Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Einkommen. Mehraufwandsentschädigung für eine Arbeitsgelegenheit nach dem SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Mehraufwandsentschädigung für eine Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II ("Ein-Euro-Job") ist im Rahmen der Prozesskostenhilfe als Einkommen zu berücksichtigen.

 

Tenor

Dem Kläger wird für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Z. bewilligt.

Dem Kläger wird aufgegeben, monatliche Raten in Höhe von 82 EUR an die Landeskasse zu zahlen.

 

Gründe

Der Kläger hat für das Berufungsverfahren einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) mit Ratenzahlung.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH mit Ausnahme von § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechende Anwendung. Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Der Kläger kann die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nur in Raten aufbringen. Nach § 115 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO hat ein Beteiligter sein Einkommen und Vermögen einzusetzen. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass er über kein einzusetzendes Vermögen verfügt. Sein Einkommen rechtfertigt die Bewilligung von PKH mit Ratenzahlung.

Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO), auch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 5. Mai 2010 - XII ZB 65/10 -, NJW-RR 2011, 3). Deshalb stellt das dem Kläger mit Bescheid vom 14. Juni 2020 bewilligte Arbeitslosengeld II i.H.v. 717,68 EUR pro Monat Einkommen dar. Daneben ist auch die Mehraufwandsentschädigung zu berücksichtigen, die dem Kläger für die Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gewährt wird (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 23. Februar 2009 - L 3 B 138/07 AS-PKH - juris Rn. 4; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. April 2011 - L 5 AS 364/10 B ER -, juris Rn. 36 (jeweils zu § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F.)). Anders als in § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II findet sich im Recht der Prozesskostenhilfe keine Ausnahmeregelung, die einer Anrechnung entgegenstünde.

Ausweislich der vorgelegten Vereinbarung mit dem Maßnahmeträger vom 1. Juni 2020 erhält der Kläger im Rahmen der Arbeitsgelegenheit 2,50 EUR pro Stunde bei einer Einsatzzeit von durchschnittlich 30 Stunden pro Woche, also durchschnittlich 325 EUR pro Monat. Aus den Abrechnungen für die ersten Tätigkeitsmonate Juni und Juli 2020 ergibt sich allerdings ein tatsächlich niedrigeres Einkommen i.H.v. 225 EUR pro Monat. Damit ist insgesamt von einem monatlichen Einkommen von 942,68 EUR auszugehen.

Konkrete Aufwendungen, die von diesem Betrag abzuziehen wären, hat der Kläger trotz wiederholten gerichtlichen Hinweises nicht dargelegt. Ohne eine solche Darlegung ist eine Berücksichtigung nicht möglich. Insbesondere kann die erhaltene Mehraufwandsentschädigung nach § 16d Abs. 7 Satz 1 SGB II nicht ohne Weiteres ganz oder teilweise wieder in Abzug gebracht werden. Eine solche Absetzung ergibt sich insbesondere nicht aus § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).

Nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB XII sind vom Einkommen u.a. die mit seiner Erzielung verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Mangels entsprechender Angaben des Klägers lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der erhaltenen Mehraufwandsentschädigung tatsächlich entsprechende Ausgaben gegenüberstehen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Gewährung einer Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16d Abs. 7 Satz 1 SGB II zwar die Annahme zugrunde liegt, dass tatsächlich ein auszugleichender Mehraufwand anfällt, dass die Entschädigung aber aufgrund der zulässigen Pauschalierung nicht exakt diesem Aufwand entsprechen muss (vgl. Harks, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 16d Rn. 71 m.w.N.). Hinzu kommt, dass es teils für zulässig, teils sogar für geboten gehalten wird, sie bewusst höher zu bemessen, um einen Anreiz zur Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit zu schaffen (vgl. etwa v. Koppenfels-Spies, NZS 2010, 2, 5; Stölting, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 16d Rn. 66; offen gelassen von BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 66/07 R -, juris Rn. 14 (zu § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II a.F.)). Zum ...

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