Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. befristeter Zuschlag nach Arbeitslosengeldbezug. Ermittlung des Unterschiedsbetrages. verfassungskonforme Auslegung. Einkommensberücksichtigung. Pflegegeld nach § 39 SGB 8. Erziehungsbeitrag

 

Orientierungssatz

1. Unter verfassungskonformer Auslegung ist bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages nach § 24 Abs 2 SGB 2 der Summe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes und Wohngeldes des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht der Gesamtbetrag des an alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Arbeitslosengeld II gegenüberzustellen, sondern nur der auf den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen entfallende individuelle Anteil des Arbeitslosengeld II.

2. Pflegegeld nach § 39 SGB 8 und der darin enthaltene Erziehungsbeitrag ist nach § 11 SGB 2 idR weder ganz noch teilweise als Einkommen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

SGB II § 24 Abs. 2, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1a; SGB VIII § 39

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15.03.2006 aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, den Beschwerdeführern vorläufig für die Zeit vom 29.03.2006 bis zum 11.09.2006 laufende Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 712,04 € monatlich zu zahlen.

II. Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführern 9/10 der außergerichtlichen Kosten des Anordnungsverfahrens in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III. Den Beschwerdeführern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., D., bewilligt.

Ratenzahlungen sind derzeit nicht zu erbringen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Beschwerdeführern (Bf) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) zuzusprechen sind.

Die Bf. beantragten am 17. Januar 2006 bei der Beschwerdegegnerin (Bg) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die am … 1965 geborene Bf. zu 2 und der am … 1972 geborene Bf zu 1 sind verheiratet. Beide sind nach eigener Einschätzung fähig, mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.

Der Bf. zu 1 bezog in der Zeit vom 15. März 2005 bis zum 11.3.2006 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 25,15 € täglich. Die zuvor erfolgte Bewilligung von Wohngeld wurde mit Bescheid der Landeshauptstadt Dresden vom 24. Januar 2005 für die Zeit ab 1. 9. 2004 aufgehoben.

Die am ... 1989 geborene Bf zu 3, leibliches Kind der Bf zu 2, und die am ... .1998 geborene Bf zu 4, gemeinsames Kind der Bf zu 1 und 2, besuchen allgemein bildende Schulen.

Die Bf bewohnen eine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 95 Quadratmetern.

Die Gesamtmiete beträgt 713,60 € monatlich. Hiervon fallen 279 € monatlich für Nebenkosten an. Diese untergliedern sich wie folgt:

Heizung

141,50 €,

Kaltwasser

34 €,

Abwasser

34 €,

" Leistung an Dritte"

4,50 €,

 Gartennutzung

35 €

sowie Carport-Miete

30 €.

Außer den Bf leben noch der am … 1988 geborene D. F. (D.F), leibliches Kind der Bf zu 2, sowie die Pflegekinder M. K. (M.K.), geb. am … 1997, R. K. (R.K), geb. am … 1998 und T. R. (T.R.), geb. am … 2004, in der Wohnung.

D. F. erzielt aus einer Ausbildung ein monatliches Nettoentgelt von 282 €. Für ihn wie auch für die Bf zu 3 wird durch den Kindesvater Unterhalt in Höhe von jeweils 217,50 € monatlich gezahlt.

Den Bf zu 1 und 2 wird Pflegegeld wie folgt monatlich gezahlt: für R.K. 620,50 € (465 € Pflegegeld, 194 € Erziehungsbeitrag, abzüglich Kindergeldanteil 38,50 €) und für T.R. 561,50 € (Pflegegeld 406 €, Erziehungsbeitrag 194 €, abzüglich Kindergeldanteil 38,50 €).

Weiter bezieht die Bf zu 2 Kindergeld für den volljährigen D.F., die Bf. zu 3 und M.K in Höhe von jeweils 154 € sowie für die Bf. zu 4, R.K. und T. R. in Höhe von jeweils 179 € monatlich.

Nach dem Bewilligungsbescheid des Jugendamtes vom 09.12.2005 werden für M.K 846 € (darin enthalten Pflegegeld 470 €, Erziehungsbeitrag 392 €, Pauschalbetrag i.H.v. 22,50 €, abzüglich Kindergeldanteil 38,50 €) an die Bf zu 2 gezahlt. Das Pflegegeld und das Kindergeld für M. K. (insgesamt 1.000,00 € monatlich)werden jedoch nach deren eidesstattlicher Versicherung vom 29.06.2006 an Frau D. weitergeleitet, in deren tatsächlicher Obhut sich dieses Kind in Absprache mit dem Jugendamt befindet.

Mit Bescheid vom 16.02.2006 lehnte die Bg den Antrag ab. Hilfsbedürftigkeit bestehe nicht, weil das zur Verfügung stehende Einkommen den Bedarf übersteige. Wegen Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlagen zum Bescheid vom 16.02.2006 Bezug genommen.

Am 1.3.2006 haben die Bf. beim Sozialgericht Dresden (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts beantragt, ihnen ab Antragstellung laufende Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Für März bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II in Höhe von 533,76 € und ab April 2006 in Höhe von 750,41 € monatlich. D. F. sei ab 1.3.2006 nicht in die Bedarfsgemeinschaft mit einzubeziehen. Ebenso gehörten die Pflegekinder nicht zur Bedar...

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