Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anspruch des Bundes auf Rückerstattung von durch einen zugelassenen kommunalen Träger abgerufenen Bundesmitteln bei Rechtswidrigkeit der Mittelverwendung. Zahlung einer Selbstvermittlungsprämie. kein Rückerstattungsanspruch aufgrund von Art 106 Abs 8 GG oder Art 104a Abs 5 S 1 GG. kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Die Zahlung einer Prämie an den Hilfebedürftigen, welche vordergründig eine Belohnung für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten und nicht hauptsächlich eine erforderliche Leistung zur Eingliederung in das Erwerbsleben darstellt, ist mit den Leistungsgrundsätzen der §§ 1 und 3 SGB 2 nicht vereinbar (vgl LSG Essen vom 30.6.2011 - L 7 AS 1212/10 und vom 2.2.2011 - L 12 AS 1104/10 sowie SG Detmold vom 4.6.2009 - S 10 AS 106/08).

2. Die Finanzierungslast des Bundes nach § 6b Abs 2 SGB 2 ist nicht auf materiell rechtmäßige Aufwendungen beschränkt.

3. Art 106 Abs 8 GG beinhaltet einen Ausgleichsanspruch der Kommune gegenüber dem Bund, wenn dieser bei der Kommune besondere Belastungen veranlasst. Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, dass die Kommune bei einer nicht erforderlichen Belastung haftet, denn das finanzverfassungsrechtliche Regelungskonzept des GG unterscheidet zwischen der Finanzierung einer Aufgabe und der möglichen Haftung aufgrund einer etwaigen nicht ordnungsgemäßen Ausführung der Aufgabe.

4. Bei sinngemäßer Übertragung des Grundgedankens der Haftungsregelung nach Art 104a Abs 5 S 1 GG beschränkt sich die Haftung des zugelassenen kommunalen Trägers auf den verfassungsrechtlich gebotenen Haftungskern "für eine ordnungsgemäße Verwaltung" zu haften.

5. Dem Bund steht im Falle der Rechtswidrigkeit der Mittelverwendung infolge einer rechtswidrigen Leistungsbewilligung kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber dem zugelassenen kommunalen Träger zu, da die Bundesmittel mit Rechtsgrund geleistet wurden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.07.2013; Aktenzeichen B 4 AS 72/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.06.2009 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger 164.554,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 976.535,76 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf (Rück-)Zahlung der von ihm im Jahr 2006 für die Selbstvermittlungsprämien und Ausbildungskostenzuschüsse abgerufenen und sodann unter Vorbehalt zurückerstatteten Bundesmittel in Höhe von 164.554,00 Euro hat.

Der Kläger ist als sogenannte Optionskommune als Grundsicherungsträger nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zugelassen. Unter dem 06.01.2005 schlossen die Bundesrepublik Deutschland (Bund), vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) und der Landkreis N eine Verwaltungsvereinbarung über die von der Beklagten als Bund zu tragenden Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Nach § 1 der Vereinbarung ist der Kläger verpflichtet, 1. die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung sowie den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz der vom Bund zu tragenden Aufwendungen sicherzustellen, 2. dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit auf Anforderung zeitnah Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sowie örtliche Prüfungen zu ermöglichen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob Aufwendungen nach Grund und Höhe von der Beklagten zu tragen sind.

Nach § 2 Abs. 1 der Vereinbarung ermöglicht der Bund dem Kläger die Teilnahme am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (HKR-Verfahren). Danach ist der Kläger berechtigt, Bundesmittel auf der Grundlage von § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II und unter Beachtung dieser Verwaltungsvereinbarung sowie der Verfahrensrichtlinien des Bundesministeriums der Finanzen für Mittelverteiler/Titelverwalter zu bewirtschaften und beim Bund abzurufen.

§ 5 der Verwaltungsvereinbarung enthält folgende weitere Regelung:

"(1) Der Landkreis richtet ein Verwaltungs- und Kontrollsystem ein, das die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung der vom Bund hinsichtlich der besonderen Einrichtung des Landkreises nach § 6a Abs. 6 SGB II i.V.m. Art. 106 Abs. 8 zu tragenden Aufwendungen sicherstellt (§ 1 Satz 2), und überwacht sein einwandfreies Funktionieren. Um sowohl den Entwicklungsaufwand für die Erarbeitung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme zu reduzieren als auch deren Einheitlichkeit und die Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen, bietet das BMWA an, kurzfristig gemeinsam mit Vertretern aus Landkreisen und Städten ein einheitliches Verwaltungs- und Kontrollsystem zu erarbeiten.

(2) Soweit sich bei der Prüfung durch das Kontrollsystem, bei der Schlussabrechnun...

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