Rz. 12

Auch Renten wegen Alters fallen unter die vorrangigen Leistungen nach Satz 1. Das gilt uneingeschränkt für Altersrenten, die nicht wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gemindert werden. Die durch das Ruhestandsförderungsgesetz und durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz beschleunigte Anhebung des Renteneintrittsalters für einen ungekürzten Bezug einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bewegt sich innerhalb der verfassungsgemäßen Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und ist deshalb vom BVerfG nicht beanstandet worden. Auch der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes werde nicht verletzt, die genannten Gesetze genügen den Vorgaben des Verfassungsrechts (BVerfG, Beschluss v. 5.2.2009, 1 BvR 1631/04). Im Grundsatz gehören auch die wegen vorzeitiger Inanspruchnahme geminderten Renten zu den vorrangigen Leistungen, die nach Satz 1 in Anspruch zu nehmen sind. Satz 2 Nr. 1 entbindet Leistungsberechtigte von der Pflicht, eine geminderte Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Bis zum 31.12.2022 galt dies nur, solange sie das 63. Lebensjahr nicht vollendet hatten. Seit dem 1.1.2023 ist die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Rente wegen Alters vollständig entfallen, allerdings zunächst nur bis zum 31.12.2026 befristet.

Die arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen des Wegfalls der Pflicht, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, bedürfen nach der Gesetzesbegründung einer Evaluierung. Die Evaluierung soll spätestens bis Ende 2025 abgeschlossen werden, um in der Folge über eine Entfristung der Regelung entscheiden zu können.

Die Regelung dient nach der Gesetzesbegründung insbesondere dem Ziel, ältere erwerbsfähige Personen nicht durch Verweisung in die Rente wegen Alters dem Arbeitsmarkt zu entziehen. Den Leistungsberechtigten soll es künftig ermöglicht werden, eigenständig über den Eintritt in die Altersrente zu entscheiden. Die Maßnahme trägt zudem zur Verwaltungsvereinfachung bei, in dem Jobcenter künftig nicht mehr nachhalten und durchsetzen müssen, wann eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen werden kann. Damit soll insbesondere auch die Akzeptanz des neuen Bürgergeldes gesteigert werden. In der Folge entfallen zudem aufwändige Erstattungsverfahren zwischen den Jobcentern und den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Rz. 13

§ 6 UnbilligkeitsV bestimmt für die Zeit ab 1.1.2017 die Unbilligkeit einer Inanspruchnahme von vorzeitiger Altersrente, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig i. S. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden. Hilfebedürftigkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn 70 % der zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente bei Erreichen der Altersgrenze weniger beträgt als die Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten nach dem SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit. Darüber hinaus sind weitere Unbilligkeitstatbestände denkbar.

 

Rz. 14

Stellt das Jobcenter einen Antrag auf Rente für den Leistungsberechtigten im Wege der Ersatzvornahme nach § 5 Abs. 3 Satz 1, ist es verpflichtet, diesen Antrag wieder zurückzunehmen (Folgenbeseitigungsanspruch des Leistungsberechtigten, weil zwischen dem rechtswidrigen Handeln und dem rechtswidrigen Zustand ein ursächlicher Zusammenhang besteht), wenn die Antragstellung rechtswidrig war, weil schon die vorausgegangene Aufforderung an den Leistungsberechtigten deshalb rechtswidrig war, da im Rahmen der Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, gegenüber dem Leistungsberechtigten das zustehende Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt worden war (SG Hannover, Urteil v. 15.1.2013, S 68 AS 1296/12). Schon die Aufforderung bedarf einer Ermessensentscheidung (BSG, Urteil v. 19.8.2015 B 14 AS 1/15, zuvor u. a. schon LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 1.2.1010, L 19 B 371/09 AS ER). Treten die atypischen Umstände des Einzelfalls, die bei der Entscheidung des Jobcenters hätten berücksichtigt werden müssen, erst durch die Amtsermittlung des Gerichts zutage, bleibt die Ermessensausübung des Jobcenters ermessensfehlerfrei (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 26.9.2019, L 31 AS 1574/17).

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