Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung von Leistungen der Grundsicherung bei fehlender Mitwirkung des Leistungsberechtigten

 

Orientierungssatz

1. Wer Leistungen des SGB 2 beantragt, ist zur Offenlegung seiner Einkommensverhältnisse verpflichtet. Bei einem Selbständigen ist ein Nachweis der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für einen bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erforderlich, um eine Prognose des voraussichtlichen Einkommens für den Bewilligungszeitraum zu bilden.

2. Die Aufforderung des Grundsicherungsträgers ist vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt. Der Leistungsempfänger ist aufgrund seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB 1 hierzu verpflichtet.

3. Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung steht gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 SGB 1 im Ermessen des Leistungsträgers. Bis zur Nachholung der Mitwirkung kann dieser die beantragte Leistung ganz oder teilweise versagen.

4. Eine im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung des Leistungsberechtigten nach § 24 SGB 10 kann im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.08.2018; Aktenzeichen B 14 AS 97/17 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.03.2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine Versagung von Leistungen für die Zeit von März 2013 bis Juni 2013.

Der Kläger war als Energieberater (BAFA) und Effizienzhaus-Experte (dena) selbständig tätig. Für die Bewilligungszeiträume vom 01.09.2011 bis 29.02.2012 und vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 wurden ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig bewilligt. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig, weil der Kläger Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielte, deren Höhe bei Antragstellung noch nicht feststand.

Am 28.02.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 28.02.2013 forderte der Beklagte den Kläger u.a. auf, bis zum 14.03.2013 abschließende Angaben zum Einkommen in dem Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 zu machen. Des Weiteren sollte der Kläger darlegen, wie er in der Zeit seit der Nichtgewährung von Leistungen gelebt habe. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, erst nach Eingang der Unterlagen könne über den Antrag abschließend entschieden werden. Sollte er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, könne sein Antrag wegen der fehlenden Mitwirkung abgelehnt werden.

Mit weiterem Schreiben vom 11.03.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, die abschließende Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 einzureichen. In diesem Schreiben wies die Beklagte den Kläger erneut auf seine Mitwirkungspflichten sowie die Möglichkeit der Ablehnung des Antrags bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten hin.

Der Kläger reichte keine Unterlagen ein. Mit Bescheid vom 22.03.2013 versagte die Beklagte Leistungen. Mit Schreiben vom 28.02.2013 und 11.03.2013 sei der Kläger aufgefordert worden, fehlende Unterlagen einzureichen. Auf die Folgen bei fehlender Mitwirkung sei der Kläger hingewiesen worden. Bei der Entscheidung sei Ermessen ausgeübt worden. Die Vorlage der Unterlagen sei dem Kläger möglich gewesen. Durch das Verhalten des Klägers sei es der Beklagten nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen.

Gegen den am 26.03.2013 zugestellten Bescheid vom 22.03.2013 legte der Kläger am 25.04.2013 Widerspruch ein. Die Rechtsfolgenbelehrung sei zu unbestimmt. Auch habe eine Anhörung nach § 24 SGB X nicht stattgefunden. Das Schreiben vom 11.03.2013 sei ihm zudem erst am 12.03.2013 zugegangen. Die gesetzte Frist zur Einreichung der Unterlagen sei daher viel zu kurz bemessen. Zudem liege für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 bereits eine endgültige Bewilligung vor.

Mit Schreiben vom 10.06.2013 gab die Beklagte dem Kläger nochmals Gelegenheit, die fehlenden Unterlagen bis zum 26.06.2013 einzureichen. Dabei handelte es sich u.a. um die Anlage EK, eine endgültige EKS für den Zeitraum 01.09.2011 bis 28.02.2012, für den Zeitraum 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012 bis 31.01.2013. Die Beklagte forderte den Kläger auf, bezüglich der Einnahmen für die vorgenannten Zeiträume entsprechende Belege, betriebswirtschaftliche Auswertungen, Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Überschussrechnungen, Kontoauszüge und/oder Rechnungen vorzulegen. Sofern er seine selbständige Tätigkeit weiterhin ausübe, solle er für den Zeitraum 01.02.2013 bis 31.07.2013 Angaben über sein voraussichtliches Einkommen machen. Auch solle er Angaben dazu machen, wovon er seit dem 01.09.2012 gelebt habe. Sollte er seinen Mitwirkungspflichten nicht bzw. nicht vollständig nachkommen, könnten die beantragten Leistungen nach § 66 SGB I ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden.

Am 01.07.2013 teilte der Kläger im Rahmen einer erneuten Antragstellung der Beklagten mit, dass er das Schreiben vom 10.06.2013 nicht erhalten habe. Im Rahmen der Antragstellung...

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