Entscheidungsstichwort (Thema)

Im Pflegegeld enthaltener Erziehungsbeitrag als Einkommen nach § 11 SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sichern das Existenzminimum. Deshalb sind sie aus verfassungsrechtlichen Gründen durch einstweiligen Rechtsschutz im Zweifel zu gewähren. Der Anspruchsteller kann auf das Hauptsacheverfahren nicht verwiesen werden.

2. Zu dem beim Hilfebedürftigen zu berücksichtigenden Einkommen nach § 11 SGB 2 zählt nicht der im Pflegegeld enthaltene Erziehungsbeitrag.

3. Der im Pflegegeld enthaltene Erziehungsbeitrag stellt eine zweckbestimmte Einnahme dar. Dieser ist nicht an den Bedarf der Pflegeperson, sondern allein an den des Pflegekindes geknüpft. Damit dient er einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB 2. Er ist deshalb als zweckbestimmte Einnahme beim Einkommen des Hilfebedürftigen nicht zu berücksichtigen.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 6. Juni 2006 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 5. Mai 2006 bis zu einer Entscheidung in Widerspruchsverfahren, längstens bis zum 30. November 2006, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren, ohne dabei den im Pflegegeld enthaltenen Erziehungsbeitrag bei dem Einkommen zu berücksichtigen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht weitere Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) geltend.

Die am 1961 geborene Antragstellerin erhält von dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz für die in ihrem Haushalt lebenden 1993 und 1994 geborenen Pflegekinder jeweils ein Pflegegeld in Höhe von 725,50 Euro monatlich. Dieses enthält einen Erziehungsbeitrag in Höhe von 196,- Euro. Ein Kindergeldanteil in Höhe von 38,50 Euro wurde in Abzug gebracht. Die Antragstellerin nahm am 2. Mai 2006 eine Tätigkeit auf.

Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 156,15 Euro monatlich für den Zeitraum 1. April 2006 bis 30. November 2006. Bei der Berechnung des Bedarfs berücksichtigte der Antragsgegner als Gesamteinkommen der Antragstellerin 489,- Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Erziehungsbeitrag für zwei Pflegekinder abzüglich des halben Regelsatzes, des Grundfreibetrages und des Betrages nach § 30 SGB II in Höhe von 20 % von 322,50 Euro sowie dem Kindergeld unter Anrechnung des Viertels des Kindergeldes, welches bereits auf das Pflegegeld angerechnet wurde. Der zu berücksichtigende Erziehungsbetrag wurde mit 258,- Euro und das zu berücksichtigende Kindergeld mit 231,- Euro berechnet. Der Antragsgegner führte in dem Bescheid aus, dass der Anspruch der Antragstellerin für die Monate April und Mai 2006 insgesamt 312,30 Euro betrage und aufgrund des Erhalts von 260,37 Euro im April 2006 aus der ehemaligen Bedarfsgemeinschaft ihres getrennt lebenden Ehemannes und der Anrechnung noch ein Anspruch für Mai 2006 in Höhe von 51,93 Euro bestehe. Am 4. Mai 2006 erhielt die Antragstellerin den Betrag von 51,93 Euro ausgezahlt. Gegen den Bescheid hat die Antragstellerin am 2. Juni 2006 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde.

Am 5. Mai 2006 beantragte die Antragsstellerin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr als Alleinerziehende die entsprechenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren und bei der Berechnung der Leistung das Pflegegeld nicht anzurechnen.

Das Sozialgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 6. Juni 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass es vorliegend an einem Anordnungsgrund fehle. Bei dem Bedarf der Antragstellerin sei der im Pflegegeld enthaltene Erziehungsbeitrag als Einkommen zu berücksichtigen. Dieser sei nicht für die materiellen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Pflege des Kindes entstünden, gedacht, sondern stelle eindeutig eine finanzielle Leistung an die Pflegeperson für die Erziehung des Pflegekindes dar. Die Antragstellerin erhalte pro Kind einen Erziehungsbeitrag von 294,- Euro. Nach Abzug des halben Regelsatzes, des Grundfreibetrages und des Betrages nach § 30 SGB II in Höhe von 20 % von 322,50 Euro verbleibe ein zu berücksichtigender Erziehungsbeitrag in Höhe von 258,- Euro. Dazu sei das Kindergeld unter Anrechnung des Viertels des Kindergeldes, welches bereits auf das Pflegegeld angerechnet worden sei, hinzuzurechnen. Somit stehe dem Gesamtbedarf der Antragstellerin in Höhe von 645,16 Euro als anrechnungsfähiges Einkommen 489,- Euro gegenüber, sodass ein Bedarf von monatlich 156,15 Euro verbleibe, der von dem Antragsgegner bewilligt worden sei. Unter Berücksichtigung der Zahlung von 260,37 Euro im April 2006 verbleibe ein Betrag für Mai in Höhe von 51,93 Euro, der ausgezahlt worden sei.

Gegen diesen der Antragstellerin am 9. Juni 2006 zugestellten Beschluss richtet sich ihre...

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