlich einer Höhe an Einnahmen, die diese Vermutung begründet erscheinen lässt. Leistungen sollen nur dann erwartet werden können, wenn ein Einkommen überschritten wird, das überschlägig 150 % des Selbstbehaltes nach der unterhaltsrechtlichen Praxis übersteigt. Dann steht nach der Verordnungsbegründung dem Angehörigen ein deutlich über den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes liegendes Lebenshaltungsniveau zur Seite, das ihm verbleibt. Vorausgesetzt wird, dass keine vorrangigen Unterhaltsverpflichtungen nach bürgerlichem Recht bestehen, gegenüber den Hilfebedürftigen vorrangige unterhaltsverpflichtete Personen nicht vorhanden sind und durch Berücksichtigung der Einnahmen nach § 9 Abs. 5 die Haushaltsgemeinschaft nicht zerstört wird.

 

Rz. 32

Die Vorschrift ist so formuliert, dass sozusagen ein Freibetrag errechnet werden kann, der angibt, bis zu welcher Höhe an Einnahmen die Unterhaltsvermutung nicht greift, weil nach dem Einkommen Leistungen an die Hilfebedürftigen der Haushaltsgemeinschaft nicht erwartet werden können. Zugrunde gelegt werden die um die Absetzungsbeträge nach § 11b bereinigten Einnahmen. Diesen wird gegenübergestellt der doppelte nach § 20 Abs. 2 maßgebende Regelbedarf zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Dieser Grundfreibetrag erhöht sich noch um die Hälfte des danach verbleibenden Einkommens.

Leistungen an Leistungsberechtigte werden also schon erwartet, wenn das bereinigte Einkommen höher ist als der doppelte maßgebende Regelsatz zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Die gesamten Berechnungen schließen die Möglichkeit nicht aus, die gesetzliche Vermutung gleichwohl auch bei höherem Einkommen zu widerlegen (vgl. Komm. zu § 9).

 

Rz. 32a

Bei der Feststellung des Teilfreibetrages in Höhe des doppelten Regelsatzes ist auch dann von 100 % des Regelsatzes auszugehen, wenn der Einkommensbezieher mit einer Partnerin in Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaft lebt (keine Kürzung auf 90 %). Das gilt nicht für den anzusetzenden Eigenbedarf der Partnerin.

 

Rz. 32b

Der Teilfreibetrag in Höhe des doppelten vollen Regelsatzes steht unabhängig von der Höhe des Einkommens zu. Das hat Relevanz für Fälle, in denen mehrere Haushaltsangehörige Einkommen haben, das nach Maßgabe des § 9 Abs. 5 zu berücksichtigen ist.

 
Praxis-Beispiel

Die anteiligen Kosten der Unterkunft betragen 200,00 EUR.

Erzielt ein Haushaltsangehöriger ein bereinigtes Einkommen von 1.818,00 EUR und die Partnerin kein Einkommen, errechnen sich 728,00 EUR (doppelter Regelbedarf, Stand: 1.1.2023) zuzüglich 328,00 EUR (Regelbedarfsleistung für die Partnerin) zuzüglich 400,00 EUR Unterkunftskosten, insgesamt 1.456,00 EUR als Freibetrag; die Vermutung nach § 9 Abs. 5 greift im Umfang von 181,00 EUR.

Erzielen beide Haushaltsangehörige je 909,00 EUR bereinigtes Einkommen, besteht keine Leistungsfähigkeit i. S. d. § 9 Abs. 5. Es sind jeweils 728,00 EUR (doppelter Regelbedarf) und 200,00 EUR anteilige Unterkunftskosten, also insgesamt 928,00 EUR abzusetzen.

Erzielt ein Haushaltsangehöriger ein bereinigtes Einkommen i. H. v. 1.768,00 EUR (abstrakte Leistungsfähigkeit 840,00 EUR : 2) und der andere i. H. v. 50,00 EUR und wird der von der Partnerin nicht verbrauchte Teil des Freibetrags (878,00 EUR) übertragen, errechnet sich wiederum keine Leistungsfähigkeit.

Die unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich vermeiden, wenn der Realität entsprechend davon ausgegangen wird, dass die Leistungsfähigkeit zunächst der Partnerin zugutekommt und dies in der Berechnung dadurch berücksichtigt wird, dass unabhängig von der Einkommensverteilung beiden Partnern ein Teilfreibetrag in Höhe des doppelten Regelsatzes eingeräumt wird.

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