Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung des persönlichen Erscheinens. unentschuldigtes Ausbleiben. Ordnungsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erschienenen Beteiligten.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Juli 2016, mit dem gegen sie ein Ordnungsgeld i.H.v. 100,00 € festgesetzt wurde, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Klägerin. In der Hauptsache ist die Höhe der der Klägerin und ihrer Tochter (im Folgenden: Klägerinnen) zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.06.2015 bis 31.08.2015 streitig.

Mit der am 22.10.2015 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage haben die Klägerinnen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den streitigen Zeitraum als mit Bescheid vom 07.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2015 festgesetzt begehrt. Auf mehrere schriftliche Aufforderungen zur Begründung der Klage haben die anwaltlich vertretenen Klägerinnen nicht reagiert.

Unter anderem zur Aufklärung des Begehrens der Klägerinnen hat das SG mit gerichtlichem Schreiben vom 14.06.2016 Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den 21.07.2016, 11:45 Uhr, bestimmt. Das persönliche Erscheinen der Klägerin ist angeordnet worden. Die Ladung ist der Klägerin ausweislich Postzustellungsurkunde am 16.06.2016 zugestellt worden. Sie hat den Hinweis enthalten, dass im Falle des unentschuldigten Nichterscheinens ein Ordnungsgeld bis 1.000,00 € festgesetzt werden kann.

Im Erörterungstermin am 21.07.2016 sind weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter erschienen. Auf telefonische Nachfrage beim Bevollmächtigten hat sein Büro erklärt, dass die Klage per Fax zurückgenommen und um Aufhebung des Termins gebeten worden sei. Beim SG ist jedoch lediglich eine Klagerücknahme für das Parallelverfahren S 35 AS 746/16 erfolgt. Gründe für das Nichterscheinen zum Termin am 21.07.2016 sind gegenüber dem SG nicht vorgetragen worden.

Das SG hat mit Beschluss vom 29.07.2016 gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld i.H.v. 100,00 € festgesetzt. Die Festsetzung beruhe auf § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 141 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 380 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Gemäß § 202 Satz 1 SGG seien die Vorschriften der ZPO grundsätzlich auch im Verfahren vor den Sozialgerichten anwendbar. Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht das persönliche Erscheinen anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheine. Nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO könne bei Ausbleiben der Partei im Termin ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen festgesetzt werden. Nach § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO werde gegen einen ordnungsgemäß geladenen, nicht erschienen Zeugen ein Ordnungsgeld festgesetzt. Die Klägerin sei ordnungsgemäß unter Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin geladen worden. Weder sie noch ihr Vertreter seien erschienen. Gründe für eine ausreichende Entschuldigung seien nicht ersichtlich. Durch das Ausbleiben der Klägerin sei zudem die Sachaufklärung in dem Verfahren zumindest erheblich verzögert worden, da die gegen den angegriffenen Bescheid geltend gemachten Rügen weiterhin unklar seien. Das SG habe im Rahmen seines Ermessens ein Ordnungsgeld i.H.v. 100,00 € festgesetzt, wobei insbesondere das Interesse an der Sachaufklärung und der Beschleunigung des Verfahrens berücksichtigt worden seien. Die Höhe des Ordnungsgelds betrage gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) mindestens 5,00 € und höchstens 1.000,00 €. Es hat im vorliegenden Fall 100,00 € für angemessen erachtet.

Gegen den der Klägerin ausweislich Postzustellungsurkunde am 11.08.2016 zugestellten Beschluss hat ihr Prozessbevollmächtigter am 24.08.2016 beim SG Beschwerde eingelegt. Aufgrund eines Missverständnisses in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten sei lediglich von der Anberaumung eines Termins im Verfahren S 35 AS 746/16 ausgegangen worden. Die Anberaumung eines Erörterungstermins auch im vorliegenden Verfahren sei übersehen worden. Da die Klage im Verfahren S 35 AS 746/16 zurückgenommen und um Aufhebung des Erörterungstermins gebeten worden sei, habe der Unterzeichner durch seine Mitarbeiterin der Klägerin telefonisch ausrichten lassen, dass sie wegen der erfolgten Klagerücknahme nicht zu Gericht fahren müsse. Die Klägerin habe auf diese Mitteilung vertraut.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.07.2016 aufzuheben.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen vor.

II.

Die gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit ...

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