Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung für Kind. Brillengläser mit extra großem Nahteil bei akkommodativem Strabismus. kein Anspruch bei Nichtvorliegen einer Indikation iSd vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Hilfsmittel-Richtlinie (juris: HilfsMRL)

 

Orientierungssatz

Ein versichertes Kind hat keinen Anspruch auf Versorgung mit Brillengläsern mit extra großem Nahteil (Brechungsindex von 1,67), wenn zwar eine diese erfordernde medizinische Diagnose gestellt wurde (hier: akkommodativer Strabismus), aber keine der in der HilfsMRL genannten Indikationen erfüllt ist.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 08.07.2021 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Brille in Höhe von weiteren 116,00 €.

Der 2011 geborene Kläger, der bei der Beklagten familienversichert ist, beantragte mit Schreiben vom 08.11.2018 durch die T GmbH, M , die Versorgung mit zwei Bifokal-Kunststoffgläsern Typ Exzellent für seine alte Brille und mit zwei Bifokal-Kunststoffgläsern Typ Exzellent für eine Sportbrille. Die Gläser seien eine Sonderanfertigung und nur mit einer Härtungsschicht zum Preis von 38,50 € pro Glas lieferbar. Der Preis für zwei Gläser betrage 934,00 €. Beigefügt war eine Sehhilfenverordnung der Institutsambulanz der Augenklinik S vom 12.10.2018, mit der wegen einer Änderung um mindestens 0,5 Dioptrien zwei Bifokal-Kunststoffgläser für eine Fernbrille plus und zwei Bifokal-Kunststoffgläser für die Sportbrille, Typ Exzellent, Nahteil hochgezogen bis Pupillenmitte, verordnet wurden. Mit Bescheid vom 13.11.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie übernehme die Kosten für 390,00 € pro Brille. Die Mehrkosten für eine höherwertige Versorgung habe der Kläger selbst zu tragen. Der Kläger beschaffte sich sodann eine Mehrstärkenbrille. Für die Brillengläser MTZ DUO Franklin L 67, HART SET PLUS stellte die T GmbH dem Kläger mit Rechnung vom 15.11.2018 jeweils 434,00 € in Rechnung, für die Brillenfassung 99,00 € (Gesamtbetrag 967,00 €). Ausweislich des Vermerks auf der Rechnung vom 21.10.2018 wurde dieser Betrag gezahlt (Bl. 20 Prozessakte -PA-). Der Kläger wandte sich gegen die teilweise Ablehnung der Kostenübernahme und legte eine Bescheinigung der Fachärztin Dr. R und der Orthoptistin F , Augenklinik S , vom 16.11.2018 vor, wonach bei ihm auf Grund eines akkommodativen Strabismus eine Bifokalbrille Typ Exzellent erforderlich sei. Der Nahteil sei bei dieser Brille größer als der Fernteil, da die Trennlinie durch die Pupillenmitte laufen müsse. Daher werde um Überprüfung gebeten, ob bei einer Nahteilstärke von RA+10,5 sph.-2,5 zyl. A6Grad und LA+11,25 sph.-1,0 zyl. A11Grad § 14 Abs. 4 der Hilfsmittelrichtlinie in Ansatz zu bringen sei. Mit Schreiben vom 20.12.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aus der Stellungnahme ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Der Kläger legte gegen die teilweise Kostenübernahme für Sehhilfen mit Schreiben vom 21.12.2018 Widerspruch ein und machte geltend, die Beklagte habe die Höhe des bewilligten Betrags von 195,00 € pro Brillenglas nicht erläutert. Es entstünden Kosten in Höhe von 434,00 € je Glas. Hiervon seien Mehrkosten für die Entspiegelung und die Härtung der Brillengläser in Höhe von 120,00 € (85,00 € bzw. 35,00 €) abzuziehen, da diese nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse fielen. Mithin seien Kosten von 314,00 € pro Glas streitig. Ihm seien keine „normalen“ Bifokalgläser verordnet worden. Auf Grund des akkommodativen Strabismus werde ein besonders großes Nahteil benötigt. Die Trennlinie solle durch die Pupillenmitte verlaufen. Dies habe zur Folge, dass sie besonders hoch anzusetzen sei und dadurch der Teil des Brillenglases für die Nähe größer werde als der für die Ferne. Die Fertigung derartiger Brillengläser sei nur als sogenanntes Executiv- oder Franklinglas möglich. Mithin sei von einer Sonderanfertigung auszugehen, die die Festbeträge oder Vertragspreise deutlich übersteigen werde. Die aktuellen Festbeträge sähen keine Positionen für Executiv/Franklingläser vor, sodass eine Versorgung im Wege der Sachleistung zu erfolgen habe. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29.03.2019 mit, nach Rücksprache mit dem Lieferanten seien höherbrechende Kunststoffgläser mit dem Index 1,67 und Vollveredelung (Härtung und Superentspiegelung) vom Hersteller D geliefert worden. Die bewilligte Summe entspreche dem empfohlenen Verkaufspreis der Firma D . Eine Beteiligung an den höherbrechenden Brillengläsern erfolge nicht, da diese im Fernbereich erst ab 10 Dioptrien (dpt) indiziert seien. Das Härten und Entspiegeln sei nicht verordnungsfähig und damit keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Firma T GmbH habe bestätigt, dass die Standardversorgung der Brillengläser, also nicht höherbrechend u...

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