Rz. 74

§ 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III stellt ohne ausdrückliche Bezugnahme, aber als Referenzgesetz eine Ergänzung zu § 1 Abs. 1 Satz 4 dar. Durch die Inbezugnahme des § 1 Abs. 1 Satz 4 in § 16 ist letztlich zumindest auch der Geist des § 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III handlungsleitend für die Jobcenter. Danach ist die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 SGB III durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ab 1.1.2009 bezieht sich dieser Grundsatz nicht mehr allein auf die Erreichung eines hohen Beschäftigungsstandes, eine ständige Verbesserung der Beschäftigungsstruktur, die Vermeidung des Entstehens von Arbeitslosigkeit und die Verkürzung der Dauer der Arbeitslosigkeit. Das Prinzip steht gleichwertig neben den Zielen, dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen, den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu unterstützen und dabei insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. § 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III fordert, mit den Leistungen zur Arbeitsförderung die berufliche Situation von Frauen zu verbessern, indem die Leistungen auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung eines geschlechtsspezifisch geprägten Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinwirken und Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gefördert werden. Damit wird im Wesentlichen der Inhalt des bis zum 31.12.2008 geltenden § 8 SGB III in die Zielsetzung der Arbeitsförderung aufgenommen. Als Oberziel wird die Verbesserung der beruflichen Situation von Frauen definiert. Ein eigenständiges subjektives Recht der Frauen auf (eine bestimmte) Förderung ist durch die gesetzliche Konstruktion nicht geschaffen worden. Die Jobcenter haben bei der Ausübung des ihnen eingeräumten Ermessens den gesetzgeberischen Willen zu beachten. Die Stellung der Frau ist nicht nur bei den Leistungen nach Abs. 1, sondern bei allen Eingliederungsleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III zu berücksichtigen, also auch bei den spezifischen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den §§ 16a ff. Die Strategie des Gender Mainstreaming geht demnach als gleichstellungsorientierte Routinearbeit in die Praxis der Jobcenter ein. Gender Mainstreaming kann als Prozess und Vorgehensweise definiert werden, die Geschlechterperspektive in die Gesamtpolitik aufzunehmen. Dies bedeutet, die Entwicklung, Organisation und Evaluierung von Entscheidungsprozessen und Maßnahmen so zu betreiben, dass in jedem Politikbereich und auf allen Ebenen die Ausgangsbedingungen und Auswirkungen auf die Geschlechter berücksichtigt werden, um auf das Ziel einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern hinwirken zu können. Dieser Prozess soll Bestandteil des normalen Handlungsmusters aller Ressorts und Organisationen werden (Verständnis von Gender Mainstreaming im Bundesfamilienministerium). Ohne Frage ist die Verweisung in § 16 letztlich auf alle Eingliederungsleistungen anzuwenden.

 

Rz. 75

Die zur Erreichung des Oberziels einzuschlagenden Wege folgen dem Postulat, nach dem im Anschluss an das verfassungsmäßige Gebot (vgl. Art. 3 Abs. 2 GG) die Gleichstellung von Mann und Frau speziell auch bei der Umsetzung des Rechts der Arbeitsförderung durchgängig zu verfolgen und damit als eine Querschnittsaufgabe anzusehen ist. Angesichts des Anteils der Frauen an der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland kann jegliches Ziel, das mit einem hohen Beschäftigungsstand oder gar Vollbeschäftigung in Verbindung zu bringen ist, nur erreicht werden, wenn es gelingt, Chancengleichheit für Männer und Frauen zu realisieren. Die Vorschrift verfolgt deshalb in erster Linie den Zweck, Nachteilen von Frauen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt insbesondere nach eingetretener Arbeitslosigkeit zu begegnen. Dazu müssen einerseits bestehende spezifische Nachteile für Frauen beseitigt werden, andererseits auf eine Überwindung des geschlechtsspezifischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes insgesamt hingewirkt werden. Mittel zur Zielerreichung sind die Leistungen zur aktiven Arbeitsförderung. Außerdem dürfen Frauen bei der Förderung nicht unterrepräsentiert werden. Maßstab dafür ist einerseits ihr Anteil an den Arbeitslosen insgesamt, andererseits ihre relative Betroffenheit, gemessen an der Arbeitslosenquote. Diese wiederum spiegelt nur bei den Agenturen gemeldete Arbeitslose wieder.

 

Rz. 76

Die Bundesagentur für Arbeit hat auf ihren Ebenen Zentrale, Regionaldirektionen und Agenturen für Arbeit Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bestellt (vgl. § 385 SGB III). § 1 Abs. 2 Nr. 4 SGB III erwähnt die Berufsrückkehrer nicht gesondert, diese sind in die Neufassung des § 8 ab 2009 aufgenommen worden. Beauftragte für Chancengle...

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