Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Leipzig in Sachsen. Angemessenheitsprüfung. überwiegend schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. mathematisch-statistischer Fehler. Außerachtlassen des Konfidenzintervalls. Verwendung nicht hinreichend aktueller Daten. Preisentwicklung. Nachbesserung durch den Grundsicherungsträger. Voraussetzungen einer Korrektur der Mängel durch das Gericht. Vermutung hinreichender Verfügbarkeit angemessenen Wohnraums. Einwendungen gegen eine fällige Betriebskostennachforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da es dem kommunalen Träger zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten iSd § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II im Rahmen der Methodenfreiheit überlassen ist, die örtlichen Verhältnisse nach seinem Konzept abzubilden, ist es auch seine Aufgabe, die konkreten Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes zu beobachten und ggf die Angemessenheitswerte zeitnah zu aktualisieren.

2. Wird im gerichtlichen Verfahren bei festgestellten Mängeln ein Konzept bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch das Jobcenter nicht nachgebessert, kann das Gericht die Mängel selbst zu beseitigen, wenn dies ohne Eingriff in die dem kommunalen Träger obliegende Methodenauswahl, beispielsweise durch bloße rechnerische Korrektur möglich ist.

3. Die Vermutungswirkung, dass eine ausreichende Anzahl von Wohnungen zum Angemessenheitswert eines kommunalen Konzeptes vorhanden sind, entfaltet sich bereits dann, wenn zwar nicht der Mietspiegel als solcher zugrunde gelegt wird, aber die verwendeten Mietspiegeldaten selbst nach einer anerkannten wissenschaftlichen Methode erstellt und ausgewertet worden sind und daraus Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis ableitbar sind.

4. Es widerspricht dem Konzept des SGB II, die Bedarfe zur Deckung der Unterkunftskosten durch Zurverfügungstellung von Geldleistungen seitens des Leistungsträgers zu decken, wenn sicher ist, dass der Leistungsempfänger diese nicht zweckentsprechend einsetzt, weil er Einwendungen gegen die Forderungen erhebt. Daher besteht trotz Fälligkeit eine Betriebskostennachforderung kein aktuell zu deckender Unterkunftsbedarf, wenn der Leistungsbezieher der Nachforderung des Vermieters widerspricht und er damit zum Ausdruck bringt, die Forderung aktuell nicht zu erfüllen.

 

Orientierungssatz

Hinweis der Dokumentationsstelle des BSG: Die Entscheidung ist durch Beschluss des LSG Chemnitz vom 8.2.2024 - L 4 AS 107/20 berichtigt worden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Dezember 2019 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 10. September 2019 aufgehoben, soweit er mit diesem die monatliche Bewilligung des Klägers von Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. April 2018 bis 31. März 2019 über den Betrag von 336,89 EUR hinaus aufgehoben und die Erstattung von mehr als 212,52 EUR verlangt hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger 1/3 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.04.2018 bis 31.03.2019.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung i.S.d. 44b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Beteiligung der Stadt A…. als kommunaler Träger. Die Stadt A…. erarbeitet in regelmäßigen Abständen Verwaltungsrichtlinien für die Ermittlung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II und den §§ 35, 42a Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Der Beklagte wendet diese Richtlinien im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II an.

Die Stadt A.... hat am 18.12.2014 die Verwaltungsrichtlinie Kosten der Unterkunft (Kapitel 1) - Angemessenheitsgrenzen; „Schlüssiges Konzept“, Az. DS-00687/14 (KdU-Richtlinie 2014) erlassen. Diese Verwaltungsrichtlinie wurde durch Beschluss des Stadtrates vom 20.03.2018 mit Wirkung zum 01.04.2018 durch die Verwaltungsrichtlinie Kosten der Unterkunft (Kapitel 1) - Herleitung angemessener Richtwerte für die Kosten der Unterkunft Nichtprüfungsgrenze für die Heizkosten; „Schlüssiges Konzept“, Az. DS-05471/18 (KdU-Richtlinie 2018) ersetzt. Die KdU-Richtlinie 2018 wurde durch die am 21.01.2020 beschlossene Verwaltungsrichtlinie gleichen Namens, Az. VII-lfo-00251-DS-01 (KdU-Richtlinie 2020) aktualisiert. Die Stadt A.... erarbeitet zudem in regelmäßigen Abständen Betriebskostenbroschüren und Mietspiegel für das Gemeindegebiet. So hat sie unter anderem die Broschüren „Betriebskosten in A.... 2012 - Berichtsjahr 2014“, „Betriebskosten in A.... 2014 - Berichtsjahr 2016“ sowie „Betriebskosten in A.... 2016 - Berichtsjahr 2019“ und die Mietspiegel 2014, 2016 und 2018 veröffentlicht. Die Mietspiegel 2016 und 2018 wurden durch Beschlüsse des Stadtrates vom 15.11.2017 und 27.06.20...

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