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Mit Wirkung zum 1.1.2023 ist das Bürgergeld-Gesetz in Kraft getreten, mit dem das SGB II nach dem Willen der Bundesregierung der 20. Legislaturperiode reformiert werden soll. Dazu ist auch die Überschrift des SGB II um den Begriff des Bürgergeldes erweitert worden, die Bezeichnung Grundsicherung für Arbeitsuchende ist daneben erhalten worden. Dagegen ist die Verwendung der Begriffe "Arbeitslosengeld II" oder "Sozialgeld" anstelle von "Bürgergeld" mit Ablauf des 30.6.2023 auch durch die zuständigen Behörden ausgelaufen (vgl. § 65 Abs. 9).

Parallel zu Bürgergeld ist auch das sog. Wohngeld-Plus insbesondere zur Erhöhung des Wohngeldes in Kraft getreten. Das hatte auf das SGB II jedoch nur insoweit eine besondere Rückwirkung, als zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand vorübergehend auf die Antragstellung auf das vorrangige Wohngeld verzichtet wurde (§ 85).

Zuvor hatte auch die Bundesregierung der 19. Legislaturperiode weiterhin das Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland verfolgt. Mit dem 10. SGB II-ÄndG waren im SGB II ab 1.1.2019 neue Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und dem sozialen Arbeitsmarkt geschaffen worden. Die Bundesregierung ist seinerzeit davon ausgegangen, dass trotz der guten konjunkturellen Entwicklung in Deutschland und der rückläufigen Arbeitslosenzahl in den Jahren vor 2019 nach wie vor eine zahlenmäßig bedeutsame Gruppe von arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen vorhanden ist, die seit langer Zeit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II beziehen und ohne besondere Unterstützung auf absehbare Zeit keine realistische Chance darauf haben, wieder oder auch erstmals eine Beschäftigung aufzunehmen. Auch dieser Personengruppe sollte wieder eine Perspektive zur Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffnet werden. Dazu war es nach Auffassung der Bundesregierung zum einen erforderlich, die Beschäftigungsfähigkeit dieser Personen durch intensive Betreuung, individuelle Beratung und wirksame Förderung zu verbessern. Zum anderen sollten den Arbeitslosen aus diesem Personenkreis vermehrt Beschäftigungsoptionen auf dem allgemeinen oder sozialen Arbeitsmarkt angeboten werden.

Zur Prävention gegen sich weiter verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit und deren Folgen für die Betroffenen selbst und ihre Familien sollten sich die Bemühungen jedoch nicht nur auf sehr arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose beschränken. Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes wollte die Bundesregierung vielmehr auch die Reintegration von Personen mit einer längeren Dauer von Langzeitarbeitslosigkeit in den allgemeinen Arbeitsmarkt besser unterstützen.

Vorbeugen sollte hauptsächlich die betriebliche Weiterbildung beschäftigter Arbeitnehmer. Dazu ist durch das Qualifizierungschancengesetz ein neuer, fortschrittlicher Rahmen in § 82 SGB III gesetzt worden. Eine Weiterentwicklung der Vorschrift ist durch das Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung mit Wirkung zum 1.4.2024 beschlossen worden.

Ein 11. SGB II-ÄndG ist seinerzeit wegen der Corona-Pandemie und anschließend im Hinblick auf das Ende der Legislaturperiode und fehlende Einigkeit bei den Koalitionsfraktionen in der 19. Legislaturperiode nicht mehr in ein Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Teile davon, insbesondere zur Berücksichtigung von Einkommen, sind in anderen Gesetzen umgesetzt worden.

Zuvor hatte das 9. SGB II-ÄndG die Überlegung aufgegriffen, dass die Systeme der sozialen Absicherung in Bezug auf Bürgerfreundlichkeit, Vermeidung unnötiger Bürokratie und den nachhaltigen Einsatz knapper werdender Ressourcen neuen Anforderungen ausgesetzt sind. Dies galt demnach insbesondere auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach der Gesetzesbegründung war deshalb permanent zu prüfen, inwieweit die Grundsicherung für Arbeitsuchende den gewandelten Anforderungen noch genügte und inwieweit es Anpassungsbedarfe gab. Dazu sollten die Änderungen durch das 9. SGB II-ÄndG, die im Wesentlichen am 1.8.2016 in Kraft getreten sind, einen wichtigen Beitrag leisten. Darüber hinausgehende vor allem systemische Änderungen sollten erst in der 19. Legislaturperiode vollzogen werden.

In der Praxis hatten der Gesetzesbegründung zufolge die für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (passive Leistungen) im SGB II anzuwendenden Vorschriften teilweise zu umfangreichen Verwaltungsabläufen und in einigen Punkten zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Klagen geführt. Grund für die rechtlich komplexe Ausgestaltung des Leistungsrechts waren demnach vielfältige Beziehungen zu anderen Rechtsgebieten, insbesondere aufgrund der notwendigen Nachrangigkeit der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. In der Rechtspraxis war ein erheblicher Aufwand bei den Bürgern und in der Verwaltung bei der Umsetzung des Rechts entstanden.

Ziel des 9. SGB II-ÄndG war, dass leistungsberechtigte Personen schneller und einfacher Klarheit über das Bestehen und den Umfang von Rechtsansprüchen erhalten und die von den Mitarbeitern in den Jobcente...

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