Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung. Minderung der Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nichtauszahlung des Guthabens durch Vermieter trotz Aufrechnungsverbot

 

Orientierungssatz

1. Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern als Einkommen gemäß § 22 Abs 3 SGB 2 die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen, bleiben dabei außer Betracht.

2. Die bedarfsmindernde Berücksichtigung eines Nebenkostenguthabens ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Auszahlung des einbehaltenen Betriebskostenguthabens aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisierbar ist.

3. Im Rahmen der Selbsthilfeobliegenheit nach § 2 Abs 1 S 1 SGB 2 ist es dem Leistungsempfänger zuzumuten, auf die Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Aufrechnung hinzuwirken, auch unter Beschreitung des Zivilrechtswegs (vgl BSG vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R = BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2).

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.01.2018 geändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht ein Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung i.H.v. 538,43 Euro auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II angerechnet hat.

Der am 00.00.1964 geborene Kläger bezog in der Zeit von Oktober 2011 bis März 2015 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. In der Zeit von April 2015 bis August 2015 war der Kläger abhängig beschäftigt, er bezog keine Grundsicherungsleistungen.

Zum 01.10.2013 zog der Kläger ohne Zustimmung des Beklagten in eine ca. 45 qm große Wohnung in der I-straße 00 in O. In dem am 24.09.2013 vereinbarten Mietvertrag war neben einer Mietkaution von 819,00 Euro eine Bruttowarmmiete von 393,00 Euro (273,00 Euro Grundmiete + 60,00 Euro Nebenkosten + 60,00 Euro Heizkosten) vereinbart. Die Mietzahlungen übernahm der Beklagte ab Oktober 2013 als Bedarf nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Der Kläger zahlte weder die Mietkaution, noch die Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2013 noch die Miete von April 2015 bis August 2015. Mit Schreiben vom 28.08.2015 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis zum 30.09.2015 fristlos wegen Zahlungsverzugs, hilfsweise ordentlich wegen erheblicher schuldhafter Pflichtverletzung. Es bestünden Forderungen von insgesamt 2.846,19 Euro.

Unter dem 12.10.2015 erhielt der Kläger von seiner Vermieterin eine Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2014. Hiernach stand dem Kläger ein Guthaben i.H.v. 538,43 Euro zu. Die Vermieterin verrechnete das Guthaben mit offenstehenden Mietforderungen i.H.v. 3.632,19 Euro.

Auf Antrag des Klägers vom 30.09.2015 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 22.10.2015 für die Zeit vom September 2015 bis Februar 2016 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Für November 2015 bewilligte er 408,18 Euro (Regelbedarf 399,00 Euro + 9,18 Euro § 21 Abs. 7 SGB II) und für Dezember 655,75 Euro (399,00 Euro Regelbedarf + 9,18 Euro § 21 Abs. 7 SGB II + 247,57 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Auf den Bedarf gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II i.H.v. 393,00 Euro monatlich für die Monate November 2015 und Dezember 2015 rechnete er das Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung als Einkommen an. Unter Sonstige Gründe führte der Beklagte aus:

"Das Guthaben aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung in Höhe von insgesamt 538,43 Euro wurde im November und anteilig im Dezember mit Ihren Kosten der Unterkunft verrechnet. Eine Minderung ist in den Fällen nicht möglich, wenn zwischen Mieter und Vermieter eine mietvertragliche Aufrechnungsvereinbarung mit bestehenden Forderungen (z.B. Mietrückstände) getroffen wurde. Liegt jedoch, wie in ihrem Fall, keine entsprechende Vereinbarung vor und der Vermieter behält das Guthaben wegen einer Aufrechnungserklärung i.S.d. § 388 BGB ein (bloße Ausübung eines Gestaltungsrechts), ist zu prüfen, ob sie einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Vermieter auf Auszahlung der Erstattung haben. Da ohne eine vorgenannte Vereinbarung zwischen Ihnen und Ih-rem Vermieter eine Aufrechnung i.S.d. § 388 BGB aufgrund einer bestehenden Unpfändbarkeit des Erstattungsanspruches aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung gem. § 394 BGB ausgeschlossen ist, wird im Bereich des SGB II eine Minderung trotz tat-sächlich fehlender Verfügungsgewalt über das Guthaben gemäß § 22 Abs. 3 SGB II vor-genommen. Das Guthaben müssten Sie auf zivilrechtlichen Wege geltend machen. Für Anwaltskosten können Sie beim zuständigen Amtsgericht einen Beratungshilfeschein beantragen oder Prozesskostenhilfe, soweit es zum Prozess kommt."

Gegen die Höhe der für November 2015 und Dezember 2015 bewilligten Bedarfe gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II legte der Kläger am 13.11.2015 Widerspruch ein, den ...

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