Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. Klage einer Krankenkasse gegen Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamts. Rechtswegzuständigkeit. anderweitige Rechtshängigkeit. öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Sozialgerichtsbarkeit. Normkonflikt zwischen § 51 Abs 1 SGG und § 63 GWB

 

Orientierungssatz

1. Zum Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 17 Abs 1 S 2 GVG.

2. Streitigkeiten über die Frage, ob von einer Kartellbehörde beanspruchte Auskunftsrechte in Angelegenheiten, die gesetzliche Krankenkassen betreffen, deren Selbstverwaltungsrecht gem § 29 SGB 4 unzulässig einschränken, sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung und nicht solche des kartellgerichtlichen Verfahrens nach § 63 GWB. Insoweit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

3. Zur Auflösung des Normkonflikts zwischen § 51 Abs 1 SGG und § 63 GWB.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.09.2010; Aktenzeichen B 1 SF 2/10 R)

 

Tenor

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

Die Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamtes. Umstritten ist die Zulässigkeit des Rechtswegs.

1. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.03.2007, BGBl I S. 378 ff.) wurde die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum 01.01.2009 durch Einführung eines Gesundheitsfonds neu geregelt. Das Bundesversicherungsamt (BVA) verwaltet den Gesundheitsfond als Sondervermögen (§ 271 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V )). Aus dem Fond erhalten die Krankenkassen Zuweisungen zur Deckung ihrer Aufwendungen (§ 270 SGB V). Ab dem 01.01.2009 legt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung den allgemeinen Beitragssatz nach Auswertung der Ergebnisse eines beim BVA gebildeten Schätzerkreises fest (§ 241 Abs. 2 SGB V). Soweit die Zuweisungen aus den Gesundheitsfonds den Finanzbedarf einer Krankenkasse übersteigen, kann sie in ihrer Satzung bestimmen, dass Prämien an ihre Mitglieder ausgezahlt werden (§ 242 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fond nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird (§ 242 Abs. 1 SGB V).

2. Am 25.01.2010 fand in Berlin eine Pressekonferenz zum Thema "Finanzentwicklung in der GKV - Einstieg in den Zusatzbeitrag" statt, an der neben dem Vorstandsvorsitzenden der Klägerin weitere Vorstandsvorsitzende bzw. -mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen, der i Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, ein Vertreter des Patientenverbandes DGVP e.V. sowie der Direktor des Institutes für Gesundheitsökonomik teilnahmen. Die anwesenden Vertreter der Krankenkassen gaben folgende Presseerklärung ab:

2010 werden Zusatzbeiträge zur Regel Berlin, 25.2.2010 Fast alle gesetzlichen Krankenkassen werden bis Ende des Jahres 2010 einen Zusatzbeitrag in Höhe von monatlich rund acht Euro erheben. Das erwarten Gesundheitsökonomen und anderen Experten. Anlässlich eines Presse-Gesprächs mit Krankenkassenvorständen, Politikern, Wissenschaftlern und Patientenvertretern betonte der Gesundheitswissenschaftler Professor Günter Neubauer vom Münchener Institut für Gesundheitsökonomik: "Zusatzbeiträge sind eine gesetzlich verankerte und politisch gewollte Säule zur Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland. 2010 wird es eine Unterfinanzierung des Gesundheitsfonds von vier Milliarden Euro geben. Die durch den Gesetzgeber angelegte Finanzarchitektur des Fonds hat zur Konsequenz, dass die meisten Krankenkassen im Laufe des Jahres 2010 Zusatzbeiträge nicht vermeiden können." Es werde bei vielen Krankenkassen bereits in den nächsten Wochen und Monaten Beschlüsse für einen Zusatzbeitrag geben. Darunter werden auch Krankenkassen sein, die besonders leistungsstark sind und sich durch innovative Versorgungskonzepte sowie einen überdurchschnittlichen Service auszeichnen. Wolfram-Arnim Candidus von der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGPV) e.V. forderte die Versicherten auf, nicht vorschnell die Kasse zu wechseln. "Die Zusatzbeiträge sind durch vorangegangene politische Entscheidungen unvermeidbar und werden die Probleme des Gesundheitswesens nicht lösen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich allerdings keinem Versicherten empfehlen, aufgrund eines Zusatzbeitrages die Kasse zu wechseln, da er damit weder seine Versorgungssituation verbessert, noch weiß, ob er dabei günstiger abschneidet.

Finanzbedarf durch Gesundheitsfonds nicht gedeckt Die Finanzausstattung des Gesundheitsfonds war von Anfang an nicht kostendeckend. Die Krankenkassen haben diese Unterdeckung durch ihre Rücklagen eine Zeit lang kompensieren können. Darüber hinaus gab es 2009 politisch induzier...

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