Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. keine Übernahme von Stromschulden. Verweis auf Selbsthilfemöglichkeiten

 

Orientierungssatz

1. Zu den Schulden, die nach § 22 Abs 8 SGB 2 darlehensweise übernommen werden können, gehören auch Energieschulden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Rückstände handelt, die die Kosten der Unterkunft und/oder Heizung betreffen, oder um solche, die zum Regelbedarf zählen (vgl LSG Essen vom 18.7.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER und vom 15.6.2012 - L 19 AS 728/12 B ER ua, LSG Halle vom 13.3.2012 - L 2 AS 477/11 B ER = ZFSH/SGB 2012, 468, LSG Schleswig vom 13.1.2012 - L 3 AS 233/11 B ER ua und LSG Neubrandenburg vom 29.9.2011 - L 8 B 509/09 ER).

2. Die Rechtfertigung der darlehensweise Übernahme von Energieschulden umfasst neben der objektiven Geeignetheit der Schuldenübernahme zur (dauerhaften) Sicherung der Energieversorgung auch die Prüfung, ob zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (vgl LSG Essen vom 20.8.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER, vom 18.7.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER und vom 16.4.2012 - L 19 AS 556/12 B ER, LSG Halle vom 13.3.2012 - L 2 AS 477/11 B ER aaO, LSG Schleswig vom 13.1.2012 - L 3 AS 233/11 B ER ua und LSG Berlin-Potsdam vom 23.9.2011 - L 14 AS 1533/11 B ER und vom 8.8.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER ua).

3. Der Leistungsberechtigte hat sich sowohl um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Anbieter zu bemühen (vgl LSG Essen vom 20.8.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER, LSG Halle vom 13.3.2012 - L 2 AS 477/11 B ER aaO und LSG Berlin-Potsdam vom 23.9.2011 - L 14 AS 1533/11 B ER). Ebenfalls ist es ihm zumutbar, sich im Zivilrechtsweg gegen eine angekündigte oder ausgeübte Stromsperre zu wenden (vgl LSG Essen vom 20.8.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER und LSG Berlin-Potsdam vom 8.8.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER ua).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.07.2012 geändert. Der Antrag auf vorläufige Gewährung eines Darlehens in Höhe von 1.348,01 Euro zur Tilgung der bei der RWE entstandenen Zahlungsrückstände für Energielieferungen wird abgelehnt.

Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die 1974 geborene Antragstellerin bezieht zusammen mit ihrer im August 1994 geborenen Tochter Q H vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Ab Oktober 2007 bewohnten sie eine Wohnung unter der Anschrift X-straße 00 in S. Aufgrund rückständiger Energiekosten gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.03.2009 ein Darlehen gem. § 23 Abs. 1 SGB II alte Fassung (a.F.) in Höhe von 1.321,57 Euro. Nach weiteren Rückständen wurde mit Bescheid vom 25.09.2009 erneut ein Darlehen in Höhe von 849,52 Euro bewilligt. Zum 01.05.2010 zog die Antragstellerin mit ihrer Tochter in eine Wohnung unter der Anschrift T-straße 00, S, zum 01.10.2011 in eine Wohnung unter der jetzigen Anschrift C-straße 00, S. Am 28.11.2011 reichte sie anlässlich einer Vorsprache beim Antragsgegner eine Mahnung ihres Energieversorgers RWE ein und beantragte die Gewährung eines Stromdarlehens in Höhe von 1.108,00 Euro für Energiekostenrückstände der Wohnung T-straße. Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mündlich mit, dass Stromdarlehen für Einzelpersonen bzw. Personen mit erwachsenen Kindern nicht gewährt würden. Eine Sperrung drohe ebenfalls nicht. Es sei erst eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Anbieter abzuschließen.

Am 14.02.2012 erwirkte die Antragstellerin gegen RWE vor dem Amtsgericht S (Az 14 C 59/12) eine einstweilige Verfügung, mit der RWE die zwischenzeitlich angedrohte Unterbrechung der Strom- und Gaszufuhr bis zum 30.04.2012 untersagt wurde. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 19 Abs. 2 Stromgrundversorgungsverordnung (GVV) unzumutbar sei.

Die Antragstellerin hat am 09.07.2012 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig ein Darlehen zur Übernahme von Stromschulden in Höhe von 1.348,01 Euro zu gewähren. Sie sei mit der Situation überfordert gewesen und habe unter Einsparung der aktuellen Abschläge und unter Aufnahme von Darlehen bei einer Freundin versucht, die rückständigen Forderungen zu tilgen. Es müsse berücksichtigt werden, dass sie mit ihrer fast 18jährigen Tochter zusammenlebe, die nach Erhalt der Mittleren Reife ausbildungsplatzsuchend sei.

Das SG hat dem Antrag mit Beschluss vom 18.07.2012 stattgegeben. Die Antragstellerin habe sowohl Anordnungsanspruch wie auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 8 SGB II könnten, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht würden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notl...

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